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Tierschutzrecht |
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Beispiele:
Tierhaltung
Tierversuchsrecht
Ordnungswidrigkeitsverfahren
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Tiere
Tiere
im rechtlichen Sinne sind alle Lebewesen, die auch im
naturwissenschaftlichenschaftlichen Sinne Tiere sind. Pflanzen, Pilze,
Bakterien, Viren, Einzeller u.a. gehören nicht dazu. Tiere von
Tierarten, die nur wenige
Zellen groß sind (Kleinstlebewesen) werden rechtlich selten
geschützt. Dazu zählen insbesondere Kleinsttiere im Boden
oder im Meer (obwohl die Böden äußerst komplexe
Ökosysteme sind oder beinhalten). Link: Tierschutzrecht-Glossary.
Nach § 1 Satz 2 TierSchG darf niemand einem Tier ohne
vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden
zufügen. Mit dem Tatbestandsmerkmal „ohne vernünftigen
Grund“ ist „rechtswidrig“ gemeint. Die Vorschrift
bestimmt also das Verbot rechtswidrigen Zufügens von Schmerzen
etc. Dies gilt auch für Würmer, Insekten und Mäuse. Das
TierSchG schützt alle Tiere, nicht bloß die vom Menschen als
sympathisch eingestuften.
Anwaltstätigkeit
Die
Kanzlei Wüstenberg besucht Sie bei Bedarf, bevor und wenn Sie
vom Amtstierarzt der zuständigen Tierschutzbehörde
(zumeist Kreisverwaltung) einen Besuch zwecks Überprüfung der
tierschutzbezogenen Verhältnisse vor Ort erwarten.
Es werden auch Kurzgutachten erstellt, etwa zum Zusammenspiel von Tierschutzrecht, Jagdrecht und Artenschutzrecht.
Abgrenzung und Abwägung
Das
Tierschutzrecht dient dem Schutz des einzelnen Lebewesens (Individuum)
vor Schmerzen und Leid. Demgegenüber schützt das
Artenschutzrecht die Tierart als solches (Gruppe). Wird
ein einzelnes Tier
gequält oder getötet, ohne dass dadurch die Population der
Tierart in ihrer Existenz gefährdet wird (also ohne dass das Artenschutzrecht betroffen ist), ist nur das
Tierschutzrecht anwendbar.
Das Tierversuchsrecht schützt die Wissenschaftsfreiheit
mit Forschung und Lehre (Art. 5 Absatz 3 GG). Endet die Ausübung
der Wissenschaftsfreiheit für ein Tier tödlich
(Tierversuche), so darf dies zwar nicht immer, jedoch durchaus in dem einen
oder anderen Fall so sein. Das Tierversuchsrecht dient dann zumeist auch der Unternehmens- und Berufsfreiheit
(Art. 14, Art. 12 GG). Das
Tierschutzrecht kollidiert mit dem Interesse des
Unternehmens, möglichst hohe Umsätze zu erzielen und/oder
möglichst geringe Kosten zu verursachen. Das Tierschutzinteresse
und das unternehmerische Interesse müssen in Bezug auf den
konkreten Sachverhalt miteinander in Ausgleich gebracht werden. Zwei
Beispiele:
Beispiel 1: Die Tierschutzbehörde untersagt einem Masthennenbetrieb das Töten der männlichen Küken.
Der Betriebsinhaber klagt gegen diese Untersagungsverfügung. Zu
Recht? § 1 TierSchG heißt: „Zweck dieses Gesetzes ist
es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als
Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.
Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden
oder Schäden zufügen.“ Also: Schmerzen, Leiden oder
Schäden zufügen? Nein. Und den Tod? Ja. Töten ist
erlaubt. Beispiel: schlachten. Zu fragen ist, ob hier das menschliche,
wirtschaftliche Interesse des Betriebsunternehmers schutzwürdig
ist. Antwort: ja; denn die Aufzucht dieser überschüssigen
Küken würde für den Unternehmer Kosten und
organisatorischen Aufwand bedeuten, der wirtschaftlich
„nutzlos“ ist (vgl. Art. 14 und Art. 12 Grundgesetz =
Unternehmensfreiheit und Berufsausübungsfreiheit). Freilich ist
auch das Tierschutzinteresse schützenswert (Art. 20a Grundgesetz).
Keines dieser beiden Interessen ist per se vorrangig bzw. nachrangig
gegenüber dem jeweils anderen. Sondern beide Interessen
müssen in Bezug auf den konkreten Fall gewichtet werden. Welches
Interesse wiegt in dem Küken-Fall schwerer? Dieses hat dann hier
den Vorrang vor dem anderen. Das BVerwG, Urteil vom 13.06.2019 – 3 C 28.16,
BVerwGE 166, 32 = NJW 2019, 3096 = NVwZ 2019, 1617 – Untersagung
des Tötens männlicher Küken, hat entschieden, dass hier
das Tierschutzinteresse schwerer wiegt. Der Betriebsinhaber muss also
die Tötung der überschüssigen Küken –
demnächst – einstellen. Es gilt wegen der bisherigen
Zulassung des Töten durch das EU-Recht zugunsten des Unternehmens
eine Übergangsfrist, welche von der Tierschutzbehörde zu
bestimmen ist. Das Argument des BVerwG: Werden bestimmte Küken nur
geboren, um sogleich zu sterben und ohne vom Menschen gegessen zu
werden, dann wird das Tier als Geschöpf nicht anerkannt. Es wird
ihm der Lebenswert abgesprochen. Dies sei mit dem ethisch fundierten
Tierschutzgedanken nicht vereinbar.
Beispiel
2: Ein Tierversuch ist häufig eine sog. Vivisektion (Englisch: vivisection; Wikipedia Vivisektion);
das heißt: Es werden die Haut bzw. das Gewebe auf- oder
angeschnitten. Im Bereich der Grundlagenforschung endet der Versuch im
Anschluss zumeist mit der Tötung der Mäuse oder Ratten. Das
Tier wird z.B. getötet. Anwendbar ist dann § 7 TierSchG.
Die §§ 7 ff. TierSchG „dienen dem Schutz von Tieren,
die zur Verwendung in Tierversuchen bestimmt sind oder deren Gewebe
oder Organe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet
zu werden.“ Es geht also um a) Tiere, b) Versuche mit Tieren und
c) um die Bestimmung der Tiere hierzu. Unter den Voraussetzungen des
§ 7 Abs. 2 S. 2 TierSchG fallen auch einige Handlungen, die keine
Tierversuche sind, unter dieses Recht. Sie gelten als Tierversuche.
Bestimmte Tierversuchszwecke sind generell verboten, etwa Versuche
„zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen, Munition und
dazugehörigem Gerät“ (§ 7a Abs. 3 TierSchG).
Ansonsten heißt es: abwägen zwischen dem Tierschutzinteresse
und dem Versuchsdurchführungsinteresse. Gefragt wird (§ 7a
Abs. 1 S. 1 TierSchG): Ist der Tierversuch
„unerlässlich“ im Sinne der rechtlichen Vorschriften?
Die Behörde bzw. das Gericht muss die Antwort durch Abwägung
anhand folgender Kriterien geben: Stand der Wissenschaft (Nr. 1),
ethische Vertretbarkeit (Nr. 2), Schmerzbegrenzung (Nr. 3), keine
rangniedere Tierart vorrangig (Nr. 4). Ein Mandant und sein
Rechtsanwalt können hier zumeist nur dann hervorragende Arbeit
leisten, wenn sie beide den Stand der Wissenschaft kennen. Es sollen ja
nicht unnötige Tierversuche stattfinden. Die Rechtswissenschaft
und die jeweils einschlägige Naturwissenschaft sind hier
miteinander verzahnt; denn sie müssen entscheiden, was unnötig bzw. unerlässlich ist/sei.
Fazit:
Es kommt auf die konkreten Umstände, Interessen und
Argumente im Einzelfall an. Jede einzelne Tötung oder
Schmerzenzufügung muss gerechtfertigt werden können. Das
Küken-Urteil des BVerwG kann nicht einfach
eins zu eins auf Tierversuch-Fälle übertragen werden.
Denn auch innerhalb der Tierversuche ist zu unterscheiden. Der eine
Tierversuch mag rechtswidrig, der andere rechtmäßig sein.
Antrag auf Erlaubnis betreffend die Tierhaltung
§
11 Absatz 1 TierSchG ist neu gefasst worden. Wer Wirbeltiere oder Kopffüßer, die dazu bestimmt
sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder aber deren Organe oder
Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu
werden, züchten oder halten (jeweils auch zum Zwecke der Abgabe
dieser Tiere an Dritte) oder verwenden
will, bedarf nach § 11
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TierSchG n.F. der Erlaubnis der zuständigen
Behörde betreffend das Halten
der Tierversuchstiere. Das Tatbestandsmerkmal „verwenden“
ist mit
Wirkung ab 26.06.2021 hinzugefügt worden mit der Konsequenz, dass
nunmehr auch Tierversuchseinrichtungen, welche Tiere in Tierversuchen
bloß verwenden (nicht jedoch halten oder züchten), eine
Erlaubnis nach § 11 TierSchG benötigen. Es
genügt dann nicht ein Antrag auf Genehmigung der Durchführung des Tierversuchsvorhabens
nach § 8 TierSchG, auch nicht etwa die bloße Anzeige des
Tierversuchsvorhabens nach § 8a TierSchG. Sondern die Genehmigung bzw.
Anzeige muss zusätzlich beantragt bzw. eingereicht werden (§ 11 und §§ 8, 8a TierSchG).
Antrag auf Genehmigung betreffend die Tierversuche
§
8 TierSchG verlangt, dass die Tierversuchseinrichtung vor Beginn
der jeweiligen Tierversuche eine behördliche Genehmigung dieser
Tierversuche erhalten hat. In einigen Fällen genügt statt der
Genehmigung nach § 8 TierSchG die Genehmigung im "einfachen Verfahren" (vormals Anzeigeverfahren) nach § 8a
TierSchG. Die übrigen Voraussetzungen sind die gleichen oder gar
dieselben.
Rechtsschutz
Tierschutzorganisationen (Vereine oder Stiftungen) können gegen
die Erlaubnis i.S.d. §
11 TierSchG wie auch gegen die Genehmigung i.S.d. § 8 TierSchG --
jedenfalls -- die
Feststellungsklage erheben (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Berliner
Tierschutzverbandsklagegesetz). Dabei haben diese Organisationen
Fristen (§ 3 Berliner Tierschutzverbandsklagegesetz)
und die formelle und die materielle Präklusion (§ 4
Absatz 2 Nr. 2 und Absatz 4 Berliner
Tierschutzverbandsklagegesetz) zu beachten.
Fachaufsatz:
Wüstenberg, "Klagen nach dem Berliner Tierschutzverbandsklagegesetz", LKV 2021, 536-542.
Zum
Inhalt des Aufsatzes in der LKV 2021: Das Land Berlin verbietet die
Anfechtungsklage gegen Tierversuchsgenehmigungen. Zulässig sei nur
die Fortsetzungsfeststellungsklage, welche naturgemäß erst
dann eingereicht werden kann, wenn es zu spät ist, d.h. erst nach
Beendigung des genehmigten Tierversuchs. Vom Landesgesetzgeber Berlin
ist dies so gewollt. Die in dem Aufsatz vertretene Rechtsauffassung
lautet: Für diese (beschränkende) Gesetzgebung fehlt dem
Landesgesetzgeber Berlin die Gesetzgebungskompetenz, weil der Bund das
Verwaltungsverfahrensrecht abschließend geregelt hat. Folgt man
dieser Rechtsauffassung, so ist die Anfechtungsklage dennoch
möglich, -- aber eben nicht nach Berliner Recht, sondern nach
Bundesrecht. Und zwar denn und weil die Berliner Regelung wegen
fehlender Gesetzgebung nichtig ist, so dass es beim Bundesrecht (hier
VwGO, ohne Berliner TierSchVKG) bleibt. Andere Juristen sehen das teils
anders, wiederum andere ebenso oder ähnlich. Ergo: Die Rechtsfrage
ist umstritten.
Links
Datenbank bzgl. Tierversuche unter anminal-test-info (animaltestinfo.de).
Hessische Jagdverordnung 2022 (HJagdV 2022-2028).
Offenbach am Main, 19.01.2023
Copyright obiges Foto: pixabay.com/de
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