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Wettbewerbsrecht |
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Wettbewerb
Alle
Unternehmen stehen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Grob gesagt,
gibt es zwei Kategorien von Marktstrategien. Die einen Unternehmer
versuchen, sich durch niedrige Verkaufspreise am Markt durchzusetzen.
Es entsteht dann ein Preiswettbewerb. Die anderen
Unternehmer versuchen, ihre Produkte über Qualität und/oder
ethische Gesichtspunkte an den Kunden zu bringen und die
Welt vielleicht ein Stück weit zum Guten hin zu beeinflussen. Es
bildet sich dann ein
Qualitäts- und/oder Ethikwettbewerb heraus -- sofern die
Qualität bzw. die Ethik wahrheitsgemäß angepriesen
wird. In
beiden Konstellationen können die Produkte für die Umgebung
(Menschen, Tiere, Pflanzen, Klima) oder die Gesundheit schädlich sein.
Bei
dem Versuch, die eigenen Produkte (samt Marken) an den Kunden zu
bringen, stellen sich einige Unternehmen in ein besseres/schöneres
Licht, als sie bzw. ihre Produkte es aus Sicht der Konkurrenten
und/oder der Kunden verdient haben. Es besteht die
Möglichkeit, dass sich einzelne Unternehmen gegenüber den Mitbewerbern/Konkurrenten unfair/unlauter zu
verhalten.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und andere Gesetze (z.B. Heilmittelwerbegesetz HWG) sollen diesem
Treiben Grenzen setzen.
Beispiel Heilstollentherapie
In
Deutschland gibt es mehrere Bergwerke, Salzgrotten und
„Heilstollen". Einige dieser Stollen sind als Heilstollen --
zumindest -- aus Sicht des Publikums/Verkehr als
gesundheitsfördernd akzeptiert (Stichwort Speläotherapie = Höhlentherapie, Untertage-Klimatherapie = Heilstollentherapie). In anderen Fällen (Stollen),
so scheint es, ist die Grenze zwischen dem Aufenthalt im Stollen
zum Wohlfühlen und dem Aufenthalt im Stollen zum Heilen (= Beenden
der Krankheit XY) fließend. Ohnehin gibt es verschiedene
Stollenarten -- nämlich Salzstollen (vgl. das Tote Meer) und
Nicht-Salz-Stollen (d.h. die reine Luft niedriger Temperatur ist
entscheidend).
Die
Gerichte, welche sich mit Lauterkeitsrecht befasst haben, halten fest,
dass der Beweis für jeden einzelnen Stollen separat geführt
werden muss. Man könne nicht von der Wirkung des Aufenthalts in
dem einen Stollen auf die ebensolche Wirkung des Aufenthalts in dem
anderen Stollen schließen. Zudem trage der Betreiber des Stollens
bzw. Heilstollens die Darlegungs- und Beweislast für die heilende
Wirkung. Aus der Rechtsprechung:
„ zu sehen, nach dem eine Heilmittelwerbung irreführend ist, wenn
Behandlungen oder Verfahren eine therapeutische Wirkung beigelegt wird, die sie
nicht haben. Die Vorschrift regelt die Interessen der Verbraucher zum Schutz
ihrer Gesundheit, wie der Senat schon wiederholt entschieden hat. ... Der
Klägerin steht zunächst ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 8
Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Nr. 1 HWG zu. Der Beklagte
hat gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § [3a] UWG verstoßen,
die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln. Eine solche Marktverhaltensregelung ist in § 3 Nr.
1 HWGDie Studie
hat aber gerade nicht das Ergebnis gehabt, dass durch den Besuch des Stollens
auch nur eine dieser Krankheiten in signifikanter Weise geheilt, also
vollständig beseitigt worden sein soll. ... In
der Bezeichnung des Stollens als "Heilstollen" ist eine Angabe zu
sehen, die bei den angesprochenen Verbrauchern den Eindruck erweckt, der Besuch
des Stollens habe eine Heilwirkung in Bezug auf bestimmte Krankheiten,
die sie nach ihrem Vorverständnis mit solchen Stollen ähnlich wie mit Höhlen in
Verbindung bringen. Das sind in erster Linie Atemwegserkrankungen und
Hautkrankheiten, weil sich Stollen und Höhlen in den Augen der Verbraucher
dadurch auszeichnen können, dass sie über ein feuchtes, kühles und vor allem
beständiges Klima verfügen, das bei solchen Krankheiten hilfreich sein kann.
Wenn der Stollen heilen soll, dann geht es nach dem Verständnis der
angesprochenen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, um
solche Erkrankungen. Die angesprochenen Verbraucher nehmen dagegen nicht an,
dass der Heilstollen jede Krankheit heilen könne. Diese
Verbrauchervorstellung ist unrichtig, weil der Besuch der Höhle nach den obigen
Ausführungen eine solche Heilwirkung gegen Atemwegserkrankungen und
Hautkrankheiten nicht hat. ..." (OLG Hamm, Urteil vom
25.09.2008 – I-4 U 91/08, GRUR-RR 2009, 186 = openJur 2011, 59812).
„Nach
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG finden die Vorschriften dieses
Gesetzes u.a. Anwendung auf Werbung für "andere Mittel, Verfahren,
Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung,
Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder
krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht". Das ist hier bei
der den Berufungsgegenstand bildenden Werbeaussage der Fall. Bei dem Besuch
in der Salzgrotte handelt es sich ausgehend von der Werbung der Beklagten
um ein Verfahren bzw. eine Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1
Nr. 2 HWG. ... dass
die Werbung nur zulässig ist, wenn sie
gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (...). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden
jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche
Behauptung stützen können. ... Dafür
ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte
Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die
durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden
ist." (Saarländisches OLG, Urteil vom 19.12.2018 – 1 U
41/18, NJW-RR 2019, 484 = GRUR-RR 2019, 184 = openJur 2019, 41665).
Persönlicher Kommentar: Es müssen hiernach Studien gleichsam
nachgereicht werden. Dies heißt aber nicht, dass ein Besuch in
einem dieser Stollen bzw. Heilstollen nicht empfehlenswert wäre.
Im Gegenteil! Positive Patientenberichte gibt es zahlreiche. Es fehlen
eben noch die Studien. Aus diesen lassen sich dann Wirkungsgrade
o.ä. herauslesen. Bis dahin ist mit einem
knackigen Werbespruch noch zu warten.
I. Zweck
Das UWG dient dem Schutz bestimmter Menschen
(Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer, Verbraucher) „vor unlauteren
geschäftlichen Handlungen“ (§ 1 Satz 1 UWG). Zugleich soll es „einem
unverfälschten Wettbewerb“ dienen (§ 1 Satz 2 UWG). Das Wort „zugleich“
bedeutet letztendlich, dass die Unternehmen, welche sich gegenseitig
lauterkeitsrechtlich abmahnen, sowie die Richter, die über die
Lauterkeits-Streitfälle zu entscheiden haben, – zumindest der Idee nach – auch
die Interessen der Allgemeinheit
wahrnehmen.
Worin liegt das Interesse der Allgemeinheit?
Mit
dem Begriff „unverfälschter“ Wettbewerb wird zum einen
ausgegrenzt, was nach dem UWG in Bezug auf die Interessen nicht
bezweckt werden soll: z.B. Wohlstand für alle. Oder:
möglichst viele
Arbeitsplätze. Oder: optimale Arbeitsbedingungen und die
Einhaltung von
Umweltstandards. All dies spielt keine Rolle.
Zum anderen besagt das Wort „unverfälscht“, dass es einen
richtigen Wettbewerb gibt und dass dieser verfälscht werden kann, d.h. zum
falschen Wettbewerb wird oder werden kann. Hierzu s. sogleich unter
„Wettbewerbsschutz“. Der Wettbewerb benötigt einen „Marktplatz“, auf welchem
Angebote – im Verhältnis der Anbieter untereinander fair – präsentiert werden
können. Ähnlich wie der Wahlkampf der politischen Parteien. Diese benötigen den
fair ausgestalteten und funktionierenden
„Marktplatz“ der Meinungsbildung und Präsentation ihrer Wahlprogramme. Der
Kampf bezieht sich auf die Erzielung der Vertragsabschlüsse bzw. der
Wählerstimmen (Wettbewerb und Wahlkampf).
Das UWG dient dem Schutz bestimmter Menschen
(Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer, Verbraucher (§ 1 Satz 1 UWG). Es nicht
dem Schutz der handelnden Unternehmen, deren geschäftliche Handlungen
überprüft/beurteilt werden muss. Das bedeutet: Das UWG gibt dem Rechtsanwender
(Richter, Rechtsanwalt, Unternehmer) eine Interessenabwägung vor. Es muss
sozusagen immerzu abgewogen werden. Das ist in der Praxis durchaus mühselig.
Einfacher wäre es mit simplen Geboten und Verboten wie im
Ordnungswidrigkeitsrecht. So aber muss nicht nur abgewogen, sondern dabei
möglichst auch das große Ganze begriffen und bewahrt werden. Dabei spielt
immerzu das Menschenbild eine Rolle: Wer soll vor wem geschützt werden?
Weshalb? Wirklich auch im Streitfall?
Was folgt aus der Kombination aus Zweck und
Personenkreis?
Die Gerichte müssen abwägen, dürfen dabei
jedoch nicht mit Argumenten begründen, die aus den Bereichen Wohlstand,
Arbeitsmarkt, Sozialpolitik, Umweltpolitik, Jugendschutz u.a. stammen (BT-Drs.
15/1487, Seite 16). Sondern die Richter (Rechtsanwender) dürfen nur auf den
Gedanken des „fairen“ Wettbewerb (BT-Drs. 19/12084, Seite 1) abstellen. Also:
fair ja. Und wenn dann Arbeitsplätze verloren gehen, dann ist das eben so.
Was ist der „richtige“/unverfälschte/funktionsfähige
Wettbewerb? Was bedeutet dieser „Wettbewerbsschutz“ genau?
Das Bundesverfassungsgericht sprach im Jahre 2002 von dem
„an der Leistung orientierten Wettbewerb“ (Leistungswettbewerb,
Wettbewerbsschutz). Das EU-Recht und auch das Wort „Verbraucher“ in § 1 UWG lassen
erkennen, dass das UWG nunmehr, seit etwa 2004/2008, zum einen den
Leistungswettbewerb und zum anderen den – einem Leistungswettbewerb
gelegentlich entgegenstehenden – Verbraucherschutz bewahren soll. Also zwei
Zwecke, die teils konträr laufen. Daran krankt das UWG.
Die sog. UGP-Richtlinie, welche mit dem UWG umgesetzt
wurde, nennt das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ und das
„Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ als die zwei Ziele des
EU-Rechts. Der Schwerpunkt des EU-Rechts liegt eindeutig auf dem Verbraucherschutz.
Das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ bzw. der „unverfälschte
Wettbewerb“ spielt auf EU-Ebene eine geringere Rolle. Er dient mehr der
Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des EU-Rechts bzw.
unionsrechtlich veranlassten UWG. Die UGP-Richtlinie (d.h. nur diese, nicht
auch das übrige EU-Recht) betrifft nur den B2C-Bereich; das EU-Recht gemäß
UGP-Richtlinie schützt vorrangig den Verbraucher, nicht die Wirtschaft.
Das UWG dagegen gilt sowohl für den B2C-Bereich (schon
immer) als auch den B2B-Bereich (neuerdings ebenso, aufgrund der Vorgaben des
EU-Rechts); es soll die Wirtschaft und auch die Verbraucher schützen. Um einen
Widerspruch zwischen den zwei Zielen des UWG und dem vordergründig nur einen
Ziel der UGP-Richtlinie zu vermeiden, muss das sekundäre Ziel des reibungslosen
Funktionierens des Binnenmarktes einbezogen werden:
Der Binnenmarkt funktioniert reibungslos nur dann, wenn
die Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten die Chance und die Möglichkeit
haben/erhalten, am Wettbewerb (mit Angebot und Nachfrage) teilzunehmen und
dabei vor zu vielen oder zu starken Einflüssen/Beschränkungen der EU-Staaten (Planwirtschaft)
bewahrt zu werden, d.h. letztlich zuvörderst der Verbraucher das Recht und die
Möglichkeit hat, sich für dieses oder jenes Angebot am Markt zu entscheiden.
Also Verbraucherschutz als konsequente Folge des
Binnenmarkt-Leistungswettbewerbs auch über innerunionliche (statt
innerstaatliche) Grenzen hinweg. Wird
der Verbraucher durch die langfristigen Folgen der zu beurteilenden
Handlung des in Rede stehenden Unternehmens daran gehindert, grenzüberschreitend
Angebote anzunehmen, konkret Waren zu kaufen und Dienstleistungen
nachzufragen? Und zwar durch freie
und informierte Entscheidung und ohne planendes Wirtschaftseingreifen des
Staates (Fünfjahresplan).
Deutschland hat ein Interesse daran, dass die privaten
Anbieter und Nachfrager (und nicht der Staat) die Angebote und deren
Preise/Entgelte selbst bestimmen und beeinflussen. Die guten, den Verbraucher
und die Allgemeinheit zufriedenstellenden Marktergebnisse stellen sich dann, so
die Idee/Theorie, von selbst ein. Freilich nicht selten auf Kosten der
natürlichen Ressourcen; s. Naturschutzrecht.
Welchen Verbraucherschutz meint das UWG i.V.m. EU-Recht
i.S.d. UGP-Richtlinie?
Das EU-Recht im Allgemeinen schützt den Verbraucher in
Bezug auf die Wirtschaft, die Gesundheit, die Sicherheit, die Bildung
(Information und Erziehung) etc. (Art. 169 Absatz 1 AEUV). Die
UGP-Richtlinie und damit auch das UWG schützen den Verbraucher nur in Bezug auf
die Wirtschaft, d.h. als Marktteilnehmer
mit seinen Willenserklärungen in freier (= selbstbestimmter) Weise aufgrund
informierter Entscheidungsgrundlage UGP-Richtlinie mit Zweck/Zielen und
Erwägungsgrund 18 (der aufmerksame und informierte Durchschnittsverbraucher =
der durchschnittlich aufmerksame und informierte Verbraucher = nicht: der
ungebildete, naive, flüchtige, menschlich schutzbedürftige Verbraucher). Der
Verbraucher benötigt für seine freien, informierten Entscheidungen das Fehlen
von Druck oder Zwang sowie vollständige und richtige Sachinformationen (vgl.
sodann § 5 und § 5a UWG) sowie eine Angebotsvielfalt (Auswahl und
Auswahlfreiheit; keine Monopole oder Oligopole) sowie die Gelegenheit, sich mit
anderen Verbrauchern über die Produkte auszutauschen (vgl. Kundenbewertungen,
Warentests und Rankings).
Anwendungsfall des § 3a UWG (Rechtsbruch):
Verstößt ein Unternehmer gegen gesetzliche Vorschrift
außerhalb des UWG (vgl. § 3a UWG), stellt sich die Frage, ob der
Gesetzesverstoß gegen diesen § X des Gesetzes Y dazu führen kann, dass der
Verbraucher/Marktteilnehmer/Mitbewerber in seinem Recht auf Teilhabe am Markt
und in seinem Recht auf Leistung und Leistungsentfaltung beeinträchtigt werden
kann und die Untersagung dieses Gesetzesverstoßes für die Zukunft (§ 8 Abs. 1
UWG) deshalb im Interesse der Allgemeinheit liegt.
Wie wird das Interesse der Allgemeinheit ermittelt und in
ein Gerichtsurteil gebracht?
Theoretisch ist dies die Aufgabe der Parten
(Unternehmen). Diese könnten beispielsweise Marktstudien
(Volkswirtschaftslehre) in Auftrag geben und auf Studien verweisen.
Doch das allein klappt nicht immer. Deshalb ist es die
Aufgabe der Richter, das Interesse der Allgemeinheit zu ermitteln (durch
Heranziehung ggf. der VWL-Fachliteratur) und in das Urteil einzubringen – im
Namen des Volkes (so im Ergebnis auch § 1 Satz 2 UWG; sonst stünde diese
Vorschrift nur auf dem Blatt Papier).
II. Einleitung Lauterkeitsrecht nach UWG
"Das ist aber unfair!" Welches Marktverhalten eines konkurrierenden Unternehmens tatsächlich unlauter
im Sinne des Rechts ist, wird insbesondere nach den §§ 3 bis 7 UWG beurteilt. Die in
diesen Vorschriften aufgeführten Handlungen sind bürgerlich-rechtlich und öffentlich-rechtlich oftmals rechtmäßig, doch gleichwohl im Einzelfall und ausnahmsweise rechtswidrig, nämlich nach dem UWG. Drei Beispiele:
Beispiel 1:
Das Telefonieren/Anrufen als solches ist rechtmäßig, Nicht
rechtmäßig aber ist das
Belästigen eines anderen per Telefonterror zwecks Kundenakquise
(cold calls nach § 7 UWG). Wie lassen sich zulässiges und belästigendes Telefonieren voneinander abgrenzen?
Beispiel 2: Unternehmer, Geschäftsführer und Verkäufer
unterliegen nicht selten der Versuchung, ihre Produkte besser
darzustellen, als diese es tatsächlich sind. Motto: Ich bin der
Größte, Schnellste, Schönste, Klügste usw. Das
geht gelegentlich schief: Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 UWG handelt
unlauter, „wer eine irreführende geschäftliche Handlung
vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen
Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu
veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Eine
geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG
irreführend, „wenn sie unwahre Angaben enthält oder
sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende
Umstände enthält: [Nr. 1] die wesentlichen Merkmale der Ware
oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung,
Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder
Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung,
Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit,
Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche
Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die
Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder
Dienstleistungen.“ Hat der Unternehmer etc. mit seinen
Darstellungen übertrieben? Oder hat er sich noch im Rahmen des
Zulässigen gehalten?
Beispiel 3: Die gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) des einen Mitbewerbers/Unternehmers durch einen anderen setzt entweder die Schädigungsabsicht des Handelnden oder aber eine schwerwiegende, nicht hinnehmbare Handlungsfolge dergestalt
voraus, dass ein bestimmter Konkurrent (d.h. der gezielt
behinderte Marktteilnehmer) vom Markt verdrängt werden soll, was
eine gewisse Intensität des Verhaltens beinhaltet. Andernfalls
handelte es sich stattdessen um eine Bagatelle. Im Streitfall ist das noch
akzeptable vom nicht mehr akzeptablen Verhalten abzugrenzen. Das eine
Verhalten ist das sog. lautere, das andere das sog. unlautere
Verhalten.
Im
Lauterkeitsrecht kommt es auf das Argumentieren
und Abgrenzen sowie auf die Abwägung aller widerstreitenden
Interessen (auch der Allgemeinheit) an. Für Sie als Unternehmen
empfiehlt es sich, Ihre
Überlegungen oder Verärgerungen über einen Konkurrenten
aufzuschreiben. Dann lässt sich der Hauptvorwurf leichter
herausarbeiten. Ein Hauptproblem im Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht)
besteht darin, dass die ergangenen Gerichtsurteile nach dem Durchlesen
dieser Urteile einem rechtlich unerfahrenen Menschen suggerieren, dass
es nur diese eine Entscheidungsantwort geben konnte. Das ist nicht der
Fall. Das Urteil hätte -- in vielen Fällen -- auch
gegenteilig ausfallen können. Denn die Begründungen sehen nur
gut aus bzw. hören sich gut an, sind es aber recht häufig gar
nicht. Mehr Schein als Sein.
Ein anderes Hindernis bei der Beurteilung der Lauterkeit/Unlauterkeit ist der stete Wandel. Das UWG
wird regelmäßig geändert, zuletzt mit Wirkung ab
02.12.2020 und 01.12.2021 (01.09.2021): BT-Drs. 19/12084 (Entwurf), BT-Drs. 19/22238 (Beschlussempfehlung und Bericht), zur Historie.
Was heute lauter ist, kann morgen unlauter sein. Und umgekehrt. Der
Rechtsbegriff "unlauter" hatte im Jahre 2004 den Rechtsbegriff
"sittenwidrig" abgelöst. Was ist sittigwidrig? Ein historisches
Beispiel ist die Prostitution: vor 2.000 sittenkonform, im letzten
Jahrhundert verboten, in diesem Jahrhundert wieder rechtlich
akzeptiert. Mal so, mal so.
III. Tatbestände des UWG
§ 3 Absatz 1 UWG bestimmt: "Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig."
In den nachfolgenden Paragrafen ist definiert/umschrieben, was unlauter
in diesem Sinne und somit verboten ist. Es seien hier einige der
Tatbestände (Verbote) aufgeführt:
1. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 1 UWG
§ 4 Nr. 1 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen
oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder
verunglimpft."
Es handelt sich um das Verbot von rufschädigenden Handlungen. Die
Vorschriften gegen Rufschädigung im Zivil- und Strafrecht (BGB und
StGB) sind zusätzlich anwendbar.
§
4 Nr. 1 UWG erfasst Tatsachenbehauptungen, die wahr sind. Unwahre
Tatsachenbehauptungen werden von § 4 Nr. 2 UWG erfasst. Im
Wettbewerb sind (auch) wahre Äußerungen verboten, sofern sie
einen Konkurrenten in seinem Image oder in seiner Ehre herabsetzen oder
verunglimpfen. Wer sich rechtskonform verhalten möchte, preist
seine eigenen Leistungen an und konzentriert sich nicht darauf, die
Leistungen anderer zu schmälern. Das hört sich einfach an,
ist es aber nicht. Denn alle Unternehmen stehen auch kommunikativ
im Leben: Pressemitteilungen, Werbung, politische Stellungnahmen. Im
Kern geht es zugleich um die Frage nach dem Verhältnis zwischen
dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit des eigenen Unternehmens und dem
Grundrecht des anderen Unternehmens auf "Geschäftsehre" (Persönlichkeit)
als Teil des Rechts auf Unternehmen. Es müssen im Einzelfall
deshalb stets alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden:
Motive, Absicht/Ziele, Folgen, betroffene Rechtsgüter. Je
eigennütziger/selbstbezogener die Äußerung (z.B.
Werbung), desto besser.
Eine
Herabsetzung wird definiert als die sachlich nicht mehr gerechtfertigte
Reduzierung der Wertschätzung eines Konkurrenten und dessen
Leistungen. Eine Verunglimpfung wird definiert als eine besonders
intensive Herabsetzung. Deshalb kann man das Wort Verunglimpfung hier
ignorieren und sich allein auf das "Herabsetzen" konzentrieren. Letztlich
geht es um die Frage, ob die kritisierte Handlung sachlich und
unternehmerisch gut begründet werden kann. Ob sie einen
unternehmerischen Sinn ergibt. Auf Juristendeutsch: noch angemessen
oder bereits nicht mehr angemessen? Oder: Welche Äußerung
war noch nötig, und welche ist es nicht mehr?
Man
kann hier teils stundenlang argumentieren und diskutieren. In
der Praxis gibt es Richter, die jedoch in Sekundenschnelle
emotional
entscheiden und das Ergebnis dieser emotionalen Entscheidung sodann so
begründen, dass die Begründung gut klingt. Deshalb sollte
jedes Unternehmen nur vorsichtig Kritik an konkurrierenden
üben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung
bezüglich der Kritik an bestimmten
anderen Personen oder Unternehmen oder Waren oder Leistungen wird trotz
zahlreicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von zu vielen Richtern/Juristen nicht im Sinne eines freiheitlichen
Verständnisses begriffen. Sondern im Sinne eines gut meinenden;
Motto: Das gehört sich nicht! Häufig kommt es in der zu
beurteilenden Äußerung lediglich auf die
"richtige" Wortwahl an. Auf Worte statt auf Taten. Es geht um die Ehre,
gelegentlich um gekränkte Seelen.
Für
ein lauterkeitsrechtlich abgemahntes Unternehmen heißt die
Empfehlung: sich wehren, präzise nachdenken und begründen.
2. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 2 UWG
§ 4 Nr. 2 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers
oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung
Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des
Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die
Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche
Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung
an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann
unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder
verbreitet wurden."
Die
Äußerung muss keine Herabsetzung oder Verunglimpfung sein.
Es reicht, dass die Äußerung den "Betrieb" oder den "Kredit"
(das Ansehen) schädigen kann, d.h. dass Kunden aufgrund der
Äußerung abwandern oder gar nicht erst zu dem kritisierten
Unternehmen gehen (dürften). Mit der Äußerung muss der Zweck verfolgt
werden, andere Menschen über bedeutsame Vorgänge/Geschehnisse
des Konkurrenten (Mitbewerbers) zu informieren mit eben der Konsequenz,
dass diese Menschen darüber nachdenken können, geplante oder
bestehende Geschäftsbeziehungen oder Kundenbeziehungen zu diesem
Unternehmen abzubrechen. Der Konkurrent muss aufgrund der
Äußerung identifiziert werden können. Sein Name muss
hierfür nicht ausgesprochen worden sein. Die angesprochenen
Menschen wiederum müssen nur die Möglichkeit haben, die
Äußerung zu vernehmen. Die Äußerung muss von den
Adressaten nicht auch tatsächlich wahrgenommen werden.
Die
Tatsachenbehauptung muss "nicht erweislich wahr" sein. Das bedeutet,
dass der Äußernde die von ihm behauptete Tatsache beweisen
können muss. Er geht sonst das Risiko ein, einem wettbewerblichen
Unterlassungsanspruch zu unterliegen.
Ein
Abgrenzungsproblem besteht schließlich noch darin,
Tatsachenbehauptungen von reinen Meinungen abzugrenzen. Eine Meinung
ist die Äußerung: "Das ist strafrechtlich relevant." Denn,
ob das wirklich so ist, entscheiden andere. Auch Prognosen sind
Meinungen. Zu den Tatsachenbehauptungen zählen
Äußerungen mit einem Vorwurf wie z.B. "Die Ware ist ein
Plagiat." (Rechtstatsache), "Das ist seine Betrugsmasche."
(Rechtstatsache), "Er verstößt gegen das Recht."
(Rechtstatsache).
3. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 3 UWG
§ 4 Nr. 3 UWG
lautet: "Unlauter handelt, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet,
die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers
sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über
die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung
der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder
beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen
Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat."
Eine
Nachahmung ist eine Handlung, mit welcher ein dem handelnden
Unternehmen bekanntes Produkt eines anderen Unternehmens nicht nur
bloß als eine Anregung
für ein eigenes Produkt heranzieht, sondern dieses fremde Produkt
gedanklich/technisch so sehr übernimmt, dass man von einer Aneignung
des fremden Produktergebnisses sprechen muss. Wo genau die Grenze
zwischen dem noch nicht freien Schaffen eines eigenen, neuen Produkts
und dem bereits freien, zulässigen Schaffen von etwas Neuem liegt,
kann nicht pauschal gesagt werden. Die Juristen lesen hier nicht selten
im Kaffeesatz und entscheiden nach Bauchgefühl? Jedenfalls muss
entschieden werden, ob die Abweichung zwischen dem fremden und dem
eigenen Produkt groß genug ist -- d.h., es besteht ein
fließender Übergang. Juristen sprechen gerne von den
"Umständen des Einzelfalls". Also: mal so, mal so.
Zum
Produkt zählt nicht nur die eigentliche Ware oder Dienstleistung,
sondern auch die Verpackung der Ware bzw. die Darstellungsweise der
Dienstleistung. Also alles, womit ein Unternehmen auf den Markt tritt,
um seine Ware bzw. Dienstleistung anzupreisen. Ein einfaches Beispiel:
der Webseitenauftritt (Homepage)... Nicht zum Produkt hingegen
gehört die Produktidee als solche. Hier verhält es sich im
Wettbewerbsrecht nicht anders als im Urheberrecht. Auch dort ist die als solche Idee nicht
geschützt, sondern frei. Andernfalls wäre eine Produkt- und
Marktweiterentwicklung für die Allgemeinheit gar nicht
möglich.
Mit der Handlung ist das Ergebnis der Nachahmungshandlung nicht zu verwechseln. Zumindest in der Theorie.
Eine
Nachahmung ist zunächst einmal ein im Wirtschaftsleben normaler
Vorgang. Ein jeder Mitbewerber sieht sich die Erfindungen und
Weiterentwicklungen der Konkurrenz an, um auf neue Ideen zu kommen.
Insbesondere die kommerziellen Messen (Messegelände
in Frankfurt, Leipzig, Essen etc.) sind Schauplatz für die
Interessierten. Wer hat das neueste Modell? Die Unlauterkeit nach UWG
kann deshalb -- wie generell im UWG und besonders in § 4 UWG --
nur in Ausnahmefällen bejaht werden! Daraus ergibt sich Aufgabe
für den Mandanten und seinen Rechtsanwalt, die Grenze zwischen dem
Grundsatz (zulässig) und der Ausnahme (unzulässig) zu ziehen,
und zwar so, dass es auch die Gerichte für plausibel erachten.
Angezeigt sind rationale Argumente. Andernfalls droht ein
Gerichtsurteil, welches nach dem Bauchgefühl gefällt worden
ist. Dies aber ist nicht Sinn und Zweck des § 4 Nr. 3 UWG.
Die
Vorschrift § 4 Nr. 3 UWG schützt nur vor der Nachahmung von
Waren und Dienstleistungen, nicht auch vor der Nachahmung von
Bezeichnungen/Zeichen für diese Waren und Dienstleistungen. Das
heißt: Das Markengesetz und das UWG stehen nebeneinander und
können voneinander gut abgegrenzt werden. Der Zeichenschutz wird
nicht durch das UWG gewährleistet. Freilich gibt es in
Einzelfällen gleichwohl Abgrenzungsschwierigkeiten. Denn auch
Designs und Produktgestaltungen können Bestandteil der Marken
i.S.d. MarkenG
sein. Hierfür benötigt der Betroffene dann leider anwaltliche
Hilfe. Es müsste geklärt werden, ob der Betroffene nur nach
einem der beiden Gesetze (UWG oder MarkenG) vorgehen kann oder aber nach beiden Gesetzen parallel vorgehen sollte (UWG und MarkenG), um einen umfassenden Schutz seiner Produkte zu erzielen.
Aber
nicht das Nachahmen als solches ist unlauter. Sondern nur das Nachahmen
in Kombination mit einer der drei nachfolgend genannten "Umstände"
des Einzelfalls:
a) Täuschung über betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 3 Buchstabe a UWG):
Ein
(fremdes) Produkt hat bestimmte Produktmerkmale. Einige dieser Merkmale
bewirken in der Bevölkerung eine gewisse Bekanntheit. Die Menschen
können anhand dieser Produktmerkmale erkennen, von welchem
Unternehmen das Produkt stammt. Beispiele sind Formen, Farben,
Materialienzusammensetzungen etc. (häufig Design).
Eine
(unzulässige) Aneignung liegt vor, wenn das handelnde Unternehmen
diese Merkmale übernimmt und nichts dagegen unternimmt, dass die
gedankliche Zuordnung zwischen Merkmalen und fremdem Unternehmen nicht
mehr vollzogen wird. Das handelnde, tendenziell nachahmende Unternehmen
muss alles dafür tun, um zu vermeiden, dass die Bevölkerung
das neue Produkt ebenfalls mit dem anderen Unternehmen assoziiert. Die
Herkunftstäuschung muss vermeidbar sein und möglichst auch
vermieden werden. Nur dann handelt das handelnde Unternehmen nicht
unlauter, sondern korrekt. Eine Gradwanderung...
Dies
zeigt zugleich, dass die Bevölkerung nicht bei jedem Produkt
wissen kann, welches Unternehmen dahintersteckt. Sog. Allerweltartikel
können keine Herkunftstäuschung hervorrufen. Sondern dies
können nur hiervon abweichende Produkte. Mandant und Rechtsanwalt
haben also auch hier einen gewissen Argumentationsspielraum...
Für die "Umstände des Einzelfalls" ist letztendlich der Gesamteindruck entscheidend. Mal so, mal so...
Bezüglich
der möglichen Herkunftstäuschung kommt es auf die
inländische Bevölkerung an. Das UWG gilt nur in Deutschland.
Wie die Menschen in Amerika oder Asien das Produkt empfinden und
zuordnen, spielt keine Rolle. Die Zuordnung muss zu einem bestimmten
Unternehmen gelingen. Den Namen dieses Unternehmens jedoch muss die
Bevölkerung nicht kennen (insoweit eine Sache des Marken- und
Namensrechts nach MarkenG oder BGB). Es genügt der Wiedererkennungseffekt.
Die Bevölkerung muss entweder das neue Produkt für exakt das
alte Produkt halten (Verwechslung im Sinne der Identität der
Produkte) oder aber davon ausgehen, dass der fremde Unternehmer nun ein
weiteres, leicht abgewandeltes Produkt auf den Markt gebracht hat (z.B.
eine Weiterentwicklung mit Qualitätssteigerung oder
Designverbesserung). Oder aber: Die Bevölkerung geht von einer
Kooperation der zwei Unternehmen aus (Joint Venture u.ä.), also
von irgendeiner Verbindung des neuen Produkts mit dem Unternehmen des
alten Produkts. Herkunft eben.
Die
maßgeblichen Zeitpunkte sind praktisch alle, d.h. "jederzeit".
Offiziell kommt es allein auf den Tag der letzten mündlichen
Gerichtsverhandlung an. Das kann in Monaten oder Jahren der Fall sein.
b) Ausnutzen oder Beeinträchtigen der Wertschätzung eines anderen (§ 4 Nr. 3 Buchstabe b UWG):
Wertschätzung
ist der "gute Ruf". Die Vorstellung, dass das fremde Produkt "gut" ist,
muss auf das neue Produkt übertragen werden (können). In den
Fällen des § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG geht es darum, dass
negative Auswirkungen auf die Geschäftsehre des anderen
Unternehmens unterbleiben (Rufschädigung usw.). In den Fällen
des § 4 Nr. 3 UWG geht es darum, dass nicht positive
Rufausnutzungen stattfinden. Ein Herüberziehen des guten Images
zugunsten des eigenen, handelnden Unternehmens. Denn ein jedes
Unternehmen soll seinen eigenen Ruf selbst und nicht auf Kosten anderer
zu mehren suchen. Aufbau eines eigenen Profils. Das ist mühselig.
Die Abkürzung des Sich-Aneignens eines fremden guten Rufs
erscheint verführerisch, ist aber nach § 4 Nr. 3 UWG eben
unzulässig.
Beispiele:
gleiche/ähnliche Produktausstattung, gleiche/ähnliche
Verpackung, gleiche/ähnliche Artikelnummern, gleiche/ähnliche
Schriftform oder Schriftfarbe, gleiches/ähnliches Logo,
gleicher/ähnlicher Werbeslogan etc.
Am
besten ist es, sämtliche Ähnlichkeiten zu vermeiden oder aber
zumindest stets darauf hinzuweisen, dass das eigene Unternehmen ein
anderes ist als das andere, womöglich bekanntere. Das ist in der
Praxis nicht so einfach.
c) Unredliches Erlangen von Produktinformationen (§ 4 Nr. 3 Buchstabe c UWG):
Ein
unredliches Erlangen ist umgangssprachlich ein Erschleichen von etwas.
Das heißt andererseits: Die Merkmale des fremden Produkts
dürfen nicht für Jedermann offenkundig, bekannt, logisch
o.ä. sein. Sondern die Daten müssen irgendwie noch unbekannt
gewesen und dann vom Handelnden herausgefunden worden sein. Das
Unbekannte ist identisch mit dem Geheimen. Auch nicht geheime
Unterlagen dürfen nicht entwendet werden. Die Tat ähnelt a)
dem Diebstahl und b) der Unterschlagung und c) dem digitalen
Ausspähen/Kopieren von Daten.
Allen
drei gemeinsam ist, dass das fremde Produkt nachgeahmt worden ist. Die
drei Tatbestände (Buchstaben a bis c) bestimmen, dass der
jeweilige Umstand kumulativ zur Nachahmenshandlung bestehen muss. Nicht
jedes Nachahmen also ist nach § 4 UWG unlauter. In einigen
Fällen, in denen die Unzulässigkeit der Handlung nach §
4 UWG nicht gegeben ist, kommt noch die Unzulässigkeit nach §
3 UWG in Betracht. Ein anderes Thema. In allen Fällen ist
zusätzlich zu prüfen, ob nicht auch Schutzrechte nach anderen
Gesetzen (wie MarkenG oder Gebrauchsmustergesetz oder
Geschmacksmustergesetz oder Patentgesetz) geltend gemacht werden
können. Nicht umsonst heißt es gesetzesübergreifend:
gewerblicher Rechtsschutz.
Der
betroffene/behinderte Unternehmer, d.h. derjenige, der den anderen,
handelnden Unternehmer wettbewerbsrechtlich abmahnen möchte, muss
die Merkmale/Eigenschaften des eigenen Produkts möglichst
detailliert beschreiben und benennen. Fotos ergänzen dann diesen
Sachvortrag. Wer die Merkmale nicht beschreiben kann, bieten
womöglich bloß ein Allerweltprodukt am Markt an. Es muss
also das Besondere herausgearbeitet werden. Beiläufig gehen
Rechtsberatung und Unternehmensberatung auf diese Weise Hand in Hand.
4. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 4 UWG
§ 4 Nr. 4 UWG
lautet: "Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert." Zweck
der Vorschrift ist der Mitbewerberschutz, nicht der Verbraucherschutz.
Der Bundesgerichtshof (BGH)
definiert die gezielte Behinderung in ständiger Rechtsprechung wie folgt: „Wettbewerbswidrig
ist die Beeinträchtigung im allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt
wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche
Zweckrichtung nicht festzustellen, muss die Behinderung doch derart sein, dass
der beeinträchtigte Mitbewerber seine
Leistung am Markt durch eigene
Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (…). Dies lässt sich nur aufgrund einer
Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden
Interessen der Wettbewerber beurteilen (…), wobei sich die Bewertung an den von
der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientieren muss“ (BGH, Urt. v.
17.05.2001 – I ZR 216/99, BGHZ 148, 1 = NJW 2001, 3262 = GRUR 2001, 1061 = WRP
2001, 1286 – Mitwohnzentrale.de).
Leistung bedeutet hier nicht, dass jedes einzelne Leistungsangebot
(Willenserklärung) verhindert wird, sondern bedeutet, dass eine Vielzahl dieser
Leistungsangebote, d.h. das Produkt
im Angebot (Produktartikel, Leistungsartikel als solches), abgeschirmt wird. Die Handlungen, welche als gezielte Behinderungen
gewertet werden, müssen, sofern sie nicht im Wege des Rechts unterbunden
werden, zu einem schwerwiegenden Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb, letztendlich
zum Verdrängen aus dem (deutschen oder örtlichen) Markt führen können. Das betroffene
Unternehmen muss sozusagen abgeschottet/ausgegrenzt werden. Es muss durch die
zu beurteilende Handlung in die Gefahr geraten können, seine Leistungen insgesamt
nicht mehr angemessen anbieten zu können. Die Handlung muss den Mitbewerber (Konkurrenten) übermäßig
daran hindern, seine Produkte/Leistungen anzubieten und zu vertreiben.
Das unlauter handelnde Unternehmen geriert sich als
übermäßiger Störer. Die Handlung muss sich gegen bestimmte Unternehmen richten.
Damit
nicht in jedem einzelnen Anwendungsfall die Begründung
hierfür nicht wiederholt werden muss, haben sich Fallgruppen
gebildet (s.o. Definition gemäß BGH). Diese allerdings haben
sich bereits vor der Zeit der letzten grundlegenden
Gesetzesänderung von 2004 herausgebildet. Deshalb sollten diese
Fallgruppen nicht blind übernommen, sondern alle Jahrzehnte wieder
hinterfragt werden. Denn die ursprünglichen
Begründungsstränge oder Argumente passen dann womöglich
wegen weiterer Gesetzesänderungen nicht mehr. Es würde dann
im schlechten Fall die alte Rechtsprechung angewandt werden anstatt das
neue Gesetz ab 2004) mit seinen "neuen" Fallgruppen. Das Recht sollte
sich also nicht verselbständigen, ohne mittels noch immer
passender Begründung zu überzeugen.
Die
Fallgruppen werden einsortiert unter dem Blickwinkel, was genau
beeinträchtigt wird. Es gibt die Behinderungshandlungen
bezüglich 1. des Bezugs von Waren/Leistungen, 2. der Produktion,
3. des Absatzes von Waren/Leistungen, 4. der Werbung, 5. der
Finanzierung und 6. des Personals. Die Behinderungshandlung muss sich
objektiv und final (zielgerichtet) gegen den Konkurrenten etc. richten.
Eine Handlungsabsicht ist nicht erforderlich. Die Handlung muss sich
auf eine Funktionsbeeinträchtigung am Markt (Bezug, Produktion,
Absatz, Personal, Finanzierung, Werbung) richten. Insgesamt muss die
bewirkte oder wirkungsmögliche Folge von gewissem Gewicht
sein. Bagatellen (Marginalien) reichen nicht aus. Denn der Mitbewerber
muss vom Markt ja in gewisser Weise verdrängt werden können.
Dies gelingt nicht etwa bei simpler Werbung eines anderen. Sondern es
muss eine gewisse Schwerwiegenheit hinzutreten. Andernfalls wäre
§ 4 Nr. 4 UWG letztendlich ein Auffangtatbestand für alles
Mögliche. Das soll nicht sein.
Fallgruppen/Beispiele:
a) Bezug von Waren/Leistungen
Behinderung
des Mitbewerbers beim Einkauf: Ein jeder Marktteilnehmer entscheidet
frei, was er von wem bezieht. Ein Beispiel für eine Handlung
i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG: Aufkaufen einer bestimmter Ware, damit ein
Konkurrent diese nicht mehr kaufen kann.
Behinderung
des Produzenten dieser Einkaufsware: Wird der Produzent so behindert,
dass er nicht mehr produzieren kann, was der Mitbewerber zum Einkaufen
benötigt, dann wird der Mitbewerber gezielt behindert. Der
Produzent wird womöglich, parallel hierzu, boykottiert.
b) Personal
Jeder
Mensch (Arbeitnehmer) ist in der Wahl des Arbeitgebers (Unternehmens)
frei. Ebenso in der Wahl des Ortes (Stadt). Das Abwerben eines
Mitarbeiters eines anderen Unternehmens ist erlaubt (Beispiel
Headhunting). Ausnahmen und zugleich unlauteres Handeln: 1. evtl.
Abwerben wichtiger Arbeitnehmer eines anderen, ohne diese für das
eigene Unternehmen zu benötigen (umstritten), 2. evtl. Abwerben
ganzer Mitarbeiterabteilungen eines bestimmten anderen Unternehmens
(umstritten), 3. evtl. Abwerben eines Mitarbeiters eines anderen
Unternehmens in der Weise, dass dieser gegen eigene Verträge mit
diesem Unternehmen verstößt (Verleitung zum Vertragsbruch),
4. evtl. das gezielte Einschleusen von Personen, welche nur zu dem
Zweck bei dem anderen Unternehmen arbeiten, um die Mitarbeiter zu das
eigene Unternehmen zu gewinnen (Abwerben mit bestimmter Methode), 5.
Abwerben an einem unpassenden Ort des anderen Unternehmens.
c) Finanzierung/Preisgestaltung
Die
Preisgestaltung ist grundsätzlich frei. Ausnahmen z.B.:
Buchpreisbindung, Taxitarif, teils die Arztvergütung, die
Architektenvergütung, die Rechtsanwaltsvergütung u.a.
Unlauter ist es jedoch, wenn z.B. die öffentliche Hand ein
Vergabeverfahren durchführt und von den Anbietern verlangt, den
gesetzlich vorgegebenen Preis zu unterbieten. Ansonsten ist das Setzen
von Niedrigpreisen
grundsätzlich lauter/zulässig, wenn und weil Teil des
Preiswettbewerbs. Anders verhält es sich, wenn die Niedrigpreise
unter denen der Selbstkosten liegen und
aus bestimmten Anhaltspunkten die Behinderungsabsicht herauszulesen
ist, d.h. das Preissetzen dazu dient, einen bestimmten Konkurrenten vom
Markt zu drängen. Das handelnde Unternehmen kann in dieser
Konstellation nur ein finanzstarkes Unternehmen sein und das andere,
behinderte Unternehmen ein kleines. Das Marktsegment muss, damit diese
Konstellation funktioniert, ein recht kleines sein. Der Verkauf unter
Selbstkostenpreis (z.B. Lockvogelangebote) ist nämlich
grundsätzlich zulässig und eine Frage des Stehvermögens.
Wer Pleite geht, hat Pech gehabt. Dies gilt auch im Internet: Wer eine
Ware zu einem Auktionsstartpreis von nur einem Euro anbietet, handelt
lauter und hat gegebenenfalls Pech gehabt, wenn die kostbare Ware
für nur z.B. fünf Euro verkauft wird.
d) Produktion
Grds.
zulässig: das Analysieren der Waren/Leistungen eines anderen
Unternehmens (kein Fall von Betriebsspionage), sofern dabei keine
Rechtsverstöße begangen werden.
e) Absatz von Waren/Leistungen
Das Abwerben von vorhandenen Kunden
ist grundsätzlich zulässig. Ausnahmen müssen gut
begründet werden. Unzulässig ist es, wenn ein Angestellter,
der vormals beim Unternehmen A tätig war und nun beim Konkurrenten
B tätig ist, die Kunden des A gezielt anspricht und sie dazu
motiviert, künftig die Waren/Leistungen vom Unternehmen B zu
beziehen (Übernahme von Kunden durch gezielte
Koordniation/Organisation). Unzulässig ist es auch, Mitglieder zu
werben und die Mitgliedschaft mit einem Versicherungsvertrag so zu
kombinieren, dass das neue Mitglied praktisch dazu gedrängt wird,
den Versicherungsvertrag mit einem anderen Versicherungsunternehmen zu
kündigen, weil die doppelte Versicherung keinen Nutzen erbringt
(Fall des mittelbaren Kündigungszwangs). Das konkurrierende
Versicherungsunternehmen wird ausgebootet.
Das Abfangen von potentiellen Kunden
ist grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme ist das Abfangen
von potentiellen Kunden mittels der Methoden Gewaltanwendung, Drohung,
Belästigung etc. Nicht unzulässig ist das Verteilen von
Werbe-Handzetteln in unmittelbarer Nähe zu einem
Ladengeschäft eines konkurrierenden Unternehmens. Das ist auch
logisch: Erstens gehört das Werben zum Markt, und zweitens ist es
Sache der potentiellen Kunden, selbst zu entscheiden, ob sie die
Produkte dieses oder jenen Unternehmens auswählen. Dies gilt auch
für den personenbeförderungsrechtlichen Fall am Taxistand.
Der künftige Fahrgast ist in der Wahl des Taxis frei
(ausdrücklich in fast jeder örtlichen Taxenordnung geregelt).
Unzulässig ist es, die Waren eines bestimmten Unternehmens
komplett aufzukaufen, damit dieses am Markt als nicht lieferfähig
eingestuft wird. Ansonsten ist der Aufkauf von Waren zulässig. Kaufen und Verkaufen gehört zum Markt.
Ein Händler handelt nicht unlauter, wenn er dem
Kunden/Kaufinteressenten die Vor- und Nachteile der Waren verschiedener
Unternehmen erklärt und die Waren vergleicht. Er darf
Kaufempfehlungen geben. Unzulässig aber sind unter Umständen
Irreführungen und Falschaussagen.
Grds. zulässig: das Durchführen von Testmaßnahmen
(z.B. Test-Essen zwecks Bewertung des Restaurants nach Sternen), evtl.
ausnahmsweise unzulässig bei besonderen Störfaktoren
(umstritten).
Wer
die Einrichtung (z.B. Telekommunikationsnetz) eines anderen
nutzt/ausnutzt, darf keine Handlung an den Tag legen, die dazu
führt, dass der Mitbewerber, der Einrichtungsinhaber/-betreiber
ist, vom Markt abgeschottet wird. Dieses "Ausnutzen einer fremden Einrichtung"
ist im BGH-Fall "Rufumleitung" unzulässig. Nicht vergleichbar
hingegen ist der Fall, dass Taxifahrer einen Taxistand (Einrichtung)
nutzen. Hier wird niemand im Sinne einer Kundenkreisabschottung
blockiert (so Wüstenberg, anderer Auffassung des OLG Frankfurt am Main). Das OLG hat die Revisionszulassung verweigert.
Das
Anbieten von Zugriffscodes ist unlauter, wenn diese Zugriffscodes dazu
verwendet werden können, eine bestimmte Art von Waren/Leistungen
unentgeltlich zu beziehen, obwohl diese ansonsten nur entgeltlich
bezogen werden können (Fall des Verhindern von Einnahmeerzielung).
Unzulässig/unlauter
ist es, Marken i.S.d. MarkenG anzumelden, damit ein anderes Unternehmen
diese Marken nicht (mehr) nutzen kann (Sperrmarken).
Auf diese Weise wird/wäre das blockierte Unternehmen
genötigt, seine Markenbezeichnungen umzubenennen und am Markt neu
einzuführen. Es wird dadurch verhindert, dass seine eigenen
Produkte durch eigene Leistung angemessen am Markt platzieren kann. Der
Handelnde stört den Vertriebsablauf ohne eigenes, marktkonformes
Anliegen (Vertriebsstörung).
Unzulässig ist es, zum Boykott
eines bestimmten Unternehmens aufzurufen. Ein jedes Unternehmen darf
sich verweigern, Waren/Leistungen eines bestimmten anderen Unternehmens
nachzufragen. Dies ist das freie Recht. Doch andere Unternehmen
dürfen nicht dazu aufgerufen werden, dies ebenfalls zu tun. Der
Grund hierfür liegt in der Absicht, dieses andere Unternehmen aus
dem Markt zu verdrängen. Zum Vergleich: Boykottaufrufe durch
Nicht-Mitbewerber/-Konkurrenten sind in aller Regel zulässig. Ob
mit diesem Boykottaufruf dann ein Schadensersatzanspruch nach BGB
entsteht, ist eine andere Frage. Das UWG jedenfalls greift dann nicht.
f) Werbung
Werbung
ist grundsätzlich erlaubt. Grundsätzlich erlaubt ist es auch,
Werbung anderer zu übernehmen (Ausnahme: Markenrecht bzgl.
Werbeslogans etc.) oder Werbung in unmittelbarer Nähe zu
Mitbewerbern zu platzieren. Zulässig ist auch ein Vertrag, mit
welchem die Exklusivwerbung vereinbart wird.
Unzulässig sind Handlungen der Beschädigung oder Entfernung
der Werbung oder der Unternehmensangaben anderer werbender Unternehmen
(Verhindern der Wahrnehmung). Im Internet freilich erst und nur dann,
wenn der Internetnutzer seine Zustimmung zu Werbeblockierungsmaßnahmen nicht
gegeben hat. Stets muss die Gefahr bestehen, dass der Konkurrent durch
die Handlung aus dem Markt dadurch verdrängt werden könnte,
dass er seine eigene Werbung nicht passend platzieren kann.
Die
Fallgruppen und die dort gelieferten Stichpunkte verdeutlichen, dass in
jedem Einzelfall gut und richtig argumentiert werden muss. Der
Gesetzgeber hat die Entscheidungsfindung den Marktteilnehmern bzw. den
Gerichten überlassen.
Die Kanzlei Wüstenberg vertrat in den letzten acht Jahren vor dem
LG Frankfurt und dem OLG Frankfurt Taxiunternehmen, die
privatrechtliche Beliebigkeitsentscheidungen von Privatpersonen nach
§ 903 BGB ignorierten. Nach Auffassung der Kanzlei wurde kein
Mitbewerber gezielt behindert. Die Frankfurter Rechtsprechung sieht das
anderes. Wer sich als Taxiunternehmer mit seinem Taxi neben einen
anderen stelle, handele unlauter, sofern er nicht die
Privatvorstellungen eines Taxistandbetreibers oder -besitzers befolgt.
Diese Logik erschließt sich der Kanzlei nicht!
Die Vorschrift § 4 Nr. 4 UWG dient dazu, es zu verhindern, dass
andere Unternehmen (Mitbewerber) aus dem Markt verdrängt werden
durch nicht akzeptable Abschottung der Angebote dieser Unternehmen. Der
unlauter handelnde Unternehmer muss also verhindern (wollen), dass sein
Konkurrent überhaupt noch am Markt wahrgenommen wird. Im Taxifall
war dies nicht der Fall. Es konnten alle Taxiunternehmer ihre Taxen
ungestört weiter am Markt bereithalten.
5. Allgemeine Marktbehinderung nach § 3 UWG
§ 3 Abs. 1 UWG bestimmt bloß: "Unlautere
geschäftliche Handlungen sind unzulässig." Es müssen
also nicht unbedingt bloß Handlungen verboten sein, die in den
§§ 3a bis 7 UWG aufgelistet sind. Anerkannt ist etwa die
Fallgruppe der "allgemeinen Marktstörung". Bei dieser allgemeinen
Marktstörung wird nicht ein bestimmtes Unternehmen (gezielt) behindert. Sondern es werden alle Unternehmen des Marktsegments -- zumindest mittelbar -- behindert. Ein solcher Fall ist sehr selten.
Festgestellt
werden müssen 1. die Marktteilnehmer, die Mitbewerber sind, 2. die
Umstände/Eigenschaften/Merkmale, welche das Funktionieren des
Marktes bestimmen, 3. die Marktzutrittschancen für neue
Mitbewerber, 4. die Gefährdungspotentiale für die am Markt
vorhandenen Marktteilnehmer, insbesondere Mitbewerber. Besonders
herausgearbeitet werden muss das konkrete Gefährdungspotential
durch welche (?) Handlungsweisen.
Beispiele
für Nicht-Verstöße gegen § 3 UWG: a) das Anbieten
von Waren unter Selbstkostenpreis, b) das Anbieten von Waren ohne Preis
(Gratisabgabe, Geschenk, Probepackung etc.).
Beispiele für allgemeine Marktstörung: Die öffentliche Hand
bietet Waren/Leistungen a) zu Dumpingpreisen oder b) unentgeltlich an
oder c) verpflichtet zur Abnahme bestimmter Waren/Leistungen im Fall
der Inanspruchnahme der Produkte der öffentlichen Hand. Weitere
Beispiele sind gegenwärtig nicht recht ersichtlich.
6. Rechtsverstoß außerhalb des UWG-Rechts, relevant über § 3a UWG
§ 3a UWG lautet: "Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die
auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen
von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar
zu beeinträchtigen."
Die Vorschrift wurde im Jahre 2004 enger gefasst mit dem
Tatbestandsmerkmal "auch". Nicht mehr jeder Rechtsverstoß sollte
unlauter sein, sondern nur noch derjenige Rechtsverstoß, dessen
Ahndung im Interesse der Marktteilnehmer liegt. Die Vorschrift, auf
welche mit § 3a UWG Bezug genommen wird (also eine Vorschrift
außerhalb des UWG), muss (auch) dem Zweck dienen, die
Marktwirtschaft zu regeln. Ein Beispiel für Vorschriften, welche
die Marktwirtschaft nicht
regeln, sind die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO).
Fahren die LKW-Fahrer eines bestimmten Unternehmens immer schneller als
erlaubt, um den Kunden eine bessere Leistungsbilanz
(Pünktlichkeit) zu bieten, handelt das Unternehmen nicht unlauter.
Denn das Straßenverkehrsrecht ist Teil des Sicherheitsrechts und
nicht Teil des Marktwirtschaftsrechts. Ein Beispiel für
Vorschriften, welche auch die Marktwirtschaft regeln, sind die
Vorschriften des Abfall- und Kreislaufwirtschaftsrechts. Das
Kreislaufwirtschaftsrecht ist Teil des Umweltrechts und auch
des Wirtschaftsrechts. Wer gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
verstößt, kann sich folglich unlauter verhalten.
Verstößt ein Unternehmen gegen die StVO, bleibt es beim
Ordnungswidrigkeitsrecht nach dem Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) in
Verbindung mit der StVO.
Eine
Gesetzesvorschrift weist diesen erforderlichen Wettbewerbsbezug nur
dann auf, wenn ihr Zweck darin besteht, das wettbewerbliche Interesse
der Anbieter oder Kunden zu schützen. Es ist zu fragen, ob die
Vorschrift wirklich (auch) den Wettbewerb regeln soll oder etwas
anderes. Das Straßenverkehrsrecht, das Umweltschutzrecht und das
Tierschutzrecht beispielsweise regeln den Wettbewerb zumeist nicht
(auch). Denn diese Vorschriften sind bereits vor der Abgabe von
Erklärungen für Angebot und Nachfrage zu beachten. Es kommt
allerdings immer auf die einzelne Vorschrift an. Auch nicht jede
Vorschrift in gewerberechtlichen Gesetzen (wie z.B. das PBefG) ist eine
Vorschrift, welche sich auf den Wettbewerb bezieht.
Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen eine
Marktverhaltensvorschrift auch noch ein erheblicher sein muss (im
Ergebnis § 3 UWG). Sogenannte Bagatellen sollen ausgeschlossen werden.
Sonst würde fast jeder Verstoß gegen eine Vorschrift zum
Abmahnwahn der Unternehmen und Rechtsanwälte verleiten. Das soll
nicht sein.
Das
rechtspolitische "Problem"
besteht darin, zahlreiche Gesetzesverstöße
als unlauter zu definieren und dem Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht)
zuzuordnen. Das Wettbewerbsrecht steht in gewisser Konkurrenz zum
Ordnungswidrigkeitsrecht. Wer gegen eine Vorschrift
verstößt, begeht
oftmals eine Ordnungswidrigkeit und erhält sodann einen
Bußgeldbescheid
(Beispiel: Knöllchen gemäß Straßenverkehrsrecht).
Hierfür sind die
Behörden zuständig. Doch diese sind personell oftmals nicht
gut
ausgerüstet. Deshalb drängt sich der Verdacht auf, dass die
Politik den
§ 3a UWG benutzt, um von den Personalausstattungsdefiziten
abzulenken und die Verfolgung von Gesetzesverstößen den
Mitbewerbern/Konkurrenten zu überlassen. Das ist dann ein
politisches Delegieren des gegenseitigen Vorwerfens und Bezichtigens.
Ein gewolltes Denunzieren? Jedenfalls dann, wenn Klagevereine diese
Gesetzesverstöße nutzen, um eifrig abzumahnen und
Aufwandsentschädigungen zu verlangen und zu kassieren. Besser
wäre es, die Anzahl der Gesetzesvorschriften und
Ordnungswidrigkeitstatbestände zu reduzieren und (seitens der
Behörden) nur das wirklich Wichtige zu überwachen und zu
ahnden.
Verstöße
und Rechtsvorschriften gibt es tausende. Hier alle aufzuzählen,
ist nicht möglich. Es kommen täglich neue hinzu. Der Deutsche
Bundestag erlässt, erlässt und erlässt immerzu Regelungen.
7. Agressive Handlung
§ 4a Abs. 1 UWG: "Unlauter
handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die
geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer
geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls
nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist
aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller
Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers
oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch
1. Belästigung, 2. Nötigung einschließlich der
Anwendung körperlicher Gewalt oder 3. unzulässige
Beeinflussung."
Die
Vorschrift ist nicht optimal geschrieben. Die geschäftliche
Handlung muss erstens eine Handlung mit der Eigenschaft "aggressiv"
sein und zweitens eine Handlung sein, welche die Eigenschaft besitzt,
die geschäftliche Entscheidung des Adressaten (Verbrauchers oder
sonstigen Marktteilnehmers) zu beeinträchtigen, und zwar
erheblich, d.h. abzuändern. Das klingt noch plausibel. Die erste
Voraussetzung des § 4a Abs. 1 S. 1 UWG (aggressiver Charakter)
wird mit § 4a Abs. 1 S. 2 UWG scheinbar präzisiert
(darunter wiederum eine hier unnötige oder widersinnige
Geeignetheitsprüfung). Es gibt drei Mittel (Belästigung
usw.), welche die Aggressivität der Handlung ausmachen. Das dritte
Mittel wird im nachfolgenden § 4a Abs. 1 S. 3 UWG definiert: "Eine
unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine
Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen
Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder
Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die
die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu
einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt." Ob und
wann nach alledem nun eine aggressive Handlung vorliegt, ergibt sich
aus diesem ganzen Text nicht wirklich. Zu unterscheiden sind die
Entscheidungsfreiheit und die Entscheidung. Klingt gut, ist aber in der
Praxis nicht wirklich trennscharf.
Informativer
ist der Text des § 4a Abs. 2 S. 1 UWG: " Bei der Feststellung, ob
eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz
2 ist, ist abzustellen auf 1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der
Handlung; 2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen
oder Verhaltensweisen; 3. die bewusste Ausnutzung von konkreten
Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass
sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen
Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu
beeinflussen; 4. belastende oder unverhältnismäßige
Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den
Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner
vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht
gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware
oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln; 5.
Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen." All diese
Kriterien sind letztendlich auf beide Definitionsteile des § 4a
Abs. 1 S. 1 anzuwenden, d.h. auf die Aggressivität und auf die
Entscheidungsbeeinträchtigungsgeeignetheit.
Das
Kriterium des § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 wird näher
präzisiert in § 4a Abs. 2 S. 2: "Zu den Umständen, die
nach Nummer 3 zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere
geistige und körperliche Beeinträchtigungen, das Alter, die
geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die
Angst und die Zwangslage von Verbrauchern." Hier steht zwar nur der
"Verbraucher" und nicht auch der "sonstige Marktteilnehmer". Doch ist
letzterer hier im Wege der ergänzenden Auslegung mit einzubeziehen.
Abgrenzung zu § 7 UWG. Nach § 7 UWG ist die Belästigung i.S.d. § 7 UWG
verboten, und zwar die Belästigung "in unzumutbarer Weise". Liegt
also eine Belästigung i.S.d. § 4a UWG vor, dann stützt
diese sich auf die Verfälschung der Entscheidungsfreiheit. Liegt
eine Belästigung i.S.d. § 7 UWG vor, ist diese eine
Belästigung wegen Unzumutbarkeit des Ertragens der Handlung.
Folglich kann die Verfälschung der Entscheidungsfreiheit des
Verbrauchers/Marktteilnehmers nicht das einzige Kriterium für die
Unzumutbarkeit sein. In § 7 UWG muss noch etwas anderes
hinzukommen. Siehe dort.
a) geschäftliche Handlung
Weil die Handlung sich auf die Entscheidungsbildung des
Verbrauchers/Marktteilnehmers auswirken können muss, muss sie in
engem zeitlichen Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss stehen
-- kurz vor, während, kurz danach. Zu den Handlungen gehören
auch computerisierte Handlungen (IT-Technik) zum Beispiel im Rahmen von
Onlineshops oder Suchmaschinensoftware etc..
b) aggressiv
Eine Äußerung/Handlung ist aggressiv, wenn sie eine 1.
Belästigung, 2. Nötigung (inklusive körperliche Gewalt)
oder 3. unzulässige
Beeinflussung ist. Die Aufzählung ist abschließend. Doch die
Begriffe sind sehr auslegungsfähig. Darüber, was eine
Belästigung ist oder nicht, kann gestritten werden. Auch eine
Abgrenzung zur Nötigung kann nicht glasklar erfolgen. § 4a Abs. 1 S. 3 UWG
definiert tendenziell wachsweich: "Eine unzulässige Beeinflussung
liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem
Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck,
auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in
einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder
sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung
wesentlich einschränkt." Es gibt also einen großen
Beurteilungsspielraum. Im Kern geht es -- nicht nur hier -- um die
Frage, was die Marktwirtschaft zulässigerweise ausmacht und was
nicht mehr geduldet werden soll. Beim Rechtsanwender prallen
womöglich rechtspolitische Anschauungen aufeinander --
liberal/freiheitlich oder sozial/fürsorglich? Jedenfalls sind die
in § 4a Abs. 2 UWG aufgelisteten Umstände in die
Begründung einzubeziehen.
c) geeignet zur Entscheidungsfreiheitsbeeinflussung
Die
Entscheidungsbeeinflussung gehört zum Wettbewerb. Deshalb muss
sich aus den Umständen des Sachverhalts die "Erheblichkeit" der
Beeinflussung des Gegenübers ergeben. Der Gegenüber muss in
seiner Freiheit der Selbstentscheidung
beeinträchtigt worden sein. Die völlige Ausschaltung der
Entscheidungsfreiheit ist nicht nötig. Andererseits muss jedem
Menschen (Verbraucher/Marktteilnehmer) die bloße Opferrolle
abgesprochen werden. Jeder Mensch ist prinzipiell zum Denken in der
Lage (sapiens sapiens). Es gibt leider keine exakte
Verortungsmöglichkeit. Gefragt werden kann, ob der betroffene
Kunde/Vertragspartner die Entscheidung, die er getroffen hat, auch noch
einige Zeit später -- mit geistigem Abstand -- so treffen
würde. Aber auch diese zeitliche Gegenüberstellung taugt
nicht wirklich. § 4a UWG lädt zum Hineininterpretieren ein...
d) geeignet zur Entscheidungsveranlassung
Die Handlung muss geeignet sein, den
Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen
Entscheidung zu veranlassen. Was dieses Veranlassen bedeutet, steht im
Gesetz nicht. In der Literatur wird vorgeschlagen, danach zu fragen, ob
derjenige Betroffene, der merkt, dass ihm seine Entscheidungsfreiheit
genommen wird, noch die Kraft zur Selbstkorrektur hat, also die Kraft,
aus der Beherrschtseinsituation auszubrechen und in die
Freiheitssituation zurückzukehren. Kann er diese nutzen, ist alles
gut. Kann er sie nicht nutzen, sei er veranlasst im Sinne des § 4a
UWG. Klingt irgendwie hübsch. Doch für die Rechtsanwendung
ist dieses verbale Differenzieren nicht wirklich ein Segen.
Ergebnis:
Wer eine Abmahnung wegen einer Handlung nach § 4a UWG erhalten
hat, sollte sich dagegen wehren. Eine gute Begründung wird sich
vielleicht finden lassen. Sollte jedoch bereits eine
Gerichtsentscheidung zum Nachteil des Abgemahnten existieren, schwinden
die Erfolgschancen, das Gericht doch noch vom Gegenteil zu
überzeugen. Also: je früher, desto besser.
8. Irreführende Handlung durch Tun
§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG: "Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt,
die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu
einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls
nicht getroffen hätte."
Der § 5 UWG ist die
Vorschrift im Lauterkeitsrecht zum Schutz der Verbraucher und aller übrigen
Marktteilnehmer, welche nicht zugleich Mitbewerber sind (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG). Erfasst
werden alle irreführenden Geschäftshandlungen, welche ein Tun darstellen (vgl. § 5 Abs. 3 UWG). Was irreführend ist, steht in
§ 5 Abs. 1 S. 2 UWG, und zwar abschließend. Irreführende Geschäftshandlungen,
welche ein Unterlassen darstellen,
werden nicht von § 5 UWG, sondern von § 5a UWG erfasst.
Was eine geschäftliche Handlung ist, ist in § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG definiert. Umfasst sind alle unternehmerischen Handlungen, nicht bloß
Produktbeschreibungen im Onlineshop oder Werbung in den Medien.
Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn mit ihr
unwahre Angaben mitgeteilt werden, welche geeignet sind, den Verbraucher
odersonstigen Marktteilnehmer dazu zu verleiten, eine (für ihn nachteilige)
Entscheidung zu treffen, nämlich eine Entscheidung, die er ohne die
irreführende Angabe nicht getroffen hätte. Die Angabe braucht bloß geeignet zu
sein. § 5 schützt vor der Gefahr, dass der Verbraucher/Marktteilnehmer sich
falsch/anders entscheidet. Die Gefahr muss sich nicht verwirklichen. Gefahr
bedeutet letztendlich eine Prognose. Ob die Handlung diese Gefahr der
Fehlentscheidung begründet, entscheidet im Streitfall schließlich der Richter.
Das Risiko, dass der Richter sich falsch entscheidet, trägt der
handelnde/äußernde Unternehmer.
Ob eine Handlung irreführend ist oder nicht, wird zum
einen durch die in § 5 Abs.1 S.2 UWG genannten Kriterien ermittelt. Der
Kriterienkatalog ist vollständig/abschließend. Andere Kriterien dürfen nicht
herangezogen werden. Zum anderen hat die Beurteilung aus Sicht der angesprochen
Verkehrskreise zu erfolgen, also aus Sicht der Adressaten.
Eine Angabe ist unwahr, wenn sie die tatsächlichen
Gegebenheiten oder Verhältnisse/Zusammenhänge anders beschreibt als
gegeben/vorliegend. Ist dies der Fall, wird von den Rechtsanwendern automatisch
auf die Gefahr der Irreführung geschlossen.
Ist der Adressatenkreis
der sog. Verbraucher (§§ 13, 14 BGB), dann wird der durchschnittlich
informierte und interessierte, der durchschnittlich verständige/intelligente
und aufmerksame Bürger als der Normadressat angesehen. Ob der im konkreten Fall
angesprochene Bürger besonders intelligent oder besonders dumm oder besonders
interessiert oder besonders geistesabwesend ist, spielt keine Rolle.
Eine Ausnahme hiervon gibt es insoweit, als der
angesprochene Personenkreis nur aus besonders schutzwürdigen Menschen besteht,
also z.B. nur alte Menschen oder nur Kinder oder nur geistig behinderte
Menschen. Dann muss der Begreifenshorizont eben dieser Menschen (im
Durchschnitt) herangezogen werden.
Eine Ausnahme besteht auch insoweit, als nur Unternehmer
oder nur bestimmte Fachkreise oder nur Bewohner einer bestimmten Region (z.B.
mit Sprachdialekt) angesprochen werden.
Wie genau dieser Begreifenshorizont
des Verbrauchers (Durchschnittsmenschen) bzw. der Gruppe der besonders
geschützten Personen (im Durchschnitt) aussieht, entscheidet der Richter anhand
eigenen Erfahrungswissens. Es wird kein Sachverständigengutachten erhoben,
keine Meinungsumfrage durchgeführt. Im Ergebnis ist dies rechtlich so richtig
(vgl. Erwägungsgrund 18 der EU-Richtlinie namens UGP-Richtlinie). Allerdings
besteht – wie immer – bei der Justiz das Risiko, dass Richter sich in ihrer
Menschenkenntnis vertun. In der Praxis maß0geblich dürfte damit (leider)bloß
das Bauchgefühl sein. Die Frage heißt: Welches geistige Verständnis darf man
von einem in Deutschland lebenden Erwachsenen erwarten? Wer die eigene
Bevölkerung für zu dumm erachtet, wird die Irreführungsgefahr voreiliger
bejahen als derjenige, der von einem rationalen, sich umfangreich bildwenden
Bürgerbild ausgeht. Schon vor Jahrzehnten, so war während der 1990er Jahre
berichtet worden, hätten Richter in den U.S.A. entschieden, dass amerikanische
Bürger darüber informiert werden müssen, dass man seine Hauskatze nicht in der
Mikrowelle trocknen darf. Der Hersteller von Mikrowellen müsse darauf
hinweisen. Wie hätten die Richter in Deutschland entschieden? Welches
durchschnittliche Denk- und Verständnisvermögen trauen sie der deutschen
Bevölkerung zu? Welche Grundkenntnisse traut ein deutscher Richter den
Deutschen und in Deutschland lebenden Ausländern zu?
Für den Mandanten mag es nützlich sein, Ergebnisse von
Meinungsumfragen oder Gutachten oder Statistiken zu sammeln, welche passen
könnten. Letztlich aber entscheidet der Richter nach wohl eigener Vorstellung
über den zu erwartenden Horizont des Adressatenkreises.
Aber: Entscheidend ist nicht (allein) die Intelligenz des
Adressatenkreis. Es kommt nur auf 1. die Aufmerksamkeit (wie leicht und sicher
ist die Information wahrnehmbar?), 2. die Informiertheit (Unterrichtetsein,
Grundwissen des Menschen) und 3. die Verständigkeit (Kritikfähigkeit; im
Ergebnis hier auch inklusive Intelligenz) an (Erwägungsgrund 18 der
EU-UGP-Richtlinie).
Das anhand dieser drei Kriterien ermittelte
Verstehensvermögen des Adressaten kann der handelnde Unternehmer dadurch
beeinflussen/verändern, indem er der Angabe/Information aufklärende Hinweise hinzufügt. Auf diese Weise kann er der
Irreführungsgefahr entgegenwirken.
Ob nach alledem eine Angabe/Information irreführend ist,
hängt von vielen Umständen des Einzelfalls in der konkreten Situation und Zeit
ab, etwa auch von zeitlichen Ereignissen/Geschehnissen vor Ort.
Was ist eine Angabe?
Angaben sind Worte/Texte oder auch tatsächliche
Reaktionen auf ein Adressatenverhalten (z.B. Zuschicken von Post mit bestimmten
Angaben). Die Angabe muss, damit sie eine Angabe sein kann, einen nachprüfbaren
Tatsachenkern mitteilen. Angaben im Sinne reklamehafter Übertreibungen werden
vom Durchschnittsverbraucher als Text ohne Inhalt/Tatsachenbehauptungen
verstanden, als Nicht-Angabe.
Beispiele für Angaben-Medium: der Domainname, die
Produktbeschreibung eines bestimmten Artikels im Onlineshop,
Pressemitteilungen.
Beispiel für Angabe i.S.d.§ 5 statt Verschweigen i.S.d. §
5a UWG: ein fehlerhaft dargestellter Gesamtpreis (mit fehlenden Angaben zu
Bestandteilen der Preiszusammensetzung). Der Schwerpunkt liegt hier auf der
Mitteilung statt auch dem Unterbleiben/Unterlassen einer Angabe.
Angaben sind auch zu eigen gemachte Angaben, d.h.
Äußerungen Dritter. Beispiele: medizinische Studien zugunsten eigener Produkte,
Umfrageergebnisse von eher unbekannten Meinungsforschungsinstituten,
Kundenempfehlungen auf der eigenen Homepage. Das gilt auch für Verlinkungen auf
all diese, sofern nicht beim Link ein
redaktioneller/journalistischer/wissenschaftlicher, distanzierter Hinweis hinzugefügt
wird (etwa Benutzen des Konjunktivs). Es kommt auf die Situation im Einzelfall
an. Anders dagegen die Angaben Dritter, welche – allgemein anerkannt – seriös
sind (Beispiele: Tageszeitungen, Stiftung Warentest etc.). Deren „objektiv“
ermittelte Daten werden nicht zu eigen gemacht, sondern bloß als fremde Angaben
mitgeteilt.
Was ist der Inhalt der Angabe?
Entscheidend ist der Gesamteindruck. Nach diesem ist der
Inhalt unter Beachtung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Der Inhalt ist auch
nach dem Gesamtzusammenhang/Kontext zu beurteilen (im Ergebnis Art. 5 GG i.V.m.
Rechtsprechung des BVerfG). Das Problemhierbei in Deutschland und in Welt:
Uneindeutige Äußerungen werden nicht selten missverstanden. Dies ist einerseits
verfassungsrechtlich zu würdigen, andererseits aber auch im Sinne der
Zielsetzung des § 5 UWG.
Was ist eine irreführende Angabe?
Laut § 5 Abs.1 S. 2 UWG ist irreführend sowohl die unwahre Angabe als auch die zur Täuschung geeignete Angabe. Die
Unwahrheit und auch die Geeignetheit zur Täuschung müssen auf
Kriterien/Umstände gestützt werden, welche in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG aufgelistet
sind.
Unwahr ist eine Angabe, die objektiv falsch
und als solche, d.h. deren Unwahrheit/Falschheit nachprüfbar/beweisbar ist. Was
falsch/unwahr ist, entscheidet nicht der angesprochene Verkehrskreis, sondern
die Allgemeinheit/Wissenschaft. Keiner
der Umstände i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG muss hinzutreten, damit die unwahre
Angabe irreführend ist. Es ist nur eine Unwahrheitsfeststellung zu betreiben.
Der Wortlaut mit der Täuschungseignung in § 5 UWG steht nur in Bezug auf die
„sonstigen Angaben“.
Zur Täuschung geeignet ist eine (wahre oder unwahre) Angabe,
wenn sie zur Fehlvorstellung über den mit der Angabe zum Ausdruck gebrachten
Inhalt (Tatsache) führen kann. Es ist
eine Prognose anzustellen. Es wird ein Angabeninhalt erklärt, der zutrifft oder
nicht zutrifft oder mehrdeutig/unklar ist und Fehlvorstellungen hervorrufen
kann. Nur hier kommt es auf die Täuschungseignung an (s. zuvor). Subjektive
Elemente wie Lügen oder das Erzählen-Wollen von Halbwahrheiten i.S. eines
Täuschungsvorsatzes sind ohne Bedeutung. Es ist vielmehr allein auf die
objektive Sicht- und Wirkungsweise abzustellen. Die Rechtsprechung bzgl. der
sog. „dreisten Lüge“ passt nicht mehr in das durch das EU-Recht vorgegebene
UWG-Recht.
Beispiele unwahrer und damit per se unlauterer Angaben:
1. Sog. Blickfangwerbung in dem Fall, dass die
blickfangmäßig hervorgehobene Angabe im Gesamteindruck (d.h. einschließlich der
Angaben unter dem Sterncheninhalt und ggf. sonstig angebrachter Informationen)
unwahr ist. Blickfangwerbung nur dann unter diesem Gesichtspunkt unlauter.
Sonst nicht (Änderung der Rechtslage in ca.2008; die Rechtsprechung hinkt etwas
hinterher).
2. Listung von Gebrauchtwagen im Internet unter Neuwagen.
3. Schlankheitsmittelmit dem Aussageinhalt, die Einnahme
des Mittels würde zu einer Gewichtsabnahme in Höhe von X kg binnen Y Wochen
führen.
Vier Beispiele zur Täuschung geeigneter (zumeist wahrer oder
unklarer) Angaben:
1. Sog. Blickfangwerbung in dem Fall, dass die
blickfangmäßig hervorgehobene Angabe im Gesamteindruck (d.h. einschließlich der
Angaben unter dem Sterncheninhalt und ggf. sonstig angebrachter Informationen)
eine Fehlvorstellung auslösen kann. Fehlen Angaben im Rahmen der
Blickfangwerbung kommt ein unlauteres Handeln durch Unterlassung (d.h. nach §
5a UWG) in Betracht – was zu prüfen ist/wäre.
2. Werbung mit Selbstverständlichkeiten, z.B.
selbstverständlich vorhandenen Eigenschaften oder rechtlich gebotenen Hinweisen
in Form des besonderen Hervorhebens als etwas Besonders. Beispiel: „mit
CE-Zeichen“ (nicht aber die Anbringung des CE-Zeichens) oder „inklusive MwSt“
(nicht aber dieser Hinweis im Fließtext z.B. einer Webseite). Wahre Tatsachenbehauptung,
jedoch zur Täuschung dahingehend geeignet, dass etwas Besonderes geboten werde.
3. Fehlender Hinweisauf Lieferfristen im Versandhandel,
die länger als nur wenige Tage betragen. Der Verbraucher geht davon aus, dass
die bestellte Ware vorrätig ist und innerhalb kurzer Zeit geliefert werden
wird. Ein Versandhandelsbetreiber muss bei längeren Lieferfristen hierauf
hinweisen. Andernfalls nicht unwahre Angabe, jedoch Gesamteindruck nicht klar
genug und zur Täuschung geeignet.
4. Eine Rechtsanwaltskanzleischreibt auf dem Briefkopf
„Kanzlei für XY-Recht“. Anschließend sind die Namen von Rechtsanwälten
aufgeführt. Hinter den Namen der anderen Anwälte als dem des Werbenden steht:
„in Bürogemeinschaft“ bzw.“Kooperationspartner“. Die Irreführung liegt hier
darin, dass die Angabe XY zwar wahr ist (sein dürfte),jedoch den Eindruck
vermittelt, es würden alle namentlich genannten Anwälte in einer einzigen
Anwaltskanzlei als GbR oder sonstige Rechtsform und damit Haftungsgemeinschaft
auftreten. Dies ist bei Bürogemeinschaften und außerhalb des Büros befindlichen
Partnern nicht der Fall.
Gibt es bei unwahren Aussagen eine Relevanzschwelle?
Ja. Einige Juristen wollen hier noch eine
Relevanzschwelle einführen/einfügen, und zwar mit dem Argument Art. 6 UGP-Richtlinie
und mit dem Argument des letzten Halbsatzes in § 5 Abs. 1 S. 1 UWG. Wenn der
angesprochene Verkehrskreis die Unwahrheit erkennt und deshalb keinem
Irrtumunterliegen kann, dann müsse dies berücksichtigt werden. Das Gesetz sieht
eine solche Relevanz- oder Bagatellschwelle nur in § 5 Abs.1 S. 2 UWG nicht
vor. Für betroffene Unternehmen bestehen hier ggf. Chancen.
Besteht die Relevanzschwelle nur gegenüber dem
angesprochenen Verbraucherkreis?
Nein. Auch sonstige Marktteilnehmer können betroffen oder
gar geschädigt sein. Es kann vorkommen, dass die Angabe des handelnden
Unternehmens im Einzelfall nur theoretisch geeignet ist, die Entscheidung der
Verbraucher zu beeinflussen, weil die Verbraucher (Durchschnittsverbraucher)
die Unwahrheit oder die Täuschungseignung schnell/sofort als solche erkennen.
In der Praxis also scheidet die mögliche Fehlentscheidung aus. Gleichwohl wird
in Rechtsprechung und Literatur die Relevanz der Handlung als irreführend
bejaht. Denn die Kundenströme würden ohne die Handlung nicht umgeleitet werden
können, wegen der zu beurteilenden Handlung jedoch gleichwohl/nichtsdestotrotz.
Aus meiner Sicht ist dann § 5 zu verneinen und eher an § 4 Nr. 4 UWG mit der
Fallgruppe „Abfangen potentieller Kunden“ zu denken, weil hier ja vor der Schädigung
der Mitbewerber geschützt werden soll (so Rechtsprechung und Literatur) und § 5
nur den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer vor einer Irreführung
bewahren will.
Kann mit objektiv unrichtigen Angaben/Daten über Personen
oder politische Ereignisse irregeführt werden?
Nach „richtiger“ Auffassung nein, zumindest nicht im
Rahmen des § 5 UWG. Denn der Umstände-Katalog des § 5 Abs. 1 S.2 UWG ist
abschließend.
Gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusätzlich?
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich aus dem
„EU-Verfassungsrecht“ und EU-Primärrecht und gilt deshalb stets. Doch die
Vorschriften des UWG, soweit sie auf EU-Sekundärrecht (hier EU-Richtlinien)
beruhen, sind bereits gesetzgeberischer Ausdruck eben dieses
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Deshalb stellt der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein zusätzliches, ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des § 5 UWG dar. Sondern im Einzelfall kann der höherrangige
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu führen, dass der Anspruch des Klägers auf
Unterlassung wegen unlauterer Handlung nicht in vollem Umfang besteht, sondern
nur teils. Der Anspruch zielt dann nicht auf das Unterlassen der gerügten
Handlung, sondern auf eine Beschränkung der gerügten Handlung in nur diesem
einen Streitfall. Beispielsweise können die Grundrechte des
Betroffenen/Abgemahnten/Beklagten bedeuten, dass eine Begrenzung des
Unterlassungsanspruchs geboten ist.
Ein Beispielsfall ist die Einschränkung statt
Unterlassung (Komplettverbot) einer Unternehmensbezeichnung in bestimmten
Fällen. Auch die eine Irreführung ausschließenden Hinweise als Alternative zum
Handlungsverbot sind letztlich Ausdruck dieses Gedankens.
9. Irreführende Handlung durch Unterlassen
§ 5a Abs. 2 S. 1 UWG: " Unlauter
handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller
Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information
vorenthält, 1. die der Verbraucher je nach den Umständen
benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu
treffen, und 2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu
einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er
andernfalls nicht getroffen hätte."
Entweder ist § 5 (Irreführung durch ein Tun) oder ist §
5a UWG (Irreführung durch ein Unterlassen)
anwendbar. Beide Vorschriften können nicht parallel einschlägig sein. In dem
Ausnahmefall, in dem die Menschen/Empfänger einer Information/Aussage in dem
Nichtsagen eine erklärende Information sehen (weil das Nichtsagen Teil einer
Aussage/Mitteilung ist), kann ausnahmsweise das Nichtsagen als ein Sagen
interpretiert werden. Dann gilt für dieses der § 5 statt der § 5a UWG. In der
Praxis setzt dieser Ausnahmefall aber sicherlich stets voraus, dass der
Verbraucher nach etwas gezielt nachfragt und dann vom Unternehmer (z.B.
Händler) eine Aussage erhält, aus der aus der gelassenen Informationslücke der Inhalt
dieser Lücke leicht erkennbar ist, etwa dass die Information XY nicht existiert
(obwohl sie doch existiert und hätte mitgeteilt werden können). Der
Unternehmer/Befragte hätte das Missverständnis leicht ausräumen können. Ein
Unterlassen dagegen liegt vor, wenn der Verbraucher eine Schlussfolgerung
ziehen kann, aber nicht muss. Der Unternehmer/Befragte kann hier die
Schlussfolgerung des Verbrauchers nicht im Voraus erkennen. Oder so ähnlich
formuliert. Exakte sprachliche Begrifflichkeiten fehlen. Die
Abgrenzung/Gradwanderung gestaltet sich im Einzelfall durchaus schwierig. In
Zweifelsfällen sind beide Vorschriften zu beachten – § 5 und § 5a UWG.
Im Kern geht es bei § 5a UWG um die Frage, unter welchen
Voraussetzungen ein Schweigen oder Verschweigen bzw. ein Schweigen oder
Vorenthalten von Informationen oder Tatsachen unlauter, weil irreführend ist. §
5a Abs. 1 UWG schützt alle Marktteilnehmer und die Verbraucher – und zwar vor
dem Verschweigen. § 5a Abs. 2 bis Abs. 6 UWG schützt nur die Verbraucher – und
zwar vor dem Vorenthalten. Vorenthalten bedeutet das Nicht-Mitteilen von
Information trotz einer gesetzlichen Informations-/Mitteilungspflicht. Es geht
also um einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift. Diese Rechtsvorschrift
verpflichtet zu einem Tun. § 5a Abs. 2 bis Abs. 6 sanktioniert das Unterlassen,
d.h. den Rechtsbruch durch Schweigen. Die Vorschriften des § 5a UWG sind
gegenüber der des § 3a UWG (Rechtsbruch) die spezielleren, aber gegenüber
anderen unionsrechtlich vorgegebenen Vorschriften (z.B. Informationspflichten
nach dem Lebensmittelrecht wie die LMIV) die nachrangigen. Ist ein Unternehmer
zum Informieren (Sprechen) verpflichtet und unterlässt er dieses Sprechen, dann
nennt man einen solchen Fall auch „sprechendes Schweigen“. Hiervon abzugrenzen
sind die Fälle des sonstigen Schweigens (teils „echtes Schweigen“). Diese
können von § 5a Abs. 1 statt § 5a Abs. 2 ff. erfasst/umfasst sein.
Das Recht nach § 5a UWG geht von dem Menschenbild aus,
dass der Mensch in seiner Eigenschaft/Funktion des Verbrauchers (§ 2 Abs. 2 UWG
i.V.m. § 13 BGB) eine Entscheidung im Waren- oder Dienstleistungsverkehr
treffen dürfte, die er nicht treffen würde, wenn er alle Informationen erhält,
die er benötigt, um für seine geschäftliche Entscheidung eine informierte Entscheidung zu treffen.
Ein Unternehmer habe die benötigten Informationen dem Verbraucher von sich aus
oder – im Wege der Nachhilfe durch gesetzliche Verpflichtung – kraft Gesetzes
mitzuteilen. Der Mensch als Verbraucher sei auch dann schutzwürdig, wenn er
sich über bestimmte keine Gedanken macht. Böse ausgedrückt: auch dann, wenn der
Mensch zu gedankenlos, weil naiv oder blöde ist. Der immer noch existierende
Rechtsbegriff „Irreführung“ geht vom Menschen als angemessen verständigen,
informierten und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher aus. Klingt gut. Aber
dieser Durchschnittsverbraucher, so im Ergebnis die Befürchtung der
EU-Bürokraten, ist nicht gut genug gebildet und aufmerksam. Deshalb muss er
abgesichert werden mittels gesetzlich geregelter Aufklärungspflichten auf
Seiten der Unternehmer/Anbieter.
Die Folge dieses Verständnisses/Menschenbildes (nach Art. 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie der EU) ist eine
„Unsumme“ von Aufklärungs- und Informationspflichten. Man kann diese (fast) gar
nicht mehr alle aufzählen. Es sind zu viele. Die Vorschriften des Art. 7
UGP-Richtlinie sind mit dem § 5 Abs. 2 bis Abs. 6 UWG umgesetzt worden.
Was ist eine geschäftliche Entscheidung?
Eine geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG) sind
1. die Entscheidung, die Räumlichkeiten eines Geschäfts zu betreten, 2. die
Entscheidung, im Onlineshop auf eine Produktbestellseite zu klicken (jedenfalls
die Seite mit dem Bestellbutton), 3. die Entscheidung, das Produkt zu
beziehen/erwerben. Nicht: die Entscheidung, eine Website aufzusuchen.
a) § 5a Abs. 1 UWG (Marktteilnehmer-und Verbraucherschutz,
nicht auch Mitbewerberschutz)
Die Vorschrift nennt lediglich zu berücksichtigende
Umstände. Der handelnde Unternehmer muss einer Aufklärungspflicht unterliegen
(sonst ist ein „Verschweigen“ nicht möglich). Die Aufklärungspflicht besteht,
wenn der angesprochene Verkehr (Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer) eine
bestimmte Aufklärung erwartet und demzufolge auf diese bestimmte Information
angewiesen ist, welche/weil sie für die geschäftliche Entscheidung von
Bedeutung sein kann, und wenn der handelnde Unternehmer diese Information in
zumutbarer Weise erbringen kann/konnte (Rechtsprechung des BGH).
Die Aufklärungspflicht ist keine gesetzlich
vorgeschriebene. Sie bezieht sich auf Eigenschaften/Merkmale des Angebots der
Ware oder Dienstleistung. Je wichtiger die Information für den
Verbraucher/Marktteilnehmer, desto eher/stärker die Erwartung und die
Aufklärungspflicht. Bei Lichte betrachtet, geht es um ein Behaupten einer
Aufklärungspflicht seitens des Rechtsanwenders. Es besteht für diesen die
Möglichkeit, Aufklärungspflichten hineinzuinterpretieren, zu erfinden. Deshalb
geht es im Kern um eine Interessenabwägung
(Abwägung der Interessen beider Vertragspartner) und die Offenbarung des Menschenbildes, welche der
Rechtsanwender (insb. Richter) hat. Ein naiver Bürger, der vom Richter als
Durchschnittsvertrauter eingestuft wird, muss selbstverständlich diese oder
jene Information auch erhalten! Der böse Unternehmer…! Wird das geistige Niveau
des Durchschnittsverbrauchers höher angesetzt, heißt es: keine
Aufklärungspflicht, weil selbst dran schuld, nicht nachgefragt zu haben…
Die Begründung freilich muss mit den Worten des § 5 Abs.
1 UWG versucht und unternommen werden – und überzeugen. Also: die „Bedeutung“
der verschwiegenen/fehlenden Information… (objektiver Bestandteil). Und die
„Eignung“ des Fehlens/Verschweigens zur Entscheidungsbeeinflussung…
(subjektiver/unterstellter Bestandteil der Gerichtsentscheidung).
Es haben sich Fallgruppen
gebildet: 1. Aufklärungspflicht ja bzgl. der Eigenschaft des
Kommunikationszwecks als kommerziell/gewerblich (der Unternehmer muss
mitteilen, dass er Geld verdienen und nicht etwa eine
Freundschaftsleistung/Schenkung erbringen möchte), 2. Aufklärungspflicht ja
bzgl. der vom Marktüblichen abweichenden Konditionen (Beispiel: die angebotene
Dienstleistung kann nur Verwendung bestimmter Mittel/Zubehörteile
abgerufen/genutzt werden), Aufklärungspflicht ja bzgl. fehlender
Rechte/Garantien (Beispiele: bestimmte Markenrechte oder Nutzungsrechte
[Beispiel: Software] oder Herstellergarantien fehlen dem angepriesenen Produkt),
4. Aufklärungspflicht ja bzgl. Eigenschaft des Produkts als „Auslaufmodell“,
sofern dieses relativ teuer ist [Beispiel: Kfz]) oder als „nur ausnahmsweise
verkehrsfähig“ [Beispiel: bestimmte Waffen oder Chemikalien], 5.
Aufklärungspflicht ja bzgl. Ablauf der Mindesthaltbarkeitsfrist von
Nahrungsmitteln, 6. Aufklärungspflicht ja bzgl. gesundheitlicher Risiken bei
der Einnahme/Handhabung des/mit Produkt. Zudem sonstige Fälle (stets
Einzelfallprüfung).
b) § 5a Abs. 2 UWG (Verbraucherschutz)
Es muss eine Information vorenthalten worden sein, und
diese Information muss eine aus Sicht des Verbrauchers wesentliche sein. Zudem muss
das Vorenthalten der wesentlichen Information für die Geschäftsentscheidung
relevant sein.
Information ist jede Tatsache, welche nachweisbar
ist (Frage der Beweisbarkeit). Die Tatsache ist eine wesentliche, wenn sie aus Sicht beider (tatsächlichen oder möglichen)
Vertragspartner ein erhebliches Gewicht hat. Was erheblich ist, ist in Bezug
auf den Einzelfall zu beurteilen. Zudem muss die Informationen als eine
mitzuteilende erwartet werden. Auch dies ist in Bezug auf den Einzelfall zu
beurteilen. Nicht jede Information ist erheblich. Im zu beurteilenden Fallkommt
es darauf an, festzustellen, welche Informationen noch nicht (weil unerheblich
am unteren Ende der Skala) und welche nicht mehr mitzuteilen sind (weil
unerheblich am oberen Ende der Skala). All dies ist aus Sicht des
durchschnittlich informierten Verbrauchers zu bestimmen, und zwar danach, ob
die Information für die Geschäftsentscheidung/Kaufentscheidung relevant ist
(benötigt wird). Um welche Art und welchen Inhalt diese Information hat, ist
egal.
Kriterien für die Beurteilung des Benötigtwerdens der
Information sind z.B. die Höhe des Entgelts/Preises, die Zeitspanne bis zum
Vertragsschluss, die Frage, ob das Vertragsangebot nur noch angenommen werden
muss oder noch durchdiskutiert werden muss. Weiterhin, ob das Vertragsgeschäft
ein standardisiertes oder übliches ist oder nicht. Auch das Bildungsniveau
desangesprochenen Kundenkreises kann von Bedeutung sein.
Die Information wird vorenthalten,
wenn sie vom Unternehmer beschafft werden kann und in seinen Einflussbereich
fällt sowie der Unternehmer die Information dem Verbraucher nicht (§ 5a Abs. 2
S. 1 UWG) oder nicht klar, vollständig, verständlich, rechtzeitig mitgeteilt hat
(§ 5a Abs. 2 S. 2 UWG). Bei der Frage nach der Vollständigkeit im Sinne der
Detail-Anzahl (Umfang der Informationen) ist auch das Medium (wie Fernsehen
oder Tageszeitung) zu berücksichtigen (§ 5a Abs. 5 UWG). In Werbe-Anzeigen oder
Werbe-Internet-Fenster kann der erforderliche Umfang eingeschränkt sein. Die
mitzuteilenden Informationen müssen dann nicht dort, wohl aber auf der Website
bzw. im Ladengeschäft mitgeteilt werden. In aller Regel können auf einer
Homepage oder im Teleshopping-Kanal alle nötigen Informationen untergebracht
werden. In Fernseh-Spots oder Tageszeitungen hingegen ist dies nicht der Fall.
Welche Beschränkungen bezüglich des Vorenthaltens gibt es
nach § 5a UWG, insbesondere im Internet in Onlineshops?
§ 5a Abs. 5 UWG ist die sog. Medienklausel gleich
Kommunikationsmittelklausel im UWG. Zu fragen ist, ob der handelnde Unternehmer
eine Darstellung der benötigten Informationen in verkürzter Weise gegeben hat
und diese Verkürzung ausgerechnet auf dem gewählten Medium(z.B. Fernsehen,
Homepage) zurückzuführen ist und ob der Unternehmer ausreichende Maßnahmen
getroffen hat, um eben diese Verkürzung der Darstellung auszugleichen (insgesamt
drei Prüfschritte).
Parallel zu § 5a UWG ist jedoch auch noch das EU-Recht
über den Fernabsatz zu beachten, etwa die §§ 312 ff. BGB mit § 312i, § 312j BGB
i.V.m. Art. 246a und Art. 246c EGBGB. Diese Vorschriften sind teils strenger
als die Vorgaben und Erleichterungen gemäß § 5a Abs.2, Abs. 5UWG. Es muss
folglich die Rechtslage, welche als Kombination beider Rechtsmaterien besteht,
verstanden und zwischen etwaigen Differenzen ein Einklang hergestellt werden.
Zu speziell § 5a Abs. 5 UWG:
Im Internet gibt es (fast) keine Einschränkungen des
Vorenthaltens i.S.d. § 5 Abs. 2. Einschränkungen kann es dort nur technisch
bedingte geben. Insbesondere lassen sich nicht alle benötigten Informationen
auf derselben Unterseite einer Homepage zeigen. Jede Website ist
räumlich-technisch begrenzt. Die Verkürzung der Darstellung ist dann durch
Hyperlinks auszugleichen.
Durch klare Hinweise und klare Links auf der Startseite
und allen weiteren Unterseiten kann der Verbraucher letztendlich (wohl) immer
umfassend informiert werden. Beispiele von Ausnahmen sind m.E. heute nicht
ersichtlich. Fehlende Informationen können und müssten per Hyperlink zugänglich
gemacht werden.
Bei alledem allerdings darf erstens die Verlinkungskette
nicht „unendlich“ sein. Sondern zwei, drei, vier Links dürften die maximale
Weite der Verlinkungs-Erreichbarkeitsgrenze sein (Wertungsfrage). Bei Informationen
auf einer Produktangebotsseite mit Bestelloption reichen wohl maximal zwei
weitere Links auch. Auf anderen Seiten können drei oder vier Links – je nach
Struktur der Website – genügen, um alle wesentlichen
Informationen bereitzuhalten. Es geht nur um die Präsentation der wesentlichen
Informationen, nicht auch der unwesentlichen. Der Kreis der Informationen,
welche nicht vorenthalten werden dürfen, also ist zahlenmäßig begrenzt.
Zweitens muss der Unternehmer innerhalb der wesentlichen
Informationen zwischen den besonders wichtigen und den weniger wichtigen
Informationen unterscheiden. Die besonders wichtigen sind auf der Startseite
der Homepage oder auf der Startseite der Produktseite zu platzieren. Nur die
weniger wichtigen wesentlichen Informationen dürfen auf verlinkten Unterseiten
angeordnet werden.
In einer Internet-Werbung wie eingeblendete Fenster mit
Texten oder Videoclips muss ggf. ein Hinweis auf die Existenz weitere
Informationen auf der Website XY gegeben werden. Fehlt ein solcher Hinweis in
der geschalteten Werbung, würde der Unternehmer gegen § 5a Abs. 2, Abs. 5 UWG
verstoßen.
Im Internet gibt es zumeist nur räumlich-technische
Begrenzungen. In Fernsehspots oder Radiospots besteht eine zeitlich-technische
Grenze. Es können rein praktisch nicht alle Informationen dort gesagt werden.
Sonst wäre ein Spot im Worst case stundenlang. In Printmedien wie Flyer,
Prospekt oder Postkarte gibt es keine zeitliche Begrenzung. Denn dort gibt es
keine zeitliche Länge des Werbebeitrags. Sondern nur eine räumliche i.S.v.
Platzgründen auf dem Format in der Größe von z.B. DIN A4.
Zu speziell den Vorschriften über den Fernabsatz im
Rahmen des § 5a Abs. 5 UWG:
Die nach dem Fernabsatzrecht wesentlichen Informationen
haben höchste Priorität. Sie müssen deshalb allesamt möglichst auf demselben
Medium(z.B. Internet-Homepage oder Fernseh-Werbespot) gegeben werden. Reicht
der Umfang eines gewählten Mediums nicht aus, um all diese wesentlichen
Informationen zu geben, bleibt nichts anderes übrig, als das Medium zu wechseln
und die nicht mehr platzierbaren Informationen woanders zu geben. Dieser Fall
von sog. Medienbruch scheidet im Internet, auf Homepages, aus. Denn dort ist
der räumliche Umfang unbegrenzt. Allerdings kommt die Notwendigkeit, einen
Medienbruch zu veranstalten, bei Fernsehwerbespots (hier Teleshopping) in
Betracht (Teleshopping ist eine Art und Weise des Fernabsatzes). Die Frage,
welche nun verbleibt, ist die Frage nach der Grenzziehung auf der (hier)
Teleshopping-Fernabsatz-Seite/Bild. In der Rechtsprechung (BGH) wird als
grundsätzliche Grenze eine Quote von 20 % Bildfläche vorgeschlagen bzw.
behauptet: alles, was auf 20 % Bildfläche passt, muss an Informationengegeben
werden. Die übrigen Informationen (nicht 80 %, weil 80 % sich auf die
Fernseh-Bildseite beziehen) können dann auf einer Textnachrichtenseite oder
einer Webseite stehen, auf welche hingewiesen werden muss.
Diese Wertung bzgl. des Fernabsatzes ist in den § 5a Abs.
5 UWG hineinzulesen, damit ein einheitliches Rechtslagebild geschaffen werden
kann.
Was genau ist mit der Beschränktheit i.S.d. Vorenthaltens
gemeint?
Dem Unternehmer muss es „unmöglich“ sein, die
wesentlichen Informationen am ursprünglich gewählten Ort (z.B.
Produktangebotsseite im Onlineshop) bzw. im ursprünglich gewählten Medium (z.B.
Teleshopping-Clip) zu geben. Gefragt werden muss nach der Unmöglichkeit der
Informationsgebung im Sinne einer Interessenabwägung. Denn theoretisch ist
alles machbar. Doch so weit geht das UWG nicht. Das UWG will den Wettbewerb ja
nicht abwürgen, sondern fördern. Also kommt es auch auf
Praktikabilitätsgesichtspunkte an. Der Verbraucher braucht nicht alle
wesentlichen Informationen auf der z.B. Teleshopping-Seite. Letztendlich stellt
sich auch hier die Frage nach dem Menschenbild. Was und wie viel ist von
Unternehmern praktisch und von Verbrauchern geistig zu verlangen?
Rechtsfolge der Beschränkung der Informationen gemäß § 5a
Abs. 5 UWG (ggf. i.V.m. Fernabsatz):
Diejenigen Informationen, die nicht auf der vordersten
Seite oder in dem räumlich oder zeitlich begrenzten Medium gegeben werden
können, müssen stattdessen auf einer Unterseite (im Internet) oder in
einemanderen Medium (heute zumeist Internet-Homepage oder Werbeprospekt)
gegeben werden. Also nicht gar nicht, sondern woanders und dort vollständig. Und
zudem zumutbar. Zumutbarkeit meint das zumutbare Erreichen/Auffinden der an
anderer Stelle gegebenen Informationen. Dabei hat der Unternehmer auch zu
berücksichtigen, dass nicht jeder über eine „exotische“ IT-Technikoder
Fernseh-Empfangstechnik verfügt. Abzustellen ist auch hier wieder auf den
Durchschnittsverbraucher.
Welche der vielen Informationen sind wesentliche?
Informationen, die nach dem EU-Recht ausdrücklich oder
gleichsam ausdrücklich nicht gegeben
werden müssen, sind nicht wesentliche i.S.d. § 5a UWG.
Welche Informationen hingegen wesentliche sin, wird –
zusätzlich zur Beurteilung nach § 5a Abs. 1 – in § 5a Abs. 3, Abs.4 UWG
fingiert („gelten als“). § 5a Abs. 3
stellt die Rechtsbestimmung auf, dass die in den Nr. 1 bis Nr. 5 genannten
Umstände stets wesentliche Umstände/Informationen sind (Fiktion).
Das Anbieten der Waren oder Dienstleistungen ist die Aufforderung zum Kauf einschließlich
des Anbietens des Produkts im Wege der Werbung.
Das Anbieten ist nicht auf den Abschluss eines Kaufvertrags beschränkt, sondern
umfasst alle Vertragstypen. Es beginnt mit dem Zeitpunkt des
Zur-Verfügung-Stellens aller Informationen für den Vertragsabschluss. Die
Möglichkeit des Erwerbs muss noch nicht gegeben sein; andernfalls wäre die
Werbung nicht zwingend inbegriffen. Dies aber soll sie sein. Denn der
Verbraucher soll vorbeugend geschützt werden. Klassische Werbung auf
Litfaßsäulen oder in Fernsehspots ist umfasst. Ebenso die Prospektwerbung und
die Anpreisungen im Internet.
Der Katalog in § 5a Abs. 3 UWG ist insoweit abschließend.
Genannt sind die Umstände/Informationen „1. alle
wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem
verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang;
2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die
Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt;
3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der
Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden
kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen
Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht
im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten
anfallen können;
4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang
mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der unternehmerischen Sorgfalt
abweichen, und
5. das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf.“
Die meisten Informationen müssen – im Onlineshop – räumlich/zeitlich
vor dem Anklicken/Verschieben der
Ware in den Warenkorb ersichtlich gemacht worden sein.
§ 5a Abs. 4 stellt ebenfalls die Rechtsbestimmung
auf, dass die im übrigen EU-Recht
bestimmten Informationspflichten als Pflichten bezüglich wesentlicher
Umstände/Informationen gelten (Fiktion). Gemeint sind nur diejenigen
Informationen, die dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen gemäß EU-Vorschrift.
In den dieser Vorschrift zugrunde liegenden EU-Vorschriften (inzwischen
EU-Richtlinien im Update) ist ein „Anhang II“ genannt und angefügt. In diesem
sind zahlreiche Vorschriften in nicht abschließender Aufzählung genannt. Auf
den dort genannten (sonstigen) Richtlinien beruhen beispielsweis…
… die §§ 312 ff. BGB mit § 312i, § 312j BGB i.V.m. Art.
246a und Art. 246c EGBGB betreffend den Fernabsatz,
… der § 2 Preisangabenverordnung betreffend Preise je
Maßeinheit,
… die §§ 5, 6 TMG betreffend den elektronischen
Geschäftsverkehr (im Internet),
… der § 651d BGB i.V.m. Art. 250, Art. 251 EGBGB
betreffend die Pauschalreisen,
… der § 482 BGB betreffend Prospekte über
Teilzeit-Wohnrechte-Verträge,
… der § 6a Preisangabenverordnung betreffend Kredite und Kreditvermittlungen,
…den Vorschriften des HWG (Heilmittel-Werbegesetz bzgl.
Humanarzneimittel),
… der § 59 VVG i.V.m. VVG-InfoV betreffend
Versicherungsverträge,
… die Vorschriften der LMIV betreffend
Lebensmittelkennzeichnungen,
… die §§ 40 ff. EnWG betreffend Informationen über
Energieverbrauch i.S.d. EnWG,
… und viele andere mehr.
In einigen Fällen besteht hier die Rechtsfrage, ob § 5a
Abs. 2, Abs. 4 UWG anwendbar ist oder stattdessen § 3a UWG. Für den Betroffenen
ist diese Rechtsfrage ohne Bedeutung.
Entfällt die Wesentlichkeit bei fehlender Relevanz?
Ja. Die Relevanzhürde ist ein eigenständiges
Tatbestandsmerkmal. Der Verbraucher muss nicht informiert werden, wenn er
ohnehin dieselbe Entscheidung getroffen haben würde (§ 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 2
UWG). Den handelnden Unternehmer trifft die Beweislast für das Entfallen.
Unlauteres Verschleiern des kommerziellen Zwecks:
Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer „den
kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern
sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das
Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen
Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Es sind
vier Voraussetzungen erforderlich: unzureichendes Kenntlichmachen, das
Sich-nicht-aus-den-Umständen-Ergeben und die Eignung zum Bewirken einer Fehlentscheidung,
zudem diese Handlung (auch) gegenüber einem Verbraucher (Geschäftsleute können nur über § 3a UWG geschützt
sein). Die Vorschrift fragt nach dem Grund des Informierens bzw.
Nicht-Informierens. Die anderen Absätze des § 5a UWG dagegen fragen nach dem Ja
(ob) und Wie (wo und wann) der Informationen.
Die Handlung gehört zum Oberbegriff des Vorenthaltens einer
wesentlichen Information. Mit ihr wird über den werblichen Charakter dieser
Handlung getäuscht. Häufig geht es um Werbung von Menschen bezüglich der
Produkte anderer. Denn den Worten unbeteiligter oder nicht finanziell
involvierter Personen wird häufig mehr geglaubt als den Aussagen des
Unternehmens, welches das Produkt anbietet. Stichworte sind die Schleichwerbung einerseits und die Tätigkeit
als Influencer andererseits.
Grundlage im EU-Recht ist Art. 7 Abs. 2 letzte Fallvariante der UGP-Richtlinie
= Richtlinie 2005/29/EG, größtenteils in 2008 umgesetzt, zuletzt noch in 2015.
Die Vorschrift wird umgesetzt durch § 5a Abs. 6 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3
UWG. Zusätzlich prüfen sollte man in derartigen Fällen auch § 3 Abs. 3 UWG
i.V.m. Anhang Nr. 11, Nr. 22, Nr. 23. Ebenso § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG. Diese
Vorschrift hat dann, wenn die Rechtslage nach § 6 TMG und nach § 5a UWG eine
unterschiedliche ist, Vorrang. Weiterhin können einschlägig sein: § 8 komplett
und mit Abs. 7 S. 1 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Mediendienste-Staatsvertrag
(MDStV), und die § 3 S. 2 Nr. 2 Buchstabe c oder § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9
Heilmittelwerbegesetz (HWG). All diese Vorschriften betreffen die erste der
drei Voraussetzungen: das unzureichende Kenntlichmachen.
Die geschäftliche Handlung bezieht sich auf den
Vertragsschluss und die Werbung. Nicht umfasst sind sonstige geschäftliche
Handlungen wie redaktionell gefasste Pressemitteilungen und
Unternehmensdatenberichte.
Die Handlung muss einem (auch) kommerziellen Zweck
dienen. Dies ist der Fall, wenn der Bezug oder der Absatz bestimmter Produkte
gefördert werden soll. Bedeutsame Beispiele sind das Bewerben von Aktien oder
anderen Wertpapieren oder sonstigen Produkten in redaktionellen Beiträgen des
Journalismus (Wirtschaftsjournalismus mit getarnter Werbung) sowie die Werbung
von Influencern (Wirtschafts-Videoclips).
Der Influencer
verfolgt einen kommerziellen Zweck; er verdient mit seinen Auftritten
Werbegelder anderer Personen wegen deren Produkte-Absatz. Indizien zur
„Überführung“ eines Influencers sind Links als Produktmarkierung (product tag; Link zu Onlineshop oder
Produktseite oder Account eines Unternehmens), ein gewerblicher Account, eine
Rabatt-Gutschrift, eine reklamehafte Anpreisung der Produkte eines (eigenen
oder fremden) Unternehmens (vgl. Texte in Verkaufsprospekten), die Verwendung
der Werbeslogans der beworbenen/anderen Unternehmen, das Übernehmen von langen
Texten aus Pressemitteilungen des beworbenen/anderen Unternehmens, eine
Produktkaufempfehlung, das Geben/Suggerieren des Anscheins einer umfangreichen
Produkttestreihe und deren angeblich/vermeintlich recht vollständige
Berichterstattung (Tests, Rankings, Bestenlisten), redaktionell aufgemachte
Werbeanzeigen ohne den Hinweis „Anzeige“, …
Bei Influencern
ist abzugrenzen zwischen einer kommerziellen Mitteilung/Information und einer
privaten Meinung. Die Anzahl der Follower
kann weder Indiz für diese noch für jene sein. Ein Follower signalisiert bloß
Zustimmung. Auch Post mit einem product
tag kann als redaktioneller Hinweis für die private Leserschaft gewertet
werden. Eine klare und schematische Abgrenzung ist nicht möglich. Den
Influencer trifft ggf. die sog. sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür,
dass er keinen kommerziellen Zweck
verfolgt. Im Einzelfall schwierig…
Der Handelnde handelt und unterlässt. Die Zuordnung der
Tat unter den § 5a statt den § 5 UWG ist eine schwerpunktartige. Dem Handelnden
wird das Verheimlichen des Zwecks vorgeworfen. Mehr als das etwaige Vertuschen
oder das Irritieren.
Unzureichende Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks: Ob
der kommerzielle Zweck verschwiegen worden ist, kann zum einen nur anhand der
Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Zum anderen ist auch hier all dies
aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu entscheiden. Der
Durchschnittsverbraucher ist der ahnungslose, alles nicht oder unkritisch
hinterfragende Verbraucher, nicht der Verbraucher, der nicht aufmerksam und
verständig ist. Auch hier also taucht die Bedeutung des Menschenbildes wieder auf, welche von der Rechtsprechung den
Menschen ggf. unterstellt wird. Wie blöd oder naiv darf ein Bürger sein, ohne
vor allem und jedem gewarnt und informiert werden zu müssen? Die Antwort wirkt
sich auf das Minimum aus, welches der Unternehmer zu erbringen hat.
Beim Durchschnittsverbraucher ist auch hier zu
unterscheiden zwischen Erwachsenen und Kindern als Zielgruppe, zwischen
„gesunden“ Menschen und Menschen in Notlagen oder im hohen Alter.
Eignung zum Bewirken einer Fehlentscheidung: Beispiele
für die Geeignetheit sind 1. Product
tags, 2. Kinder und Jugendliche als Adressatenkreis (vgl. § 8 Abs. 7 S. 2
Mediendienste-Staatsvertrag), 3. Werbung mit Ängsten oder Gesundheitsrisiken
(spricht ältere Menschen besonders an). Je nach Menschenbild oder auch
Realitätswissen des Durchschnittsverbrauchers kann es sein, dass die Eignung
verneint werden muss, weil der Durchschnittsverbraucher weiß, dass es sich bei
der Mitteilung (Film o.a.) um bezahlte Werbung handelt. Insbesondere im
Internet gibt es zig Videos und Websites und Games, welche kostenfrei zum
Download angeboten werden. Alles unentgeltlich und ohne Werbung, kommerziellen
Zweck? Abzugrenzen sind hier evtl. der kommerzielle Zweck und der Ausspäh-Zweck
(IT-Sicherheit). Letzteres ist zumeist aber wiederum ein mittelbar kommerzieller
Zweck (im Bereich Wirtschaft statt reine Politik).
Wer für Werbung ein Entgelt erhält und dies nicht
kenntlich macht i.S.d. § 5a UWG erfüllt zugleich die Nr. 11 des Anhangs zu § 3
Abs. 3 UWG. Es gibt aber auch Schleichwerbung
(mit z.B. Produkt-Placement) ohne Gegenleistung in Form eines Entgelts oder gar
ohne überhaupt eine Gegenleistung (quasi freundschaftliche
Gefälligkeitsleistung eines Journalisten). Schwierig ist der Nachweis der
Werbeabsicht in/mit Fernsehbeiträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 Mediendienste-Staatsvertrag
und Fernseh-Werberichtlinie der Landesmedienanstalten; zusätzlich § 8
Mediendienste-Staatsvertrag) oder in Kinofilmen. Im Fernsehen muss das Sponsoring offengelegt werden (vgl. §
10 Mediendienste-Staatsvertrag). Dieses kann sich auf die gesamte
Fernsehsendung oder auf Teile dieser beziehen (Aussage-Sponsoring durch
Drehbuch-Text-Beeinflussung oder das Produkt-Placement o.a. durch z.B.
Sach-Sponsoring).
§ 5 Abs. 6 UWG und § 3a UWG sind häufig parallel
anwendbar und einschlägig.
Im Internet:
Kostenfreie Spiele und App-Angebote
erhalten viel bezahlte/kommerzielle Werbung. Vorschriften sind § 6 Abs. 1 Nr. 1
TMG und z.B. §§ 22, 74, 98 Mediendienste-Staatsvertrag. Verschleierung ggf.
(d.h. bei fehlendem Hinweis) ja: Keyword-Advertising, Fake-Kundenbewertungen,
„objektiv“ erscheinende Website eines Arztes, der in Wahrheit nur/hauptsächlich
ein bestimmtes Produkt (Arznei) verkaufen will (weil dem
Durchschnittsverbraucher ein wissenschaftlicher/objektiver Online-Ratgeber vorgetäuscht
wird). Keine Verschleierung grundsätzlich: Werbebanner
(weil der Durchschnittsverbraucher diese als Werbung erkennt), Hyperlinks und Newsletter und E-Mail und Blog oder Social Media oder Kundenbewertungen z.B. pro Hotels oder Restaurants (nicht per se
ein Mittel für kommerzielle Zwecke; im Einzelfall aber klar ja).
Wer ist der richtige Beklagte?
Verschleiert ein Influencer,
sind sowohl der Influencer (§ 8 Abs. 1 UWG) als auch das die Werbung bezahlende
Unternehmen (§ 8 Abs. 2 UWG) verantwortlich. Verschleiern Presse- oder Rundfunkunternehmen, kommt es zunächst darauf an, ob
das Presse-/Rundfunkunternehmen (grundsätzlich ja) für die Fehlinformation
verantwortlich ist. Nur ausnahmsweise kann zusätzlich der Informant/Lieferant
zusätzlich in Anspruch genommen (teils nach anderen Vorschriften; nicht über §
8 Abs. 2 UWG).
Der § 5a UWG ändert sich mit Wirkung ab 28. Mai 2022.
Dann wird es auch die §§ 5b, 5c UWG geben.
10. Vergleichende Werbung
§ 8 Absatz 1 Satz 1 UWG
lautet: "Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige
geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden." Und § 3 Absatz 1 UWG: "Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig."
§ 6 Absatz 1 UWG schließlich: "Vergleichende Werbung ist
jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die
von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar
macht" (§ 6 Abs. 1 UWG).
§ 6 Abs. 2 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,
2. nicht
objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und
typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder
Dienstleistungen bezogen ist,
3. im
geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem
Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen
Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen
führt,
4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,
5. die
Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder
geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder
verunglimpft oder
6. eine
Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter
einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung
darstellt."
Was ist Werbung?
Werbung
ist jede Äußerung (hier im Rahmen einer
Unternehmenstätigkeit) mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder das
Erbringen von Dienstleistungen zu fördern. Jede Visitenarte und
jeder Homepage-Auftritt eines Unternehmens sind Werbung. Auch eine
Äußerung, die nur die Ware oder Dienstleistung eines
anderen, konkurrierenden Unternehmens negativ darstellt, sei Werbung.
Denn auch diese negative Äußerung könne den Absatz
eigener Waren oder das Erbringen eigener Dienstleistungen fördern.
Diese weite Auslegung des Begriffs Werbung führt dazu, dass
praktisch jede unternehmerische Äußerung, sofern sie denn
die Räumlichkeiten des Unternehmens (ohne Einbeziehung von
Verkaufs- oder Repräsentationsflächen) verlässt (=
absatzfördernde Werbung), als Werbung gilt und nur privat oder
staatlich veranlasste Äußerungen keine Werbung seien.
Für Unternehmen bedeutet dies ein nicht unerhebliches Risiko,
etwas „Falsches“ zu sagen.
Unternehmen,
die die Ware oder Dienstleistung eines anderen Unternehmens nachfragen,
seien nach einer Rechtsauffassung nicht in der Position, eine Werbung
abzugeben, welche eine vergleichende ist. Nach anderer Auffassung
hingegen sind diese Nachfrager inbegriffen. Im Ergebnis dürfte das
Resultat dasselbe sein – allerdings nicht im Wege der Auslegung
des § 6 UWG, sondern vielmehr über die Definition der
geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG:
„zugunsten eines fremden Unternehmens“. Fazit: Jedes
Unternehmen kann eine Werbung (nämlich für sich oder andere)
abgeben. Die Marktwirtschaft in Deutschland ist, bezogen auf die
Äußerungen, nicht schön „frei“, sondern
doch recht deutlich „kontrolliert“.
Gehört die individuelle Verkaufsberatung zum Begriff der Werbung?
Ja.
Werbung ist jede Äußerung, die…(s. zuvor). Also auch
Gespräche über sich oder Dritte sind inbegriffen.
Was ist ein Vergleich?
„Vergleich“
meint, dass Angaben über das Angebot des
Äußernden/Vergleichenden gemacht werden und dass Angaben
über das Angebot des Betroffenen/Verglichenen gemacht werden und
dass Angaben über das Verhältnis (besser/schlechter) beider
Angebote gemacht werden. Es muss ein Komparativ angestellt werden
können.
Ein
Vergleich setzt das Vergleichen von Waren/Dienstleistungen voraus (die
eine von zwei Rechtsauffassungen). Dies ergibt sich aus der
Wortbedeutung des Wortes Vergleich. Nach anderer Auffassung gibt es
auch Vergleiche „ohne Vergleiche“, d.h.
Äußerungen in Bezug auf das konkurrierende Unternehmen ohne
Bezugnahme auf dessen Produkte. Die Frage heißt, ob in einem
Vergleich i.S.d. § 6 UWG Waren/Dienstleistungen
gegenübergestellt werden müssen. Der BGH schwankt hin und
her. Der EuGH hat die Rechtsfrage bisher nicht entschieden. Sinnvoll
wäre eine Vorlagefrage an den EuGH. Die EU-Richtlinien und der
Wortlaut des § 6 Abs. 1 UWG sind in beiderlei Richtung auslegbar.
Nach
richtiger Auffassung muss der Vergleich – in den § 6 Abs. 2
Nr. 1 UWG und in § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG – einen Vergleich der
Produkte voraussetzen. Denn andernfalls handelt es sich bloß um
eine Kritik (z.B. Herabsetzung) an einem Unternehmen (z.B. Herabsetzung
der Unternehmensehre eines anderen Unternehmens). Wer nur das
Unternehmen kritisiert, ohne auf dessen Produkte einzugehen, vergleicht
nicht, sondern kritisiert. Beispiele: Der andere hat andere
Ladenöffnungszeiten. Oder: Der andere (Arzt) bietet nur die
Leistungen X und Y und nicht auch Z. Oder der andere (Hersteller) hat
ein kleineres Händlernetz.
Nicht
jede Werbung, die einen Konkurrenten identifizierbar macht,
enthält auch Kritikpunkte bzgl. der Produkte des kritisierten
Unternehmens. Allerdings erstreckt § 6 Abs. 1 UWG den
Anwendungsbereich des § 6 UWG – nach dem klaren Wortlaut
– auf Vergleiche zwischen Mitbewerbern statt Produkten
(Wortlaut). Deshalb muss die Einschränkung des
Vergleichsgegenstands/-inhalts auf die Produkt- statt allgemein
Unternehmensvergleiche im § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG und im § 6
Abs. 2 Nr. 2 UWG vorgenommen werden kraft einschränkender
Gesetzestextauslegung. Andernfalls entstünde das zuvor abgelehnte
Ergebnis, dass jede (auch inhaltliche gerechtfertigte) Kritik an einem
Unternehmen unzulässig wäre, sofern nicht die weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 UWG erfüllt sind,
und wären die Anwendungsergebnisse nicht gerecht (so die auch hier
vertretene Rechtsauffassung – im Ergebnis in der Fachwelt
umstritten).
Also:
Werbung ist jede Äußerung, ein Vergleich setzt einen
Vergleich zwischen Unternehmen oder deren Produkten voraus (§ 6
Abs. 1). Bei § 6 Abs. 2 UWG muss die vergleichslose Produktwerbung
(d.h. reine Unternehmensangaben/-kritik) ausgeschieden werden.
Was ist vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG?
Werbung
ist eine vergleichende, wenn sie einen Mitbewerber oder die
Waren/Dienstleistungen eines Mitbewerbers erkennbar macht – egal,
ob unmittelbar oder mittelbar (§ 6 Abs. 1 UWG).
„Unmittelbar“
bedeutet, dass der betroffene Mitbewerber identifizierend benannt oder
beschrieben ist. „Mittelbar“ meint, dass der Betroffene
aufgrund von Umständen (ggf. mühselig) ermittelt und
identifiziert werden kann. Der Betroffene ist dann ein
„konkreter“. Die Identifizierbarkeit gelingt nicht mehr,
wenn eine ganze Gruppe von Betroffenen (ein
„abstrakter“/kollektiver/pauschaler Kreis von Unternehmen)
existiert. Ausnahme: eine sehr kleine Gruppe oder gar – bei
großen Konkurrenten die Coca Cola und Pepsi Cola – ein
anderer. Angaben, die keinen bestimmten Betroffenen oder aber eine zu
große Anzahl von Konkurrenten meinen, scheiden aus. Nach dem
Wortlaut des § 6 Abs. 1 UWG muss die Werbung „einen“
Mitbewerber oder dessen Produkte erkennbar machen. „Alle“
Mitbewerber als Bezugsgruppe reichen nicht aus. Bezieht sich eine
Werbung klar auf alle anderen Mitbewerber, weil „ich bin der
größte usw.“, dann fehlt es an einem Vergleich im
Sinne des § 6 UWG.
Es
kommt nicht darauf an, dass auch das eigene Unternehmen als das die
Werbung erklärende Unternehmen erkennbar wird. Allerdings muss die
Beziehung, das Verhältnis erkennbar beschrieben/umschrieben sein.
Wie wird der Vergleich bewiesen?
Ermittelt
werden müssen Anhaltspunkte/Gegebenheiten wie 1. die Anzahl der
Konkurrenten überhaupt, 2. Der örtliche Bezug/Radius der
Konkurrenten, 3. der zeitliche Bezug/Zusammenhang mit Konkurrenten, 4.
besondere Merkmale eines anderen Produkts.
Gehört die Eigenwerbung bzgl. der Preisnachlässe dazu??
Nein.
Die Angabe „Preis vorher: …; Preis jetzt…“
ist eine schlichte Preisreduzierung, evtl. ein Rabatt. Mit anderen
Unternehmen hat dies nichts zu tun. Anders – umstritten –
sieht es der Angabe „Preis unter der UVP des Herstellers“
aus. Vergleicht sich der Äußernde indirekt mit anderen
Unternehmen, nämlich denjenigen, die die Preise nach der
unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) festlegen? Es darf gestritten
werden…
Gehört
die Äußerung, die aufgrund eines Auskunftsverlangens des
Kunden (Zwischenkunden oder Endkunden) abgegeben wurde, zum Begriff der
Werbung, sofern sie im persönlichen Gespräch fällt und
nicht in der Öffentlichkeit abgegeben wird?
Nach der ersten
Rechtsauffassung ja. Sie ist dann, sofern sie nicht die Definition
gemäß § 6 Abs. 1 UWG erfüllt, auch automatisch
unlauter, weil § 6 Abs. 1 UWG einen ungeschriebenen
Verbotstatbestand (kraft Umkehrschlusses) enthalte. Zur Verneinung der
Unlauterkeit gelangt man, indem man behauptet, der EU-Gesetzgeber habe
die im persönlichen Verkaufsgespräch stattfindenden
Auskünfte nicht mit einbeziehen wollen, jedoch dies bei der
Definition von Werbung übersehen. Nötig und möglich sei
die sog. teleologische Reduktion.
Nach der zweiten
Rechtsauffassung ja. Sie ist dann, sofern sie nicht die Definition
gemäß § 6 Abs. 1 UWG erfüllt, aber nicht
automatisch unlauter, weil § 6 Abs. 1 UWG einen ungeschriebenen
Verbotstatbestand (kraft Umkehrschlusses) nicht enthalte. Diese
Auffassung erscheint die richtige zu sein. Doch der EuGH zieht offenbar
die erste vor (s.o.).
Nach der dritten
Rechtsauffassung nein. Der dem § 6 Abs. 1 UWG zugrunde liegende
Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 84/450/EWG (inzwischen durch die Richtlinie
2016/114/EU ersetzt) umfasse unter dem Begriff Werbung keine
persönlichen Verkaufsgespräche außerhalb der
Öffentlichkeit. Diese Auffassung stützt sich auf
Erklärungen außerhalb der Gesetzestexte und ist deshalb die
am schlechtesten fundierte.
Mit wem wird verglichen?
Der
konkrete Mitbewerber muss, damit von einem Vergleich gesprochen werden
kann, in seiner Eigenschaft als Mitbewerber erkennbar sein.
Derjenige, mit wem oder dessen Produkte (Waren, Dienstleistungen) sich
der Äußernde vergleicht, ist derjenige
Mitbewerber/Konkurrent, der Produkte vertreibt, die mit denen des
Äußernden austauschbar sind. Die beiden miteinander
verglichenen Unternehmen müssen dieselben Verkehrskreise
ansprechen, sich prinzipiell um dieselben Kunden bemühen. Das eine
Unternehmen muss an die Stelle des anderen treten können
(Austauschbarkeit). Dabei dürfen die Produkte auch ungleich sein.
Der BGH hatte vor Jahrzehnten einen Fall entschieden, in dem ein
Unternehmen, welches Kaffee anbietet, sich mit Unternehmen, welche
Blumen anbieten, verglich: „Kaffee statt Blumen“ als
Geschenkidee. Unternehmen unterschiedlicher Branchen also müssen
hierfür mehr aufbieten können als bloß den
„Verbraucher“ als gemeinsamen Kunden. Im Fall der
Blumen-Kaffee-Werbung waren alle Blumenverkäufer gemeint. Eine
Individualisierung des betroffenen Unternehmens schied aus.
Ein
relevantes Beispiel stellt die Werbung mit Ersatzteilen oder
Zubehörteilen dar: Verkauft das Unternehmen U1 dieselbe Hauptware
wie U2, und bieten beide Ersatzteile bzw. Zubehörteile an, dann
stehen sie (auch) bzgl. der Ersatzteile/Zubehörteile im
wettbewerblichen Austauschverhältnis i.S.d. obigen Definition.
Dies gilt auch dann, wenn U1 nur Angaben dazu macht, welche der von ihm
vertriebenen Ersatzteile oder Zubehörteile zu welchem Hauptprodukt
eines anderen (Herstellers) passen und er nicht die Ersatzteile
und/oder Zubehörteile mit denen eines anderen vergleicht. Nach
anderer Rechtsauffassung besteht das Austauschverhältnis i.S.d.
obigen Definition dann aber bzgl. der Ersatzteile/Zubehörteile
nicht. Die Zuordnung/Bejahung des Austauschverhältnisses bei
derart unterschiedlichen Produkten/Märkten (Hauptteil und
Ersatzteil bzw. Hauptteil und Zubehörteil) ist umstritten.
Verkauft
U1 keine Ersatzteile oder Zubehörteile, dann steht es mit U2, das
Ersatzteile und/oder Zubehörteile verkauft, insoweit nicht im
Austauschverhältnis.
Das
Praxisproblem mit § 6 UWG besteht darin, dass die Rechtsprechung
des BGH in den letzten Jahrzehnten schwankte. Man kann nicht sicher
sein, wie der BGH bzgl. der Individualisierbarkeit und Marktrelevanz
des betroffenen Mitbewerbers als wahrer Konkurrent künftig
entscheiden wird. Er schwankte zu oft. Der Grund liegt wohl darin, dass
es die (weite) Definition des Mitbewerbers gibt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3
UWG). Der Mitbewerber in diesem Sinne (Wettbewerbsverhältnis im
allgemeinen) und der Mitbewerberbegriff im Sinne des § 6 UWG sind
nicht dieselben und müssen nicht diesen sein. Zwar können
sehr viele Unternehmen sein, betroffen i.S.d. § 6 UWG jedoch
müssen nicht alle sein bzw. sind auch nicht betroffen. Anders als
der BGH neigt der EuGH in Fällen vergleichender Werbung zu der
engeren Definition des Mitbewerbers i.S.d. § 6 UWG.
Wie sieht die Situation aus, in welcher zwecks Förderung eines fremden Wettbewerbs verglichen wird?
Beispiel:
U1 und U2 stehen im wettbewerblichen Austauschverhältnis. U3
vergleicht die Produkte von U1 und U2 derart, dass die Produkte des U1
immer besser beurteilt werden als die des U2. U3 handelt sozusagen
zugunsten des U1. Die offenbare überwiegende Auffassung bejaht die
Einbeziehung auch dieser Werbung. Das bedeutet: Jeder Händler, der
einen Endkunden berät, steht vor dem Problem, eine
unzulässige Vergleichswerbung zu praktizieren. Von den Vertretern
der überwiegenden Auffassung wird zwar vorgetragen, dass die
Absatzförderung ja auch bezweckt sein muss. Doch wie will man
vergleichende Werbung (mit Zweckbestimmung) und vergleichende
Äußerung/Beratung (ohne Absatzförderungszweck) in der
Praxis unterscheiden? In der juristischen Realität sieht es leider
so aus, dass Abmahnende mit ihren Anwälten und die
Richter/Buchautoren offenbar gerne alles und jeden einbeziehen wollen.
Dann kann man häufiger abmahnen… Ein gutes Geschäft in
Konsequenz?
Wer
ist dann als möglicher Bösewicht inbegriffen, d.h. sitzt auf
der Lauterkeitsvorwurfsbank? Es sind z.B. alle Verkäufer, alle
Testergebnisse oder Rankings herausgebenden Menschen und Verlage, alle
Werbeagenturen und Wirtschaftsverbände… Uferlos? Es bestehe
zwar keine Vermutung für die Förderungsabsicht, und es
müssten – zutreffend – besondere Umstände des
Einzelfalls ermittelt und nachgewiesen werden. Doch das ist bloß
die Theorie. Die juristische Praxis vor den Gerichten sieht nicht
selten anders aus. Einstweilige Verfügungen werden in
großzügiger Anzahl erlassen. Motto: Wem das Ergebnis nicht
passt, der könne ja Rechtsmittel einlegen.
Welche Waren und Dienstleistungen können miteinander verglichen werden?
Alle.
Auch Nutzungsrechte, Schutzrechte, Verpflichtungen (z.B. Schuldtitel)
können verglichen werden. Die „Ware“ muss nicht eine
körperliche sein. Treffender ist der wirtschaftliche Begriff
„Produkt“. Die EU spricht vom „Erzeugnis“.
Die
Dienstleistungen beinhalten alle Vertragstypen, nicht nur
Dienstverträge, sondern auch Werkverträge u.a. Das alles ist
im Lauterkeitsrecht selbstverständlich. Das UWG greift ja in die
gesamte Wirtschaft/Marktwirtschaft ein. Kein Unternehmen bleibt
außer Beobachtung.
Wo genau im UWG stehen die Verbote bezüglich der vergleichenden Werbung?
Vergleichende
Werbung ist nach überwiegender Auffassung (nur) dann
zulässig, wenn sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen des
§ 6 Abs. 1 UWG (= Vergleich erkennbar machend) erfüllt und
nicht einen der Tatbestände des Verbotskatalogs des § 6 Abs.
2 UWG erfüllt. § 6 Abs. 1 UWG bestimme, dass eine Handlung,
welche vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG nicht ist,
verboten werden müsse (verboten sei). Dies ergäbe sich aus
einem Umkehrschluss. Der EuGH ist dieser Auffassung offenbar gefolgt.
Vergleichende
Werbung ist nach anderer Auffassung [in der Literatur/Wissenschaft]
(nur) dann zulässig, wenn sie nicht einen der Tatbestände des
Verbotskatalogs des § 6 Abs. 2 UWG erfüllt. In § 6 Abs.
1 UWG stehe nur eine Definition, nicht auch ein weiterer
Verbotstatbestand (im Umkehrschluss zur Zulässigkeit). § 6
Abs. 1 UWG bestimme bloß, dass eine Handlung, welche
vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG ist, nicht verboten
werden dürfe. Denn die zugrunde liegende EU-Richtlinie in Art. 4
RL 2006/114/EG besage nichts zu den Rechtsfolge eines
Nichterfülltsein der Werbung als vergleichende. Zudem
sprächen die Entstehungsgeschichte des Art. 4 Richtlinie und der
demzufolge erkennbare Zweck der Vorschrift (= pro
Zulässigkeit/Liberalisierung) gegen eine weitere, stillschweigende
Verbotsvorschrift (neben § 6 Abs. 2 UWG). Stimmt man dieser
Rechtsauffassung zu, dann darf der Mitgliedstaat (Deutschland) auf ein
Verbot in § 6 Abs. 1 UWG verzichten und allein in § 6 Abs. 2
UWG Verbote auflisten. Der Mitgliedstaat darf dann nicht ganz so streng
sein (Richtlinien geben nur die Richtung, nicht den detaillierten
Inhalt vor).
Der Verbotskatalog ist abschließend, d.h. es gibt keine weiteren Verbote nach dieser Vorschrift.
Was ist bei der Auslegung zu beachten?
Die
Auslegung der Verbotstatbestände hat so zu erfolgen, dass im
Zweifel für den Werbenden („Angeklagten“) geurteilt
wird. Es ist zu fragen, ob die vergleichende Werbung zugunsten des
Wettbewerbs und der Verbraucherinteressen einen Nutzen (Vorteil)
erbringt. Sofern ja, dann spricht dies gegen ein Verbot und für
die Zulässigkeit. Wer Verbraucher ist, ergibt sich aus dem Gesetz
(§§ 13, 14 BGB). Wie er denkt, unterstellen ihm die Richter.
Die Richter (Rechtsanwender) sollen vom sog. verständigen
Bürger ausgehen. Dieser sei normal/durchschnittlich informiert und
angemessen/durchschnittlich aufmerksam/interessiert. Also kein
Bürger mit niedrigem Auffassungsvermögen und/oder mangelndem
Interesse. Es geht nicht um den Blöden oder Gleichgültigen,
der an der Hand geführt werden muss.
a) § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG
Unlauter
handelt, wer sich mit dem Vergleich nicht auf Produkte für den
gleichen Bedarf bezieht (Variante 1). Unlauter handelt, wer sich mit
dem Vergleich nicht auf dieselbe Zweckbestimmung bezieht (Variante 2).
Mit beiden Varianten wird der (zulässige) Vergleich, der sich auf
untereinander austauschbare Produkte bezieht, noch ein Stück weit
eingeschränkt.
Für
den gleichen Bedarf sind Produkte vorgesehen oder einzusetzen geeignet,
wenn diese in ihrer Funktion aus Sicht der Verbraucher/Kunden
tatsächlich oder laut der Werbeaussage so ähnlich sind, dass
die Verbraucher/Kunden das jeweils andere Produkt
wählen/kaufen/einsetzen können. Die Produkte brauchen nicht
identisch zu sein. Der Verbraucher/Kunde muss beide Produkte
(miteinander austauschbar) gebrauchen können (Funktion)
können (Bedarf). Beispiele: 1. Markenware und No-Name-Produkte, 2.
Echter Schmuck und Plastik-Schmuck, 3. Schallplatte und CD, 4.
Süßigkeiten XYZ und Süßigkeiten ABC, 5.
Energiequelle Öl und Energiequelle Strom. Erforderlich ist ein
zumindest gleicher Teil-Nutzen/Grund-Nutzen, eine gewisse
Austauschbarkeit der Produkte. Ein Vergleich mit Nebenfunktionen
genügt.
Für
denselben Zweck bestimmt sind Produkte, wenn diese aus Sicht oder laut
Werbung für denselben Zweck/Funktion eingesetzt werden sollen. Der
Bedarf (Variante 1) wird auch Sicht des Verbrauchers/Kunden ermittelt,
der Zweck (Variante 2) aus Sicht des Anbieters/Unternehmens.
Was
mit der Vorschrift § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG bezweckt wird, ist nicht
ganz klar. Die Juristen meinen, dass das Interesse der
Verbraucher/Kunden, sachlich informiert zu werden, befriedigt werden
soll und andernfalls nicht befriedigt werden könne. Die
Verbraucher/Kunden würden sonst in die Irre geführt werden
(können). Verhindert werden soll ein falscher Gesamteindruck auf
Seiten des Verbrauchers/Kunden. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Werden
Produkte miteinander verglichen, für die der Verbraucher/Kunde
nicht den gleichen Bedarf hat oder die aus Sicht der
Anbieter/Unternehmen nicht denselben Zweck haben, dann ist der
Vergleich nicht nach § 6 UWG unlauter, insoweit also
zulässig. Der Vergleich kann unter Umständen nach anderen
Paragrafen unlauter sein.
Werden
nicht Produkte miteinander verglichen, sondern bloß die
Unternehmen (z.B. bzgl. persönlicher oder unternehmerischer
Eigenschaften oder Verhaltensweisen), dann passt die Vorschrift nicht.
Sie passt zwar nach dem Wortlaut, jedoch nicht nach ihrem Sinn (s.o.).
Wer andere kritisiert, kann sich nach anderen Vorschriften unlauter
oder ggf. auch strafbar verhalten.
b) § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG
Unlauter
handelt, wer sich nicht objektiv auf wesentliche (etc.) Eigenschaften
(inklusive Preise) der Produkte eines anderen Unternehmens bezieht.
Die
Vorschrift § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG bezweckt ebenfalls die
Verhinderung eines falschen Gesamteindrucks auf Seiten des
Verbrauchers/Kunden. Mit dem Wort „objektiv“ soll
klargestellt werden, dass die Verbraucher/Kunden sachlich informiert
werden müssen. Sie sollen nicht in die Irre geführt werden
(können). Es soll, so das politische Ziel, der Leistungswettbewerb
gestärkt werden. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Der
Begriff „Eigenschaften“ ist weit auszulegen. Er umfasst
z.B. auch statistische Zahlen zu den Produkten, Meinungsumfragen,
umweltbezogene Angaben oder auch Geschmäcker-Meinungen. Letztlich
alle Angaben, die nachprüfbar sind. Es geht um – dem
Vernehmen des Werbenden nach und/oder tatsächlich –
beweisbare Tatsachenbehauptungen.
Unlauter
sind reine Meinungsäußerungen (= reine Werturtele) sowie
beweisbare Tatsachenbehauptungen, welche nicht relativ kurzfristig
belegt werden können. Die Beweisbarkeit einer Tatsache in weiter
Ferne gilt wie eine nicht nachprüfbare Tatsachenbehauptung.
Welche
Eigenschaften „wesentlich“, „relevant“ und
„typisch“ sind, ist aus Sicht der Verbraucher/Kunden zu
beantworten. Insoweit sortiert die Rechtsprechung eher viele als wenige
Eigenschaften ein.
Das
ganze Vergleichen muss dann noch irgendwie „objektiv“ sein.
Der Gegenbegriff ist „subjektiv“. Was genau damit zum
Ausdruck gebracht werden soll, ist umstritten. Was ist objektiv? Eine
passende Antwort ist bisher nicht gefunden worden.
„Objektiv“ muss etwas anderes sein als
„nachprüfbar“. Aber was? In der Praxis mag ein
Unternehmen davon ausgehen, dass dieses Wort keine eigenständige
Bedeutung hat: Es wird ihm nichts nützen.
c) § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG
Unlauter
handelt, wer einen Vergleich dergestalt anstellt, dass die
Kunden/Marktteilnehmer/Verbraucher in die Gefahr geraten, die
miteinander verglichenen Unternehmen oder Produkte oder Unternehmens-
oder Produktkennzeichen zu verwechseln.
Zweck der Vorschrift ist es, die Verwechslungsgefahr zu verhindern. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Unternehmens-
oder Produktkennzeichen sind Markennamen, Handelsnamen, Farben, Formen,
Bilder etc. Ursprungsbezeichnungen wie geografische Herkunftsangaben
gehören in § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht dazu. Exkurs: In den
Nr. 3 bis Nr. 6 des § 6 Abs. 2 UWG ist der Begriff der Kennzeichen
mal enger, mal weiter auszulegen. Das heißt:
Ursprungsbezeichnungen wie geografische Herkunftsangaben gehören,
wenn die Vorschrift eng auszulegen ist, nicht zu den Kennzeichen. Ist
die Vorschrift weit auszulegen, gehören diese Bezeichnungen dazu.
Das hängt damit zusammen, dass der deutsche Gesetzgeber die
EU-Richtlinie, die dem § 6 UWG zugrunde liegt, nicht eins zu
eins, sondern sprachlich unpassend umgesetzt hat. Eng auszulegen ist
der Begriff in § 6 Abs. 2 Nr. 3 und in Nr. 4 (dort bzgl. der
Beeinträchtigung des Rufs). Weit auszulegen ist er in Nr. 4 (dort
bzgl. der Ausnutzung des Rufs), in Nr. 5 und in Nr. 6.
Ein
verwendetes Unternehmens- oder Produktkennzeichen ruft eine
Verwechslungsgefahr hervor, wenn es – allein/isoliert betrachtet
– zu Verwechslungen führt.
Eine
Verwechslungsgefahr wird verursacht, wenn die angesprochenen
Marktteilnehmer (Kunden etc., nicht jedoch zwingend auch die
Verbraucher (dann aber insoweit § 5 Abs. 2 UWG)) in den Glauben
verfallen könnten, dass die Produkte des eines Unternehmens
Produkte des anderen sein könnten [Verwechslungsgefahr im engeren
Sinne] oder dass die Produkte des einen und die Produkte des anderen
deshalb ähnlich/vergleichbar sind, weil sie von den beiden
Unternehmen U1 und U2 gemeinsam auf den Markt gebracht werden
[Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne]. Geschützt wird vor dem
gedanklichen In-Verbindung-Bringen der Produkte zweier Unternehmen.
Schließlich
sollte im Einzelfall geprüft werden, was das
werbende/vergleichende Unternehmen unternimmt, um die
Verwechslungsgefahr auszuschließen. Auch diese Umstände zu
berücksichtigen.
d) § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG
Unlauter
handelt, wer den Ruf eines Kennzeichens eines anderen Unternehmens in
unlauterer Weise beeinträchtigt oder ausnutzt. Dass das Wort
„unlauter“ auf beiden Seiten der Definition auftaucht,
bedeutet, dass es auch lautere/zulässige Beeinträchtigungen
oder Ausnutzungen eines Rufes gibt und dass deshalb abgewogen werden
muss. Es müssen „besondere Umstände“ des
Einzelfalls hinzutreten.
Zu den Kennzeichen zählen alle Zeichen wie in § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG, d.h. ohne geografische Herkunftsangaben.
„Ruf“
bedeutet Reputation, Ansehen, Renommee, unternehmerische
Wertschätzung. „Ruf“ ist mehr als das gedankliche
In-Verbindung-Bringen des Kennzeichens eines Unternehmens mit eben
diesem Unternehmen. Es ist etwas positives, etwas Positives mit
Unterscheidungskraft gegenüber anderen Unternehmen.
Das
Beeinträchtigen oder Ausnutzen muss mehr sein als das bloß
Benenn der Kennzeichen und der Unterschiede der jeweils
gekennzeichneten Produkte. Die Stufe hin zum
Beeinträchtigen/Ausnutzen ist erst erreicht, wenn das Interesse
des Werbenden, den Vergleich unter Benennung des Zeichens des
Konkurrenten weniger viel wiegt als das Interesse des Konkurrenten, von
solchen Vergleichen verschont zu werden. Es findet eine
Interessenabwägung statt. Das ist der Fall, wenn das
Deutlichmachen der Vorteile der eigenen Produkte nur dieses und jenes
zu erklären erfordert, die vergleichende Werbung hierüber
jedoch hinausgeht. Maßstab für diese Beurteilung ist das
Interesse der Kunden an einer sachlichen Information und
Aufklärung. Gedanklich wird also ein Dreipersonenverhältnis
durchgeprüft. Im Ergebnis läuft die Prüfung auf eine Art
Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus. Und das
bedeutet: Es darf diskutiert werden…
Beispiele
des Ausnutzens: 1. Ein Zeichen, das dem Kennzeichen eines anderen
Unternehmens entspricht oder ähnelt oder mit diesem identisch,
wird im Onlineshop nur verwendet, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Ansonsten dient das abgekupferte Zeichen nicht näher der
Information des Kunden. 2. Gleiches gilt für den Text
„Kennzeichen-Stil“, also die Mitteilung, dass die Ware in
etwa so aussehe wie die des Konkurrenten.
Beispiele
der Beeinträchtigung: …? (m.E. schwierig, weil kaum je
überzeugend). Es soll sich um Fälle handeln, in denen das
eigene Produkt so gestaltet oder eingesetzt ist/wird, das es
suggeriert, das fremde Produkt/Kennzeichen sei irgendwie negativ.
e) § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG
Unlauter
handelt, wer ein anderes Unternehmen und/oder dessen Produkte
herabsetzt oder verunglimpft. Verunglimpfen ist/sei das
Lächerlich-Machen, das Verächtlich-Machen, das geschmacklose
Eigenschafts-Zuschreiben, das anstößige
Eigenschafts-Zuschreiben. Es darf im Streitfall diskutiert
werden… Allerdings genügt bereits ein Weniger als dieses,
und zwar das Herabsetzen. „Herabsetzen“ bedeutet jedes
Verringern des Rufes des Unternehmens eines anderen, insbesondere ein Abwerten des Konkurrenzprodukts.
Wie schon bei § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG sind Interessen abzuwägen.
Das Interesse des werbenden Unternehmens am Vergleich sowie das
Interesse des betroffenen Unternehmens, vom Vergleich verschont zu
werden. Auch hier kommt es auf den Blickwinkel der Kundschaft und
dessen Interesse an einer sachlichen Aufklärung an. Wahre
Preisangaben/Unterschiede beispielsweise sind deshalb
rechtmäßig, nicht unlauter. Gefragt wird, was der Kunde
wissen möchte, um seine Entscheidung zum Kauf der Ware bzw. zum
Abschluss des Dienstleistungsvertrags zu treffen. Gefragt werden kann
wohl, wo der Schwerpunkt der Werbung liegt – in der Kritik des
anderen oder in der Darstellung der eigenen Produkte. Das Risiko,
falsch zu liegen, aber bleibt: Ein pfiffiger Werbeslogan kann teuer
werden. Denn es ist nicht immer voraussehbar, wie die Gerichte
entscheiden werden. Das gilt besonders für das sog.
Lächerliche. Was für den einen witzig erscheint, sieht der
andere gegenteilig.
Nach
Auffassung der Kanzlei Wüstenberg gilt rechtspolitisch zur
Orientierung: Juristen (Richter) mögen offenbar nicht viel Humor
oder Ironie, sofern diese Dritte in den Fokus nimmt. Flotte
Werbesprüche können dann schnell in die Hose gehen. Schnell
wird eine Herabsetzung als unlauter eingestuft – auch die
berechtigte. Marktwirtschaft wird dann nicht so gerne als
Konkurrenzwirtschaft gewünscht mit „Austeilen und
Einstecken“. Der Vorteil: Ruhe. Der Nachteil: Eine
Leistungssteigerung wird nur selten „erzwungen“. Ein jeder
Marktteilnehmer muss sich selbst motivieren und steigern. Meinungskampf
und Wettbewerbskampf sind Fremdwörter in diesem Spiel der
Kräfte.
f) § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG
Unlauter
handelt, wer im Rahmen des Vergleichs die Produkte seines Unternehmens
als Nachahmung/Imitation des Produkts eines anderen darstellt.
Beispiel: Mein Parfum P2 entspricht dem Parfum P1 des
Marken-Unternehmens XYZ. Der Unternehmer des P2 erklärt
ausdrücklich oder zumindest erkennbar, dass er das Produkt P1
imitiere.
Eine
Imitations-Werbung liegt nicht vor, wenn der Adressatenkreis erst noch
den Hinweis eines Dritten einholen müsste, um zu verstehen, dass
P2 eine Imitation von P1 ist. Ebenso zumeist nicht, wenn der
Unternehmer U2 sagt, P2 sei zu P1 gleichwertig. Gleichwertigkeit und
Nachahmung sind verschiedene Dinge. Besonderes Branchenfeld hier: die
Arzneimittelbranche, Lebensmittelbranche, Gesundheitsbranche.
Jedes
Produktmerkmal kann abgekupfert werden. Deshalb wird nicht zwischen
wichtigen und unwichtigen Merkmalen des ausgenutzten Konkurrenzprodukts
unterschieden.
Derjenige,
der unlauter handelt, kann nur ein anderes Unternehmen sein. Vertreibt
ein Unternehmen zwei ähnliche Produkte, scheidet die Bezugnahme
auf das eigene Markenprodukt P1 bei der Bewerbung des eigenen
Konkurrenzprodukts aus.
11. Unzumutbare Belästigung
§ 8 Absatz 1 Satz 1 UWG
lautet: "Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung
vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden." Und § 7 Abs. 1 UWG: "Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in
unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt
insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene
Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht." Unlauter
also handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise
belästigt (§ 7 Abs.1 Satz 1 UWG). Die Vorschrift spricht von
unzulässig statt von unlauter. Wegen § 8 UWG läuft
die im Gegensatz zu den §§ 3 bis 6 UWG unterschiedliche
Ausdrucksweise auf dasselbe hinaus.
Die Vorschrift – welche in den Jahren 2004, 2008, 2009, 2013,
2015 und zuletzt mit Wirkung ab 28.05.2022 geändert wurde –
beruht zwar auf EU-Recht. Doch es gibt eine Abweichung. Nach EU-Recht
ist eine geschäftliche Handlung i.S.e. Belästigung unlauter,
wenn sie die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers
beeinflusst. Nach dem deutschen § 7 UWG ist nicht nur diese
Handlung unlauter, sondern darüber hinaus auch eine Handlung,
welche in anderer Weise als belästigend empfunden wird. Beispiele
solcher rein deutschen Handlungen ergeben sich mittels der von der
Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen.
Zudem gibt es noch Handlungen, welche stets unzulässig sind, weil
sie belästigend sind. Diese stehen teils in § 3 Abs. 3 UWG,
teils in § 7 Abs. 2 UWG.
Die Definition der geschäftlichen Handlung steht in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Werbung ist eine solche; dies wird mit § 7 Abs. 1 S. 2 UWG
klargestellt. In technischer Hinsicht sind beispielsweise das Absenden
eines Telefaxes und das Aufschalten eines WiFi-Spots
(BGH-Rechtsprechung) geschäftliche Handlungen. Die Handlung muss
nur irgendwie mit den eigenen Produkten (Waren/Dienstleistungen) im
unternehmerischen Zusammenhang stehen. Im Ergebnis muss die Handlung
eine des Unternehmens sein (i.E. Art. 14 Abs. 1 GG).
Mit Belästigung ist gemeint: jede Handlung, die der
Empfänger/Adressat als aufgedrängt empfindet. Dies kann nur
der Fall sein, wenn er mit der Handlung konfrontiert wird, ohne zuvor
seine Zustimmung hierfür erklärt zu haben –
Konfrontationen/Empfang ohne den eigenen Willen oder gegen den eigenen
Willen. Es ist somit die Art und Weise der Handlung zu beurteilen. Der
Inhalt ist insoweit ohne Belang; Inhalte sind per se nicht
aufdrängend. Wegen des Inhalts einer Äußerung/Werbung
können die anderen Vorschriften des UWG anwendbar sein.
Die Belästigung drückt sich im praktischen Ergebnis dadurch
aus, dass der Empfänger/Adressat der Handlung Zeit investieren
muss für den Erhalt, das Lesen und das Entsorgen der z.B.
Werbe-Telefaxe. Es können Kosten entstehen, die sonst nicht
entstanden sind (Beispiel: Papierausdrucke von Telefaxen). Der
Betriebsablauf eines Unternehmens kann gestört werden (Beispiel:
unwillkommene Werbeanrufe müssen abgeblockt werden).
Der Begriff „Unzumutbarkeit“ bedeutet eine Grenzziehung
zwischen dem, was noch zumutbar ist, und dem, was bereits unzumutbar
ist. Es kommt auf eine Abwägung der Interessen der Marktteilnehmer
an. Nach früherem Recht gab es in § 3 UWG a.F. eine
Spürbarkeitsgrenze (Bagatellschwelle). Diese Hürde ist
herüber gezogen worden in den § 7 UWG.
Der Adressat einer Werbung hat das Interesse, von bestimmten Handlungen
verschont zu werden und zu bleiben (Ob des Empfangs von z.B. Werbung).
Auch hat er das Interesse daran, in seinen Entscheidungen nicht
unsachlich beeinflusst zu werden.
Kriterien der Beurteilung sind z.B.: 1. die Anstrengungen, die der
Adressat unternehmen muss, um vor der Handlung (Belästigung)
verschont zu werden, 2. die Kosten für den Empfang oder die
Beseitigung der z.B. Telefaxe, 3. der Ort des Wahrnehmens der Handlung
(zu Hause im privaten Bereich, am Arbeitsplatz im beruflichen Bereich,
in der Öffentlichkeit mit oder ohne Zuschauer/Zuhörer), 4.
die Häufigkeit/Anzahl der Handlungen, 5. die Art und
Intensität der Kontaktaufnahme bzw. des Abwimmelns (Beispiele:
Hausbesuch mit Leuten vor der Tür, Telefonanruf mit Direktwerbung,
Briefpost, welche bloß gelesen und weggeworfen werden kann), 6.
die Gefahr, dass andere Unternehmen dieselbe Art und Weise zeigen
werden (Nachahmungseffekt), 7. …
Beurteilt werden muss, wie sich die gezeigte Handlung auf den
durchschnittlichen Adressaten auswirkt. Individuelle Befindlichkeiten
bleiben außer Betracht. Es wird „objektiver“
Maßstab angelegt. So die Theorie. In der Praxis entscheidet der
Richter nach eigener Empfindlichkeit…?
Der Werbende/Handelnde dagegen hat das Interesse, effektiv, direkt,
kostengünstig etc. zu werben. Dieses Werbeinteresse ist nicht
grundsätzlich unzulässig/belästigend. Es stehen sich die
Unternehmensfreiheit (Gewerbefreiheit) und häufig die
Privatsphäre gegenüber.
Das wichtigste Kriterium ist die Tatsache/Frage, dass/ob der Adressat
die Werbung/Handlung erkennbar nicht wünscht. Das
Nicht-Wünschen (d.h. der entgegenstehende Wille) muss nach
außen hin erkennbar sein. Der entgegenstehende Wille, sofern er
denn zumutbar wahrgenommen werden kann, bewirkt immer die
Unzulässigkeit der Handlung/Werbung. Einfaches Beispiel: Auf dem
Briefkasten steht der Aufkleber „Bitte keine Werbung!“
Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Hinweis auf Homepages
(zumutbar) erkennbar ist, ist eine entscheidende Frage. Ebenso die
Frage, ob der Nicht-wollen-Hinweis in der sog. Robinson-Liste ein
(zumutbar) erkennbarer ist.
Werbung allerdings fällt unter den Tatbestand des § 7 Abs.2
Nr. 1 bis Nr. 3 UWG. § 7 Abs.1 UWG bezieht sich Handlungen, welche
nicht Werbung sind. Die Fallgruppen des/nach § 7 Abs. 1 S. 2 UWG sind:
a) Kundenakquise. Das gezielte Ansprechen einer einzelnen Person oder
einer zumeist kleinen Gruppe von Personen in der Öffentlichkeit,
insbesondere auf der Straße, z.B. in der
Fußgängerzone, oder in einem Verkehrsmittel des ÖPNV,
um die angesprochene Person/Gruppe als Kunden zu gewinnen. Der Grund
für die etwaige Belästigung: Es entsteht eine psychische
Situation des zwanghaften Entscheidens des möglichen Kunden
(Überrumpelungseffekt). Allerdings beginnt die Unlauterkeit erst
ab Erkennen des entgegenstehenden Willens, also erst ab dem Moment, in
dem der Angesprochene ablehnt und der Handelnde den Ablehnenden
gleichwohl erneut anspricht.
Allerdings: Der Handelnde muss seine geschäftliche Tätigkeit
von Anfang an (im Moment des Ansprechens) so zeigen, dass diese auf
Anhieb erkennbar ist. Beispiele: Uniform, Logo, Unternehmensflyer,
Informations-/Werbestand. Der Anzusprechende/Angesprochene muss in die
Lage versetzt werden, sofort und ebenfalls von Anfang an durch
Ignorieren reagieren zu können. Hierfür ist es auch
nötig, dass zwischen dem Handelnden und dem Angesprochenen
genügend Platz/Raum vorhanden ist (Ausweichmöglichkeit).
Diese Situation entspricht in etwa den nachfolgenden Fällen des
grundsätzlich zulässigen Ansprechens: 1. Der Kellner in einem
Zug. 2. Der Restaurantbetreiber, der in unmittelbarer Nähe zu
seinem Restaurant Passanten auffordert, in sein Restaurant zu gehen
(einzutreten/herein). 3. Jahrmarktgeschrei, 4. Verteilen von
Werbezetteln/Handzetteln, 5. Werbezettel an der Windschutzschreibe oder
Fahrertürseite eines Kfz.
Umstritten, ob vergleichbar: die unerbetenen Haustürbesuche von
Unternehmensvertretern (so in der Fachliteratur); auch diese sagen
„Guten Tag“ und können durch Schließen der
Tür ignoriert werden (so die Rechtsprechung). In beiden
Situationen hat der überrumpelte Kunde, sofern er ein Verbraucher
ist (§§ 13, 14 BGB), ein Widerrufsrecht (§§ 312b,
312g, 312 Abs.1, 355 BGB). Der Belästigungsgrad ist höher als
auf der Straße. Die Frage heißt: Ist der entgegenstehende
Wille des Angesprochenen erkennbar? Bei Aufklebern mit dem Text
„Bitte keine Werbung!“ jedenfalls ja. Ansonsten bei
Privatpersonenhaushalten grundsätzlich ja (entgegenstehender
Wille),anders aber wohl beim Direktverkauf der Landwirte
(„Kartoffeln – direkt vom Bauern!“). Bei Unternehmen
ist der entgegenstehende Wille grundsätzlich nicht erkennbar. Ein
Unternehmer kann sich wehren.
b) Kundenakquise am Unfallort. Stets unlauter/unzulässig, weil Unfallbeteiligte sich in psychischer Sonderlage befinden.
c) Kundenakquise durch Hausbesuch kurz nach einem Todesfall, etwa
anlässlich einer Todesanzeige. Stets unlauter/unzulässig,
weil sich Hinterbliebene in psychischer Sonderlage befinden. Je nach
Gruppe der Geschäftstreibenden (Steinmetze, Bestatter etc.) ist
eine Wartezeit von zwei Wochen oder vier Wochen oder auch mehr Wochen
einzuhalten.
d) Kundenakquise durch vorherige Besuchsankündigung. Stets
unlauter/unzulässig, weil bei Privatpersonen vom entgegenstehenden
Willen auszugehen ist (umstritten; Rechtsprechung anders, sofern der
schriftlichen Ankündigung eine Postkarte mit
Ankreuzmöglichkeit beigelegt worden war).
e) Ping-Telefonanrufe. Wer andere Personen auf deren Mobilfunktelefon
anruft, nur einmal klingeln lässt, um sich zurückrufen zu
lassen, handelt entgegen den (erkennbaren) Willen des Angerufenen./
f) Internetseiten. Nicht schließbare Pop-Up-Fenster oder nicht
schließbare Websites. Unlauter/unzulässig, weil bei
Internetnutzern vom entgegenstehenden Willen auszugehen ist.
Pop-Up-Fenster etc., die sich schließen lassen oder von selbst
schließen, sind zulässig. Denn der Internetnutzer rechnet
mit solchen Techniken.
„Eine unzumutbare Belästigung ist (so § 7 Abs. 2 UWG) stets anzunehmen
1. bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht
aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der
kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig
angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht;
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher
ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder
gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest
mutmaßliche Einwilligung,
3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine,
eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine
vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, oder
4. bei Werbung mit einer Nachricht,
a) bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die
Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird
oder
b) bei der gegen § 6 Absatz 1 des Telemediengesetzes
verstoßen wird oder in der der Empfänger aufgefordert wird,
eine Website aufzurufen, die gegen diese Vorschrift
verstößt, oder
c) bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der
Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten
richten kann, ohne dass hierfür andere als die
Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.“
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG gilt noch bis zum 27.05.2022. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wird durch § 7 Abs. 3 UWG modifiziert. § 7 Abs. 3 UWG
lautet: „Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist eine unzumutbare
Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post
nicht anzunehmen, wenn
1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder
Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten
hat,
2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und
deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit
widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die
Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.“
IV. Chronologie eines Abmahnvorgehens nach UWG
Der Unternehmer 1 schickt dem Unternehmer 2 ein
wettbewerbsrechtliches Abmahnschreiben. Darin fordert er den
Abgemahnten auf, erstens ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen,
zweitens sich dem Unternehmer 1 gegenüber zu verpflichten, das
besagte unlautere Verhalten nie wieder zu begehen und drittens dem
Unternehmer 1 die Kosten für das Abmahnen zu erstatten. Der
Abgemahnte wiederum hat zwei Möglichkeiten: Entweder er akzeptiert
die Abmahnung, verpflichtet sich wie gewünscht und zahlt wie
gewünscht. Oder aber er verweigert die Abgabe einer
Unterlassungserklärung, und beide treffen sich sodann vor dem
Gericht (Landgericht), um zu klären, ob die Abmahnung berechtigt
war oder nicht. Am Ende steht in diesem Fall dann ein Gerichtsurteil
(mit der Antwort: lauter oder unlauter) statt einer
außergerichtlichen Einigung.
Worum geht es rechtlich beim Abmahnverfahren?
Derjenige,
der einen Konkurrenten wettbewerbsrechtlich abmahnt, begründet
gegenüber dem anderen ein gesetzliches Schuldverhältnis. Das
gesetzliche Schuldverhältnis besteht abstrakt bereits nach dem
UWG. Der
Abmahnende als Gläubiger und der Abgemahnte als Schuldner stehen
sich zunächst als „gesetzliche Partner“, nach dem
Akzeptieren der Abmahnung als Vertragspartner gegenüber. Das
heißt: Die zwei Konkurrenten, welche zunächst nichts
miteinander zu tun hatten, werden nun rechtlich miteinander verbandelt.
Und dieses Schuld- bzw. Vertragsverhältnis hat rechtliche und
finanzielle Konsequenzen.
Dieses
Schuldverhältnis besteht auf der Ebene der Unternehmer zueinander.
Man kann es als horizontales Verhältnis Unternehmer/Unternehmer
bezeichnen. Handelt es sich bei dem Fehlverhalten des Abgemahnten um
eine Handlung, welche auch mit einem Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit geahndet werden
könnte, tritt dieses horizontale Verhältnis neben das
vertikale Verhältnis Staat/Unternehmer. In Bezug auf die
Gerichtsverfahren bedeutet dies: Es kann zwei Gerichtsverfahren geben.
Gegen einen Bußgeldbescheid geht man vor dem Amtsgericht und
Oberlandesgericht vor, in einigen Fällen der Behördenaufsicht
auch vor dem Verwaltungsgericht. Gegen die wettbewerbsrechtliche
Abmahnung hingegen zieht man vor das Landgericht (dort: die Kammer
für Handelssachen) und das Oberlandesgericht.
Worum geht es wirtschaftlich beim Abmahnverfahren?
Gegenseitig
abmahnen können sich grundsätzlich nur Unternehmer, welche
Konkurrenten sind. Der eine beobachtet das Marktverhalten des anderen.
Handelt dieser entgegen eine Vorschriften des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG), so weist jener diesen darauf hin. Er mahnt
ihn ab. Anschließend beendet der Abgemahnte sein unlauteres
Verhalten, und die Sache hat sich erledigt. Nunmehr verhalten sich
beide lauter, d.h. korrekt. So jedenfalls die Theorie.
Worum geht es politisch beim Abmahnverfahren?
Der
Staat sieht zu, wie sich zwei konkurrierende Unternehmen gegenseitig
beobachten und gegebenenfalls abmahnen. Er könnte in einigen
Fällen das unlauter handelnde Unternehmen auch mit einem
Bußgeldbescheid beglücken. Denn nicht selten
verstößt der Abgemahnte gegen eine gesetzliche Vorschrift,
welche auch als Ordnungswidrigkeitsvorschrift ausgestaltet ist. Dadurch
aber, dass der Staat nicht seine Ordnungsbehörde beschäftigt,
sondern das gegenseitige Beobachten den Marktteilnehmern
überlässt, verursacht er Vorteile und Nachteile:
Die
Vorteile: Der Staat verzichtet auf einen umfassenden
Behördenapparat und erspart sich Kosten für Personal und
Material. Zweitens regt sich der Abgemahnte nicht über den Staat
auf, sondern über den Konkurrenten. Das nützt dem Staat
psychologisch.
Die
Nachteile: Das Abmahnwesen wird für den Abgemahnten finanziell
teurer als wenn er von der Behörde ein Anhörungs- und
später ein Bußgeldschreiben erhält. Zweitens
fördert der „Abmahnwahn“ die einigen Menschen eigene
Vorliebe zum gegenseitigen Denunzieren.
Die Abmahnung:
Mit
dem Abmahnschreiben verlangt der Abmahnende vom Angemahnten die Abgabe
einer strafbewehrten, unbedingten und unbefristeten
Unterlassungserklärung. Strafbewehrt heißt: Für den
Fall der Wiederholung soll der Abgemahnte dem
Abmahnenden/Gläubiger Geld zahlen – die sog. Vertragsstrafe.
Die Erklärung des Abmahnenden im Abmahnschreiben hat den Abschluss
eines Unterlassungsvertrags zum Ziel.
Typischerweise
legt der Abmahnende dem Abgemahnten einen Entwurf für dessen
Unterlassungserklärung bei. Das Beifügen eines Entwurfs ist
jedoch nicht erforderlich.
Zugang der Abmahnung:
Das Abmahnschreiben wird dem Abgemahnten per E-Mail, per Telefax
und/oder per Briefpost zugesandt. Für den abgemahnten gilt der
erste Zugang dieser drei Arten als der maßgebliche Zugang.
Deshalb dürfte im Abmahnbereich der E-Mail-Verkehr zunehmen.
Der Abmahnende muss den Zugang beim Empfänger darlegen und ggf.
beweisen. Gelingt es ihm, wie üblich das Datum und die weiteren
näheren Umstände zu benennen, müsste der Abgemahnte
darlegen und beweisen, dass er das Abmahnschreiben gleichwohl nicht
erhalten hat. Dies ist ihm, sofern er die Abmahnung per E-Mail erhalten
hat, kaum möglich.
Inhalt der
Unterlassungserklärung:
Der Abgemahnte/Schuldner erklärt, eine bestimmte Handlung nicht zu
wiederholen. Für den Fall der Wiederholung (erneuten Zuwiderhandlung) verspricht
er dem Abmahnenden/Gläubiger (oder einem dritten) die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Die Höhe der Vertragsstrafe wird entweder exakt beziffert (EUR xy,-) oder mit
der Formulierung des sog. Hamburger Brauchs umschrieben („angemessen“ u.a.).
Wer ist der Abgemahnte?
Abzumahnender ist der konkurrierende Mitbewerber, der die in Rede
stehende geschäftliche Handlung begangen hat. Also zum einen die Firma (über §
8 Abs. 1 UWG), zum anderen der persönlich handelnde Exponierte, z.B. der Geschäftsführer
dieser Firma (über § 8 Abs. 2 UWG). In den Taxiverkehr-Fällen, die vor dem LG Frankfurt
a.M. und OLG Frankfurt a.M. ausgetragen werden, sind die Exponierten die Taxifahrer.
Die Annahmeerklärung:
Der
Abgemahnte erklärt die Annahme des Begehrens auf Abschluss eines
Vertrages mit der Unterlassungserklärung. Der Abgemahnte wird
dadurch zum Schuldner aus dem nunmehr vertraglichen
Schuldverhältnis. Bis zur Unterzeichnung des Vertrages, d.h. bis
zur Annahme der Unterlassungserklärung des Schuldners/Abgemahnten
durch den Gläubiger/Abmahnenden besteht das gesetzliche
Schuldverhältnis aus UWG. Ab dem Abschluss des Vertrages besteht
es aus Vertrag.
Kerngleiche Verstöße:
Die
Abmahnung bzw. der Unterlassungsanspruch einerseits sowie die
Unterlassungserklärung andererseits umfassen auch die sog.
kerngleichen Handlungen. Das bedeutet: Nicht nur exakt dieselbe
Handlung, sondern auch alle unbedeutend abweichenden Handlungen sind
mit erfasst.
Wie lange dauert der Unterlassungsvertrag?
Wird
per Unterlassungserklärung des Schuldners und
Annahmeerklärung des Gläubigers ein Unterlassungsvertrag
geschlossen, dauert dieser eine Ewigkeit, d.h. ein Leben des Schuldners
lang. Gelegentlich wird behauptet, der Vertrag verpflichte nur
dreißig Jahre lang. Doch das ist falsch. Es gibt die
Verjährungszeit von 30 Jahren. Doch um diese geht es hier nicht.
Und die Verjährungszeit/-frist wirkt sich nicht auf die
Verträge selbst aus.
Wer
sich einem anderen gegenüber verpflichtet, sollte also aufpassen,
was er unterschreibt. Das Anfallen der versprochenen Vertragsstrafe
kann schnell passieren. Insbesondere „haftet“ ein
Arbeitgeber nicht selten für das Handeln seiner Arbeitnehmer. Das
Nähere steht in § 8 Abs. 2 UWG.
Was prüft der Abmahnende, bevor er eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verschickt?
Er
prüft den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der
geschäftlichen Handlung des Abzumahnenden und die Identität
des Handelnden/Abzumahnenden, etwa den Betreiber einer Website, auf
welcher ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift wahrnehmbar
ist. Weiterhin sichert er die festgestellten Tatsachen zwecks
späterer Vorlage bei Gericht. Dazu zählt auch das Einholen
von eidesstattlichen Versicherungen der später zu benennenden
Zeugen. Die Dokumentation erfolgt sowohl für das laufende
Abmahnverfahren als auch rein vorsorglich für das spätere
Vertragsstrafenverfahren.
Selbstredend
prüft der Abmahnende zuvor, ob das Verhalten des Konkurrenten
überhaupt rechtswidrig war… Denn andernfalls macht er sich
womöglich schadensersatzpflichtig:
Berechtigungsanfrage:
In einigen Fällen nimmt der Abmahnende einen bestimmten Sachverhalt
wahr, weiß aber nicht sicher, ob er aus dem gesehenen Verhalten auf das Fehlen
der Berechtigung zu diesem Verhalten schließen kann/darf. Es empfiehlt sich
dann im Einzelfall, statt der Abmahnung zunächst eine Anfrage zu verschicken
und nach dem Grund, nach der Rechtfertigung für das wahrgenommene Verhalten zu
fragen. Andererseits aber kann es dann gerade wegen dieser Zeitverzögerung,
welche mit der Berechtigungsanfrage verbunden ist, dazu führen, dass man im Falle
des sich anschließenden Verfügungsverfahrens die Eilbedürftigkeit verneinen
muss. Wer bummelt, habe es nicht eilig.
Schadensersatz wegen unberechtigter Abmahnung:
§ 945 ZPO
begründet die Schadensersatzpflicht des Abmahnenden:
„Erweist sich die Anordnung … einer einstweiligen
Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt …, so ist die
Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den
Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten
Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um
die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu
erwirken.“
Was prüft der Abgemahnte, nachdem er eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhalten hat?
Er
prüft, ob er bereits von einem anderen wegen desselben oder des
gleichen Verstoßes abgemahnt worden ist. Und er prüft
natürlich den behaupteten Sachverhalt und möglichst auch die
Rechtslage. Der Abmahnende teilt im Abmahnschreiben in der Regel die
gesetzlichen Vorschriften mit, auf welche die Abmahnung gestützt
wird.
Der
Abgemahnte muss sich entscheiden, ob er sich gegenüber dem
Abmahnenden oder einem Dritten oder später vor dem Gericht
gegenüber dem Staat verpflichten möchte. In einigen
Fällen besteht vielleicht auch die Möglichkeit, mit dem
Abmahnenden eine Vereinbarung über künftig gemeinsames
Geschäftsbetreibens zu erzielen (Motto: Miteinander ist besser als
gegeneinander.).
Hält
der Abgemahnte die Abmahnung für unbegründet, kann schon
jetzt dem künftig zuständigen Gericht seine
Gegenargumentation vortragen. Dieser Schriftsatz wird Schutzschrift
genannt. Die Alternative ist die Erhebung der sog. negativen
Feststellungsklage. D.h., der Abgemahnte begehrt vor Gericht die
Feststellung, dass die Abmahnung nicht berechtigt war.
Wer zahlt die Kosten für das Abmahnschreiben?
In den meisten Fällen verschickt ein Unternehmer (i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) das Abmahnschreiben (an seinen Konkurrenten). Er kann dann die Kosten der Abmahnung erstattet verlangen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG). Dazu zählen auch die Anwaltskosten für die Abmahnung.
In einigen Fällen mahnt ein Verein (i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG)
im Namen seiner Mitgliedsunternehmen ab (Fachverband) oder im Namen der
Verbraucher (Wettbewerbsverein). Der Verein kann, weil er ja für
das Abmahnen eine gewisse Ausstattung von Material und Personal
vorhalten muss, durchschnittliche Abmahnfälle selbst bearbeiten.
In diesen Fällen ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht
erforderlich. Gleichwohl verursachte Anwaltskosten braucht der
Abgemahnte dem Abmahnenden nicht zu erstatten. Der Abmahnverein
erhält, wenn er selbst schreibt, eine Abmahnpauschale. Diese liegt
häufig bei um die EUR 200,-.
Ist die Abmahnung nur teilweise berechtigt, ändert sich dann, wenn
ein Abmahnverein abmahnt nichts. Denn die Abmahnpauschale fällt
unabhängig von den Einzelheiten an, eben pauschal. Sofern ein
Unternehmer abmahnt, sind ihm die „berechtigten“ Kosten zu
erstatten, d.h. bloß ein Teil.
Einstweilige Verfügung:
Verweigert
der Schuldner die Abgabe der Unterlassungserklärung, kann der
Gläubiger das Gericht (Landgericht) anrufen und eine entsprechende
Klage erheben. Ein solches Gerichtsverfahren dauert Monate, wenn nicht
sogar über ein Jahr.
Hält
der Zustand der Rechtsverletzung noch an oder besteht – wie
üblich – die sog. Wiederholungsgefahr, so kann der
Gläubiger beim Landgericht auf den Erlass einer einstweiligen
Verfügung beantragen. Ein solches Verfahren dauert nur wenige Tage
oder Wochen.
In
diesem Eilverfahren werden gewöhnlich nicht alle behaupteten
Tatsachen bewiesen. Sondern der Gläubiger muss und braucht die
behaupteten Tatsachen bloß glaubhaft machen mittels
eidesstattlicher Versicherung.
Beschluss:
Das
Landgericht „verkündet“ die einstweilige
Verfügung dann per Beschluss. Vorausgesetzt natürlich, der
Unterlassungsanspruch ist überhaupt gegeben und die sonstigen
Voraussetzungen des Verfahrens sind erfüllt.
Dieser
Beschluss 8einstweilige Verfügung) gilt – einstweilig
– solange, bis das Klageverfahren rechtskräftig
abgeschlossen ist. Mit der Rechtskraft des Urteils im Klageverfahren
(Hauptsacheverfahren) wird der Beschluss automatisch wirkungslos.
Weil
das Hauptsacheverfahren zusätzliche Kosten verursacht und in den
meisten Fällen nicht zu erwarten ist, dass das Gericht die selbst
beschlossene einstweilige Verfügung wieder zurücknimmt im
Wege des Urteils, verzichtet der Schuldner nicht selten auf den Gang
zum Gericht zwecks Klärung der Rechtsfragen im (unnötigen)
Hauptsacheverfahren. Er gibt dann eine Abschlusserklärung ab.
Abschlusserklärung:
Der
Schuldner, der das Ergebnis der einstweiligen Verfügung als
endgültiges akzeptieren möchte, gibt hierfür die sog.
Abschlusserklärung ab. Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen
Gläubiger und Schuldner endet dann.
Abschlussschreiben:
Erklärt
der Schuldner die Abschlusserklärung nicht rechtzeitig von sich
aus, dann kann der Gläubiger ihn auffordern, eine solche
Erklärung abzugeben. Dieses Aufforderungsschreiben wird als
Abschlussschreiben bezeichnet.
Das
Abschlussschreiben kostet weiteres Geld. Denn es fallen weitere
Auslagen an. Wird ein Rechtsanwalt beauftragt, entstehen nicht selten
zusätzliche Anwaltskosten in Höhe von etwa 60 Prozent der
Kosten, welche bereits das Abmahnschreiben verursacht hat (0,8 statt
bisher 1,3 Faktor Abrechnungsmodus nach RVG).
Der Schuldner kann sich das Geld gemeinhin ersparen.
Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung:
Der
Schuldner wird also entweder seine Abschlusserklärung abgeben oder
aber mit der einstweiligen Verfügung nicht einverstanden sein. Ist
er mit der Gerichtsentscheidung nicht einverstanden, kann er gegen die
Entscheidung Widerspruch einlegen. Auf den Widerspruch hin wird eine
mündliche Verhandlung anberaumt und sodann per Urteil entschieden.
Auch dieses Urteil wirkt nur vorläufig/einstweilen.
Zeugen vor dem Landgericht?
Eine Beweisaufnahme vor dem Landgericht im Eilverfahren kann
durchgeführt werden. Allerdings wird kein Zeuge geladen. Sondern
die jeweilige Prozesspartei (Verfahrensbeteiligte) muss ihre Zeugen
schon selbst mitbringen. Denn die Tatsachen sind im Eilverfahren nur
„glaubhaft“ zu machen. Und die Glaubhaftmachung durch eine
Beweisaufnahme, die nicht sofort durchgeführt werden kann, ist
unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO).
Abschlusserklärung II:
Spätestens
dann, wenn der Schuldner auch dieses Mal vor Gericht unterliegt, muss
er entscheiden, ob er das Ergebnis nun als endgültig akzeptiert
(dann schreibt er seine Abschlusserklärung doch noch) oder ob er
den Gläubiger verpflichten lässt, das Hauptsacheverfahren
durchzuziehen. Dieses endet später mit dem Urteil erster Instanz
(Urteil des LG), im Falle der Berufung mit dem Urteil zweiter Instanz
(Urteil des OLG). Und bei Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung
entscheidet vielleicht noch der BGH als dritte Instanz (Urteil des BGH).
Eilbedürftigkeit und Verjährung:
Der
Gläubiger hat sechs Monate Zeit, um zu reagieren. Sobald er von
der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt oder Kenntnis hätte erlangen
müssen, muss er, will er seine Rechte nicht verlieren, binnen
sechs Monaten das Abmahnschreiben verschicken, unter Umständen den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen sowie die
Klage einreichen. Ein volles Arbeitspensum!
Stellt
er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, sollte er
dem Gericht darlegen, weshalb es für ihn nicht ausreicht, wenn nur
eine Klage einreicht. Zwar muss er dies angesichts des § 12 Abs. 2
UWG nicht, weil die Dringlichkeit kraft Gesetzes vermutet wird. Doch
ist es ratsam, zumindest das Datum der Kenntnisnahme vom
Rechtsverstoß mitzuteilen und binnen sechs Wochen beim Gericht
den Antrag zu stellen. Die Sechs-Wochen-Frist ist keine echte Frist
oder gar Verjährungsfrist.
Vielmehr
besteht die gesetzliche Vermutung pro Eilbedürftigkeit nach
Auffassung der Rechtsprechung nicht mehr, sofern bereits rund sechs
Wochen verstrichen sind, ohne dass der Gläubiger zum Gericht geilt
ist.
Wer
einen anderen also abmahnen möchte, sollte sich fortwährend
beeilen. Die sechs Wochen gelten für das Eilverfahren und sind
schnell rum. Die sechs Monate gelten für das Klageverfahren und
auch recht schnell rum. Insbesondere kann es passieren, dass der
Abgemahnte noch diese oder jene Erläuterung wünscht und
zuwartet. Dann kann es passieren, dass die Zeit abläuft.
§ 12 Abs. 2 ZPO verweist auf § 935 ZPO. § 935 ZPO
heißt: "Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den
Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des
Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte." Diese "Besorgnis" muss nicht glaubhaft gemacht werden.
Zahlungsklage Abmahnkosten:
Die Unterlassungserklärung bzw. die einstweilige Verfügung
bzw. das auf Unterlassung gerichtete Urteil beziehen sich nicht auf die
Kostentragung der vorgerichtlichen Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Erstattung der Abmahnkosten muss unter Umständen separat eingeklagt werden.
Sachlich zuständig ist das Gericht, welches für den
Unterlassungsanspruch zuständig ist. Also das Landgericht, nicht
das Amtsgericht.
Gerichtszuständigkeit sind unter anderem:
Niedersachsen
im Nordwesten: Die Amtsgerichte Norden, Aurich, Wittmund und Leer
bilden den Bezirk des Landgerichts Aurich. Die Amtsgerichte in Jever
und Wilhelmshaven zählen zum Bezirk des Landgerichts Oldenburg.
Von den ostfriesischen Inseln zählen alle Inseln vom Westen bis
nach Spiekeroog zum Bezirk des LG Aurich. Wangerooge dagegen zählt
zum Bezirk des AG Jever bzw. des LG Oldenburg. Denn die historische
Grenze zwischen dem "eigentlichen" Ostfriesland (Bezirk LG Aurich) und
dem "Oldenburgischen (AG Jever u.a.) verläuft zwischen den
Gemeinden Wittmund und Jever. Unterschieden werden deshalb die ostfriesischen Inseln (ohne Wangerooge und Minsener Oog) und die Ostfriesischen
Inseln (alle deutschen Inseln von West bis einschließlich
Minsener Oog, -- strittig -- ausschließlich Mellum).
Betonung gemäß Unterstreichung. Die Gerichtsbezirke der
Landgerichte sind somit historisch bedingt. Tradition statt andere
Argumente...
V. Links:
Urteile in Hessen (Link Search); Listen der Klageverbände (Link zur Infoseite hier).
Liste abmahnberechtigter Klageverbände nach § 8a UWG (Liste des Bundesjustizamts); Stand 02.04.2024.
Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG (Liste des Bundesjustizamts); Stand 22.04.2024.
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Offenbach am Main, 11.07.2024
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