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Kanzlei für Naturschutz- und Gewässerrecht




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Wettbewerbsrecht
   

 
 
 
Wettbewerb
Alle Unternehmen stehen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Grob gesagt, gibt es zwei Kategorien von Marktstrategien. Die einen Unternehmer versuchen, sich durch niedrige Verkaufspreise am Markt durchzusetzen. Es entsteht dann ein Preiswettbewerb. Die anderen Unternehmer versuchen, ihre Produkte über Qualität und/oder ethische Gesichtspunkte an den Kunden zu bringen und die Welt vielleicht ein Stück weit zum Guten hin zu beeinflussen. Es bildet sich dann ein Qualitäts- und/oder Ethikwettbewerb heraus -- sofern die Qualität bzw. die Ethik wahrheitsgemäß angepriesen wird.
In beiden Konstellationen können die Produkte für die Umgebung (Menschen, Tiere, Pflanzen, Klima) oder die Gesundheit schädlich sein. 
Bei dem Versuch, die eigenen Produkte (samt Marken) an den Kunden zu bringen, stellen sich einige Unternehmen in ein besseres/schöneres Licht, als sie bzw. ihre Produkte es aus Sicht der Konkurrenten und/oder der Kunden verdient haben. Es besteht die Möglichkeit, dass sich einzelne Unternehmen gegenüber den Mitbewerbern/Konkurrenten unfair/unlauter zu verhalten.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und andere Gesetze (z.B. Heilmittelwerbegesetz HWG) sollen diesem Treiben Grenzen setzen.
 
Beispiel Heilstollentherapie
 
In Deutschland gibt es mehrere Bergwerke, Salzgrotten und „Heilstollen". Einige dieser Stollen sind als Heilstollen -- zumindest -- aus Sicht des Publikums/Verkehr als gesundheitsfördernd akzeptiert (Stichwort Speläotherapie = Höhlentherapie, Untertage-Klimatherapie = Heilstollentherapie). In anderen Fällen (Stollen), so scheint es, ist die Grenze zwischen dem Aufenthalt im Stollen zum Wohlfühlen und dem Aufenthalt im Stollen zum Heilen (= Beenden der Krankheit XY) fließend. Ohnehin gibt es verschiedene Stollenarten -- nämlich Salzstollen (vgl. das Tote Meer) und Nicht-Salz-Stollen (d.h. die reine Luft niedriger Temperatur ist entscheidend).
Die Gerichte, welche sich mit Lauterkeitsrecht befasst haben, halten fest, dass der Beweis für jeden einzelnen Stollen separat geführt werden muss. Man könne nicht von der Wirkung des Aufenthalts in dem einen Stollen auf die ebensolche Wirkung des Aufenthalts in dem anderen Stollen schließen. Zudem trage der Betreiber des Stollens bzw. Heilstollens die Darlegungs- und Beweislast für die heilende Wirkung. Aus der Rechtsprechung:
 
zu sehen, nach dem eine Heilmittelwerbung irreführend ist, wenn Behandlungen oder Verfahren eine therapeutische Wirkung beigelegt wird, die sie nicht haben. Die Vorschrift regelt die Interessen der Verbraucher zum Schutz ihrer Gesundheit, wie der Senat schon wiederholt entschieden hat. ... Der Klägerin steht zunächst ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Nr. 1 HWG zu. Der Beklagte hat gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § [3a] UWG verstoßen, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Marktverhaltensregelung ist in § 3 Nr. 1 HWGDie Studie hat aber gerade nicht das Ergebnis gehabt, dass durch den Besuch des Stollens auch nur eine dieser Krankheiten in signifikanter Weise geheilt, also vollständig beseitigt worden sein soll. ... In der Bezeichnung des Stollens als "Heilstollen" ist eine Angabe zu sehen, die bei den angesprochenen Verbrauchern den Eindruck erweckt, der Besuch des Stollens habe eine Heilwirkung in Bezug auf bestimmte Krankheiten, die sie nach ihrem Vorverständnis mit solchen Stollen ähnlich wie mit Höhlen in Verbindung bringen. Das sind in erster Linie Atemwegserkrankungen und Hautkrankheiten, weil sich Stollen und Höhlen in den Augen der Verbraucher dadurch auszeichnen können, dass sie über ein feuchtes, kühles und vor allem beständiges Klima verfügen, das bei solchen Krankheiten hilfreich sein kann. Wenn der Stollen heilen soll, dann geht es nach dem Verständnis der angesprochenen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, um solche Erkrankungen. Die angesprochenen Verbraucher nehmen dagegen nicht an, dass der Heilstollen jede Krankheit heilen könne. Diese Verbrauchervorstellung ist unrichtig, weil der Besuch der Höhle nach den obigen Ausführungen eine solche Heilwirkung gegen Atemwegserkrankungen und Hautkrankheiten nicht hat. ..." (OLG Hamm, Urteil vom 25.09.2008 – I-4 U 91/08, GRUR-RR 2009, 186 = openJur 2011, 59812).
 
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG finden die Vorschriften dieses Gesetzes u.a. Anwendung auf Werbung für "andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht". Das ist hier bei der den Berufungsgegenstand bildenden Werbeaussage der Fall. Bei dem Besuch in der Salzgrotte handelt es sich ausgehend von der Werbung der Beklagten um ein Verfahren bzw. eine Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. ... dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (...). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können. ... Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist." (Saarländisches OLG, Urteil vom 19.12.2018 – 1 U 41/18, NJW-RR 2019, 484 = GRUR-RR 2019, 184 = openJur 2019, 41665).
 
Persönlicher Kommentar: Es müssen hiernach Studien gleichsam nachgereicht werden. Dies heißt aber nicht, dass ein Besuch in einem dieser Stollen bzw. Heilstollen nicht empfehlenswert wäre. Im Gegenteil! Positive Patientenberichte gibt es zahlreiche. Es fehlen eben noch die Studien. Aus diesen lassen sich dann Wirkungsgrade o.ä. herauslesen. Bis dahin ist mit einem knackigen Werbespruch noch zu warten.
 
 

 
I. Zweck
Das UWG dient dem Schutz bestimmter Menschen (Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer, Verbraucher) „vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“ (§ 1 Satz 1 UWG). Zugleich soll es „einem unverfälschten Wettbewerb“ dienen (§ 1 Satz 2 UWG). Das Wort „zugleich“ bedeutet letztendlich, dass die Unternehmen, welche sich gegenseitig lauterkeitsrechtlich abmahnen, sowie die Richter, die über die Lauterkeits-Streitfälle zu entscheiden haben, – zumindest der Idee nach – auch die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen.
 
Worin liegt das Interesse der Allgemeinheit?
Mit dem Begriff „unverfälschter“ Wettbewerb wird zum einen ausgegrenzt, was nach dem UWG in Bezug auf die Interessen nicht bezweckt werden soll: z.B. Wohlstand für alle. Oder: möglichst viele Arbeitsplätze. Oder: optimale Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Umweltstandards. All dies spielt keine Rolle.
Zum anderen besagt das Wort „unverfälscht“, dass es einen richtigen Wettbewerb gibt und dass dieser verfälscht werden kann, d.h. zum falschen Wettbewerb wird oder werden kann. Hierzu s. sogleich unter „Wettbewerbsschutz“. Der Wettbewerb benötigt einen „Marktplatz“, auf welchem Angebote – im Verhältnis der Anbieter untereinander fair – präsentiert werden können. Ähnlich wie der Wahlkampf der politischen Parteien. Diese benötigen den fair ausgestalteten und funktionierenden „Marktplatz“ der Meinungsbildung und Präsentation ihrer Wahlprogramme. Der Kampf bezieht sich auf die Erzielung der Vertragsabschlüsse bzw. der Wählerstimmen (Wettbewerb und Wahlkampf).
Das UWG dient dem Schutz bestimmter Menschen (Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer, Verbraucher (§ 1 Satz 1 UWG). Es nicht dem Schutz der handelnden Unternehmen, deren geschäftliche Handlungen überprüft/beurteilt werden muss. Das bedeutet: Das UWG gibt dem Rechtsanwender (Richter, Rechtsanwalt, Unternehmer) eine Interessenabwägung vor. Es muss sozusagen immerzu abgewogen werden. Das ist in der Praxis durchaus mühselig. Einfacher wäre es mit simplen Geboten und Verboten wie im Ordnungswidrigkeitsrecht. So aber muss nicht nur abgewogen, sondern dabei möglichst auch das große Ganze begriffen und bewahrt werden. Dabei spielt immerzu das Menschenbild eine Rolle: Wer soll vor wem geschützt werden? Weshalb? Wirklich auch im Streitfall?
 
Was folgt aus der Kombination aus Zweck und Personenkreis?
Die Gerichte müssen abwägen, dürfen dabei jedoch nicht mit Argumenten begründen, die aus den Bereichen Wohlstand, Arbeitsmarkt, Sozialpolitik, Umweltpolitik, Jugendschutz u.a. stammen (BT-Drs. 15/1487, Seite 16). Sondern die Richter (Rechtsanwender) dürfen nur auf den Gedanken des „fairen“ Wettbewerb (BT-Drs. 19/12084, Seite 1) abstellen. Also: fair ja. Und wenn dann Arbeitsplätze verloren gehen, dann ist das eben so.
 
Was ist der „richtige“/unverfälschte/funktionsfähige Wettbewerb? Was bedeutet dieser „Wettbewerbsschutz“ genau?
Das Bundesverfassungsgericht sprach im Jahre 2002 von dem „an der Leistung orientierten Wettbewerb“ (Leistungswettbewerb, Wettbewerbsschutz). Das EU-Recht und auch das Wort „Verbraucher“ in § 1 UWG lassen erkennen, dass das UWG nunmehr, seit etwa 2004/2008, zum einen den Leistungswettbewerb und zum anderen den – einem Leistungswettbewerb gelegentlich entgegenstehenden – Verbraucherschutz bewahren soll. Also zwei Zwecke, die teils konträr laufen. Daran krankt das UWG.
Die sog. UGP-Richtlinie, welche mit dem UWG umgesetzt wurde, nennt das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ und das „Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ als die zwei Ziele des EU-Rechts. Der Schwerpunkt des EU-Rechts liegt eindeutig auf dem Verbraucherschutz. Das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ bzw. der „unverfälschte Wettbewerb“ spielt auf EU-Ebene eine geringere Rolle. Er dient mehr der Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des EU-Rechts bzw. unionsrechtlich veranlassten UWG. Die UGP-Richtlinie (d.h. nur diese, nicht auch das übrige EU-Recht) betrifft nur den B2C-Bereich; das EU-Recht gemäß UGP-Richtlinie schützt vorrangig den Verbraucher, nicht die Wirtschaft.
Das UWG dagegen gilt sowohl für den B2C-Bereich (schon immer) als auch den B2B-Bereich (neuerdings ebenso, aufgrund der Vorgaben des EU-Rechts); es soll die Wirtschaft und auch die Verbraucher schützen. Um einen Widerspruch zwischen den zwei Zielen des UWG und dem vordergründig nur einen Ziel der UGP-Richtlinie zu vermeiden, muss das sekundäre Ziel des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes einbezogen werden:
Der Binnenmarkt funktioniert reibungslos nur dann, wenn die Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten die Chance und die Möglichkeit haben/erhalten, am Wettbewerb (mit Angebot und Nachfrage) teilzunehmen und dabei vor zu vielen oder zu starken Einflüssen/Beschränkungen der EU-Staaten (Planwirtschaft) bewahrt zu werden, d.h. letztlich zuvörderst der Verbraucher das Recht und die Möglichkeit hat, sich für dieses oder jenes Angebot am Markt zu entscheiden. Also Verbraucherschutz als konsequente Folge des Binnenmarkt-Leistungswettbewerbs auch über innerunionliche (statt innerstaatliche) Grenzen hinweg. Wird der Verbraucher durch die langfristigen Folgen der zu beurteilenden Handlung des in Rede stehenden Unternehmens daran gehindert, grenzüberschreitend Angebote anzunehmen, konkret Waren zu kaufen und Dienstleistungen nachzufragen? Und zwar durch freie und informierte Entscheidung und ohne planendes Wirtschaftseingreifen des Staates (Fünfjahresplan).
Deutschland hat ein Interesse daran, dass die privaten Anbieter und Nachfrager (und nicht der Staat) die Angebote und deren Preise/Entgelte selbst bestimmen und beeinflussen. Die guten, den Verbraucher und die Allgemeinheit zufriedenstellenden Marktergebnisse stellen sich dann, so die Idee/Theorie, von selbst ein. Freilich nicht selten auf Kosten der natürlichen Ressourcen; s. Naturschutzrecht.
 
Welchen Verbraucherschutz meint das UWG i.V.m. EU-Recht i.S.d. UGP-Richtlinie?
Das EU-Recht im Allgemeinen schützt den Verbraucher in Bezug auf die Wirtschaft, die Gesundheit, die Sicherheit, die Bildung (Information und Erziehung) etc. (Art. 169 Absatz 1 AEUV). Die UGP-Richtlinie und damit auch das UWG schützen den Verbraucher nur in Bezug auf die Wirtschaft, d.h. als Marktteilnehmer mit seinen Willenserklärungen in freier (= selbstbestimmter) Weise aufgrund informierter Entscheidungsgrundlage UGP-Richtlinie mit Zweck/Zielen und Erwägungsgrund 18 (der aufmerksame und informierte Durchschnittsverbraucher = der durchschnittlich aufmerksame und informierte Verbraucher = nicht: der ungebildete, naive, flüchtige, menschlich schutzbedürftige Verbraucher). Der Verbraucher benötigt für seine freien, informierten Entscheidungen das Fehlen von Druck oder Zwang sowie vollständige und richtige Sachinformationen (vgl. sodann § 5 und § 5a UWG) sowie eine Angebotsvielfalt (Auswahl und Auswahlfreiheit; keine Monopole oder Oligopole) sowie die Gelegenheit, sich mit anderen Verbrauchern über die Produkte auszutauschen (vgl. Kundenbewertungen, Warentests und Rankings).
 
Anwendungsfall des § 3a UWG (Rechtsbruch):
Verstößt ein Unternehmer gegen gesetzliche Vorschrift außerhalb des UWG (vgl. § 3a UWG), stellt sich die Frage, ob der Gesetzesverstoß gegen diesen § X des Gesetzes Y dazu führen kann, dass der Verbraucher/Marktteilnehmer/Mitbewerber in seinem Recht auf Teilhabe am Markt und in seinem Recht auf Leistung und Leistungsentfaltung beeinträchtigt werden kann und die Untersagung dieses Gesetzesverstoßes für die Zukunft (§ 8 Abs. 1 UWG) deshalb im Interesse der Allgemeinheit liegt.
 
Wie wird das Interesse der Allgemeinheit ermittelt und in ein Gerichtsurteil gebracht?
Theoretisch ist dies die Aufgabe der Parten (Unternehmen). Diese könnten beispielsweise Marktstudien (Volkswirtschaftslehre) in Auftrag geben und auf Studien verweisen.
Doch das allein klappt nicht immer. Deshalb ist es die Aufgabe der Richter, das Interesse der Allgemeinheit zu ermitteln (durch Heranziehung ggf. der VWL-Fachliteratur) und in das Urteil einzubringen – im Namen des Volkes (so im Ergebnis auch § 1 Satz 2 UWG; sonst stünde diese Vorschrift nur auf dem Blatt Papier).
 
 
 
II. Einleitung Lauterkeitsrecht nach UWG

"Das ist aber unfair!" Welches Marktverhalten eines konkurrierenden Unternehmens tatsächlich unlauter im Sinne des Rechts ist, wird insbesondere nach den §§ 3 bis 7 UWG beurteilt. Die in diesen Vorschriften aufgeführten Handlungen sind bürgerlich-rechtlich und öffentlich-rechtlich oftmals rechtmäßig, doch gleichwohl im Einzelfall und ausnahmsweise rechtswidrig, nämlich nach dem UWG. Drei Beispiele:
 
Beispiel 1: Das Telefonieren/Anrufen als solches ist rechtmäßig, Nicht rechtmäßig aber ist das Belästigen eines anderen per Telefonterror zwecks Kundenakquise (cold calls nach § 7 UWG). Wie lassen sich zulässiges und belästigendes Telefonieren voneinander abgrenzen?
 
Beispiel 2: Unternehmer, Geschäftsführer und Verkäufer unterliegen nicht selten der Versuchung, ihre Produkte besser darzustellen, als diese es tatsächlich sind. Motto: Ich bin der Größte, Schnellste, Schönste, Klügste usw. Das geht gelegentlich schief: Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, „wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, „wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: [Nr. 1] die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen.“ Hat der Unternehmer etc. mit seinen Darstellungen übertrieben? Oder hat er sich noch im Rahmen des Zulässigen gehalten?
 
Beispiel 3: Die gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) des einen Mitbewerbers/Unternehmers durch einen anderen setzt entweder die Schädigungsabsicht des Handelnden oder aber eine schwerwiegende, nicht hinnehmbare Handlungsfolge dergestalt voraus, dass ein bestimmter Konkurrent (d.h. der gezielt behinderte Marktteilnehmer) vom Markt verdrängt werden soll, was eine gewisse Intensität des Verhaltens beinhaltet. Andernfalls handelte es sich stattdessen um eine Bagatelle. Im Streitfall ist das noch akzeptable vom nicht mehr akzeptablen Verhalten abzugrenzen. Das eine Verhalten ist das sog. lautere, das andere das sog. unlautere Verhalten.
 
Im Lauterkeitsrecht kommt es auf das Argumentieren und Abgrenzen sowie auf die Abwägung aller widerstreitenden Interessen (auch der Allgemeinheit) an. Für Sie als Unternehmen empfiehlt es sich, Ihre Überlegungen oder Verärgerungen über einen Konkurrenten aufzuschreiben. Dann lässt sich der Hauptvorwurf leichter herausarbeiten. Ein Hauptproblem im Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht) besteht darin, dass die ergangenen Gerichtsurteile nach dem Durchlesen dieser Urteile einem rechtlich unerfahrenen Menschen suggerieren, dass es nur diese eine Entscheidungsantwort geben konnte. Das ist nicht der Fall. Das Urteil hätte -- in vielen Fällen -- auch gegenteilig ausfallen können. Denn die Begründungen sehen nur gut aus bzw. hören sich gut an, sind es aber recht häufig gar nicht. Mehr Schein als Sein.
 

Ein anderes Hindernis bei der Beurteilung der Lauterkeit/Unlauterkeit ist der stete Wandel. Das UWG wird regelmäßig geändert, zuletzt mit Wirkung ab 02.12.2020 und 01.12.2021 (01.09.2021): BT-Drs. 19/12084 (Entwurf), BT-Drs. 19/22238 (Beschlussempfehlung und Bericht), zur Historie. Was heute lauter ist, kann morgen unlauter sein. Und umgekehrt. Der Rechtsbegriff "unlauter" hatte im Jahre 2004 den Rechtsbegriff "sittenwidrig" abgelöst. Was ist sittigwidrig? Ein historisches Beispiel ist die Prostitution: vor 2.000 sittenkonform, im letzten Jahrhundert verboten, in diesem Jahrhundert wieder rechtlich akzeptiert. Mal so, mal so. 
 
 
III.
Tatbestände des UWG
§ 3 Absatz 1 UWG bestimmt: "
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig." In den nachfolgenden Paragrafen ist definiert/umschrieben, was unlauter in diesem Sinne und somit verboten ist. Es seien hier einige der Tatbestände (Verbote) aufgeführt:
 
 
1. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 1 UWG
§ 4 Nr. 1 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft."
Es handelt sich um das Verbot von rufschädigenden Handlungen. Die Vorschriften gegen Rufschädigung im Zivil- und Strafrecht (BGB und StGB) sind zusätzlich anwendbar.
§ 4 Nr. 1 UWG erfasst Tatsachenbehauptungen, die wahr sind. Unwahre Tatsachenbehauptungen werden von § 4 Nr. 2 UWG erfasst. Im Wettbewerb sind (auch) wahre Äußerungen verboten, sofern sie einen Konkurrenten in seinem Image oder in seiner Ehre herabsetzen oder verunglimpfen. Wer sich rechtskonform verhalten möchte, preist seine eigenen Leistungen an und konzentriert sich nicht darauf, die Leistungen anderer zu schmälern. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Denn alle Unternehmen stehen auch kommunikativ im Leben: Pressemitteilungen, Werbung, politische Stellungnahmen. Im Kern geht es zugleich um die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit des eigenen Unternehmens und dem Grundrecht des anderen Unternehmens auf "Geschäftsehre" (Persönlichkeit) als Teil des Rechts auf Unternehmen. Es müssen im Einzelfall deshalb stets alle Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden: Motive, Absicht/Ziele, Folgen, betroffene Rechtsgüter. Je eigennütziger/selbstbezogener die Äußerung (z.B. Werbung), desto besser.
Eine Herabsetzung wird definiert als die sachlich nicht mehr gerechtfertigte Reduzierung der Wertschätzung eines Konkurrenten und dessen Leistungen. Eine Verunglimpfung wird definiert als eine besonders intensive Herabsetzung. Deshalb kann man das Wort Verunglimpfung hier ignorieren und sich allein auf das "Herabsetzen" konzentrieren. Letztlich geht es um die Frage, ob die kritisierte Handlung sachlich und unternehmerisch gut begründet werden kann. Ob sie einen unternehmerischen Sinn ergibt. Auf Juristendeutsch: noch angemessen oder bereits nicht mehr angemessen? Oder: Welche Äußerung war noch nötig, und welche ist es nicht mehr?
Man kann hier teils stundenlang argumentieren und diskutieren. In der Praxis gibt es Richter, die jedoch in Sekundenschnelle emotional entscheiden und das Ergebnis dieser emotionalen Entscheidung sodann so begründen, dass die Begründung gut klingt. Deshalb sollte jedes Unternehmen nur vorsichtig Kritik an konkurrierenden üben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung bezüglich der Kritik an bestimmten anderen Personen oder Unternehmen oder Waren oder Leistungen wird trotz zahlreicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von zu vielen Richtern/Juristen nicht im Sinne eines freiheitlichen Verständnisses begriffen. Sondern im Sinne eines gut meinenden; Motto: Das gehört sich nicht! Häufig kommt es in der zu beurteilenden Äußerung lediglich auf die "richtige" Wortwahl an. Auf Worte statt auf Taten. Es geht um die Ehre, gelegentlich um gekränkte Seelen.
Für ein lauterkeitsrechtlich abgemahntes Unternehmen heißt die Empfehlung: sich wehren, präzise nachdenken und begründen.
 
 
2. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 2 UWG
§ 4 Nr. 2 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden."
Die Äußerung muss keine Herabsetzung oder Verunglimpfung sein. Es reicht, dass die Äußerung den "Betrieb" oder den "Kredit" (das Ansehen) schädigen kann, d.h. dass Kunden aufgrund der Äußerung abwandern oder gar nicht erst zu dem kritisierten Unternehmen gehen (dürften). Mit der Äußerung muss der Zweck verfolgt werden, andere Menschen über bedeutsame Vorgänge/Geschehnisse des Konkurrenten (Mitbewerbers) zu informieren mit eben der Konsequenz, dass diese Menschen darüber nachdenken können, geplante oder bestehende Geschäftsbeziehungen oder Kundenbeziehungen zu diesem Unternehmen abzubrechen. Der Konkurrent muss aufgrund der Äußerung identifiziert werden können. Sein Name muss hierfür nicht ausgesprochen worden sein. Die angesprochenen Menschen wiederum müssen nur die Möglichkeit haben, die Äußerung zu vernehmen. Die Äußerung muss von den Adressaten nicht auch tatsächlich wahrgenommen werden.
Die Tatsachenbehauptung muss "nicht erweislich wahr" sein. Das bedeutet, dass der Äußernde die von ihm behauptete Tatsache beweisen können muss. Er geht sonst das Risiko ein, einem wettbewerblichen Unterlassungsanspruch zu unterliegen.
Ein Abgrenzungsproblem besteht schließlich noch darin, Tatsachenbehauptungen von reinen Meinungen abzugrenzen. Eine Meinung ist die Äußerung: "Das ist strafrechtlich relevant." Denn, ob das wirklich so ist, entscheiden andere. Auch Prognosen  sind Meinungen. Zu den Tatsachenbehauptungen zählen Äußerungen mit einem Vorwurf wie z.B. "Die Ware ist ein Plagiat." (Rechtstatsache), "Das ist seine Betrugsmasche." (Rechtstatsache), "Er verstößt gegen das Recht." (Rechtstatsache).
 
 
3. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 3 UWG

§ 4 Nr. 3 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat."
Eine Nachahmung ist eine Handlung, mit welcher ein dem handelnden Unternehmen bekanntes Produkt eines anderen Unternehmens nicht nur bloß als eine Anregung für ein eigenes Produkt heranzieht, sondern dieses fremde Produkt gedanklich/technisch so sehr übernimmt, dass man von einer Aneignung des fremden Produktergebnisses sprechen muss. Wo genau die Grenze zwischen dem noch nicht freien Schaffen eines eigenen, neuen Produkts und dem bereits freien, zulässigen Schaffen von etwas Neuem liegt, kann nicht pauschal gesagt werden. Die Juristen lesen hier nicht selten im Kaffeesatz und entscheiden nach Bauchgefühl? Jedenfalls muss entschieden werden, ob die Abweichung zwischen dem fremden und dem eigenen Produkt groß genug ist -- d.h., es besteht ein fließender Übergang. Juristen sprechen gerne von den "Umständen des Einzelfalls". Also: mal so, mal so.
Zum Produkt zählt nicht nur die eigentliche Ware oder Dienstleistung, sondern auch die Verpackung der Ware bzw. die Darstellungsweise der Dienstleistung. Also alles, womit ein Unternehmen auf den Markt tritt, um seine Ware bzw. Dienstleistung anzupreisen. Ein einfaches Beispiel: der Webseitenauftritt (Homepage)... Nicht zum Produkt hingegen gehört die Produktidee als solche. Hier verhält es sich im Wettbewerbsrecht nicht anders als im Urheberrecht. Auch dort ist die als solche Idee nicht geschützt, sondern frei. Andernfalls wäre eine Produkt- und Marktweiterentwicklung für die Allgemeinheit gar nicht möglich.
Mit der Handlung ist das Ergebnis der Nachahmungshandlung nicht zu verwechseln. Zumindest in der Theorie.
Eine Nachahmung ist zunächst einmal ein im Wirtschaftsleben normaler Vorgang. Ein jeder Mitbewerber sieht sich die Erfindungen und Weiterentwicklungen der Konkurrenz an, um auf neue Ideen zu kommen. Insbesondere die kommerziellen Messen (Messegelände in Frankfurt, Leipzig, Essen etc.) sind Schauplatz für die Interessierten. Wer hat das neueste Modell? Die Unlauterkeit nach UWG kann deshalb -- wie generell im UWG und besonders in § 4 UWG -- nur in Ausnahmefällen bejaht werden! Daraus ergibt sich Aufgabe für den Mandanten und seinen Rechtsanwalt, die Grenze zwischen dem Grundsatz (zulässig) und der Ausnahme (unzulässig) zu ziehen, und zwar so, dass es auch die Gerichte für plausibel erachten. Angezeigt sind rationale Argumente. Andernfalls droht ein Gerichtsurteil, welches nach dem Bauchgefühl gefällt worden ist. Dies aber ist nicht Sinn und Zweck des § 4 Nr. 3 UWG.
Die Vorschrift § 4 Nr. 3 UWG schützt nur vor der Nachahmung von Waren und Dienstleistungen, nicht auch vor der Nachahmung von Bezeichnungen/Zeichen für diese Waren und Dienstleistungen. Das heißt: Das Markengesetz und das UWG stehen nebeneinander und können voneinander gut abgegrenzt werden. Der Zeichenschutz wird nicht durch das UWG gewährleistet. Freilich gibt es in Einzelfällen gleichwohl Abgrenzungsschwierigkeiten. Denn auch Designs und Produktgestaltungen können Bestandteil der Marken i.S.d. MarkenG sein. Hierfür benötigt der Betroffene dann leider anwaltliche Hilfe. Es müsste geklärt werden, ob der Betroffene nur nach einem der beiden Gesetze (UWG oder MarkenG) vorgehen kann oder aber nach beiden Gesetzen parallel vorgehen sollte (UWG und MarkenG), um einen umfassenden Schutz seiner Produkte zu erzielen.
Aber nicht das Nachahmen als solches ist unlauter. Sondern nur das Nachahmen in Kombination mit einer der drei nachfolgend genannten "Umstände" des Einzelfalls:
 
a) Täuschung über betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 3 Buchstabe a UWG):
Ein (fremdes) Produkt hat bestimmte Produktmerkmale. Einige dieser Merkmale bewirken in der Bevölkerung eine gewisse Bekanntheit. Die Menschen können anhand dieser Produktmerkmale erkennen, von welchem Unternehmen das Produkt stammt. Beispiele sind Formen, Farben, Materialienzusammensetzungen etc. (häufig Design).
Eine (unzulässige) Aneignung liegt vor, wenn das handelnde Unternehmen diese Merkmale übernimmt und nichts dagegen unternimmt, dass die gedankliche Zuordnung zwischen Merkmalen und fremdem Unternehmen nicht mehr vollzogen wird. Das handelnde, tendenziell nachahmende Unternehmen muss alles dafür tun, um zu vermeiden, dass die Bevölkerung das neue Produkt ebenfalls mit dem anderen Unternehmen assoziiert. Die Herkunftstäuschung muss vermeidbar sein und möglichst auch vermieden werden. Nur dann handelt das handelnde Unternehmen nicht unlauter, sondern korrekt. Eine Gradwanderung...
Dies zeigt zugleich, dass die Bevölkerung nicht bei jedem Produkt wissen kann, welches Unternehmen dahintersteckt. Sog. Allerweltartikel können keine Herkunftstäuschung hervorrufen. Sondern dies können nur hiervon abweichende Produkte. Mandant und Rechtsanwalt haben also auch hier einen gewissen Argumentationsspielraum...
Für die "Umstände des Einzelfalls" ist letztendlich der Gesamteindruck entscheidend. Mal so, mal so...
Bezüglich der möglichen Herkunftstäuschung kommt es auf die inländische Bevölkerung an. Das UWG gilt nur in Deutschland. Wie die Menschen in Amerika oder Asien das Produkt empfinden und zuordnen, spielt keine Rolle. Die Zuordnung muss zu einem bestimmten Unternehmen gelingen. Den Namen dieses Unternehmens jedoch muss die Bevölkerung nicht kennen (insoweit eine Sache des Marken- und Namensrechts nach MarkenG oder BGB). Es genügt der Wiedererkennungseffekt. Die Bevölkerung muss entweder das neue Produkt für exakt das alte Produkt halten (Verwechslung im Sinne der Identität der Produkte) oder aber davon ausgehen, dass der fremde Unternehmer nun ein weiteres, leicht abgewandeltes Produkt auf den Markt gebracht hat (z.B. eine Weiterentwicklung mit Qualitätssteigerung oder Designverbesserung). Oder aber: Die Bevölkerung geht von einer Kooperation der zwei Unternehmen aus (Joint Venture u.ä.), also von irgendeiner Verbindung des neuen Produkts mit dem Unternehmen des alten Produkts. Herkunft eben.
Die maßgeblichen Zeitpunkte sind praktisch alle, d.h. "jederzeit". Offiziell kommt es allein auf den Tag der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung an. Das kann in Monaten oder Jahren der Fall sein.
 
b) Ausnutzen oder Beeinträchtigen der Wertschätzung eines anderen (§ 4 Nr. 3 Buchstabe b UWG):
Wertschätzung ist der "gute Ruf". Die Vorstellung, dass das fremde Produkt "gut" ist, muss auf das neue Produkt übertragen werden (können). In den Fällen des § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG geht es darum, dass negative Auswirkungen auf die Geschäftsehre des anderen Unternehmens unterbleiben (Rufschädigung usw.). In den Fällen des § 4 Nr. 3 UWG geht es darum, dass nicht positive Rufausnutzungen stattfinden. Ein Herüberziehen des guten Images zugunsten des eigenen, handelnden Unternehmens. Denn ein jedes Unternehmen soll seinen eigenen Ruf selbst und nicht auf Kosten anderer zu mehren suchen. Aufbau eines eigenen Profils. Das ist mühselig. Die Abkürzung des Sich-Aneignens eines fremden guten Rufs erscheint verführerisch, ist aber nach § 4 Nr. 3 UWG eben unzulässig.
Beispiele: gleiche/ähnliche Produktausstattung, gleiche/ähnliche Verpackung, gleiche/ähnliche Artikelnummern, gleiche/ähnliche Schriftform oder Schriftfarbe, gleiches/ähnliches Logo, gleicher/ähnlicher Werbeslogan etc.
Am besten ist es, sämtliche Ähnlichkeiten zu vermeiden oder aber zumindest stets darauf hinzuweisen, dass das eigene Unternehmen ein anderes ist als das andere, womöglich bekanntere. Das ist in der Praxis nicht so einfach.    
 
c) Unredliches Erlangen von Produktinformationen (§ 4 Nr. 3 Buchstabe c UWG):
Ein unredliches Erlangen ist umgangssprachlich ein Erschleichen von etwas. Das heißt andererseits: Die Merkmale des fremden Produkts dürfen nicht für Jedermann offenkundig, bekannt, logisch o.ä. sein. Sondern die Daten müssen irgendwie noch unbekannt gewesen und dann vom Handelnden herausgefunden worden sein. Das Unbekannte ist identisch mit dem Geheimen. Auch nicht geheime Unterlagen dürfen nicht entwendet werden. Die Tat ähnelt a) dem Diebstahl und b) der Unterschlagung und c) dem digitalen Ausspähen/Kopieren von Daten.
 
Allen drei gemeinsam ist, dass das fremde Produkt nachgeahmt worden ist. Die drei Tatbestände (Buchstaben a bis c) bestimmen, dass der jeweilige Umstand kumulativ zur Nachahmenshandlung bestehen muss. Nicht jedes Nachahmen also ist nach § 4 UWG unlauter. In einigen Fällen, in denen die Unzulässigkeit der Handlung nach § 4 UWG nicht gegeben ist, kommt noch die Unzulässigkeit nach § 3 UWG in Betracht. Ein anderes Thema. In allen Fällen ist zusätzlich zu prüfen, ob nicht auch Schutzrechte nach anderen Gesetzen (wie MarkenG oder Gebrauchsmustergesetz oder Geschmacksmustergesetz oder Patentgesetz) geltend gemacht werden können. Nicht umsonst heißt es gesetzesübergreifend: gewerblicher Rechtsschutz.
Der betroffene/behinderte Unternehmer, d.h. derjenige, der den anderen, handelnden Unternehmer wettbewerbsrechtlich abmahnen möchte, muss die Merkmale/Eigenschaften des eigenen Produkts möglichst detailliert beschreiben und benennen. Fotos ergänzen dann diesen Sachvortrag. Wer die Merkmale nicht beschreiben kann, bieten womöglich bloß ein Allerweltprodukt am Markt an. Es muss also das Besondere herausgearbeitet werden. Beiläufig gehen Rechtsberatung und Unternehmensberatung auf diese Weise Hand in Hand.
 
 
4. Mitbewerberschutz nach § 4 Nr. 4 UWG

§ 4 Nr. 4 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert." Zweck der Vorschrift ist der Mitbewerberschutz, nicht der Verbraucherschutz.
Der Bundesgerichtshof (BGH) definiert die gezielte Behinderung in ständiger Rechtsprechung wie folgt: „Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zweckrichtung nicht festzustellen, muss die Behinderung doch derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (…). Dies lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wettbewerber beurteilen (…), wobei sich die Bewertung an den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientieren muss“ (BGH, Urt. v. 17.05.2001 – I ZR 216/99, BGHZ 148, 1 = NJW 2001, 3262 = GRUR 2001, 1061 = WRP 2001, 1286 – Mitwohnzentrale.de).
Leistung bedeutet hier nicht, dass jedes einzelne Leistungsangebot (Willenserklärung) verhindert wird, sondern bedeutet, dass eine Vielzahl dieser Leistungsangebote, d.h. das Produkt im Angebot (Produktartikel, Leistungsartikel als solches), abgeschirmt wird. Die Handlungen, welche als gezielte Behinderungen gewertet werden, müssen, sofern sie nicht im Wege des Rechts unterbunden werden, zu einem schwerwiegenden Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb, letztendlich zum Verdrängen aus dem (deutschen oder örtlichen) Markt führen können. Das betroffene Unternehmen muss sozusagen abgeschottet/ausgegrenzt werden. Es muss durch die zu beurteilende Handlung in die Gefahr geraten können, seine Leistungen insgesamt nicht mehr angemessen anbieten zu können. Die Handlung muss den Mitbewerber (Konkurrenten) übermäßig daran hindern, seine Produkte/Leistungen anzubieten und zu vertreiben. Das unlauter handelnde Unternehmen geriert sich als übermäßiger Störer. Die Handlung muss sich gegen bestimmte Unternehmen richten.
 
Damit nicht in jedem einzelnen Anwendungsfall die Begründung hierfür nicht wiederholt werden muss, haben sich Fallgruppen gebildet (s.o. Definition gemäß BGH). Diese allerdings haben sich bereits vor der Zeit der letzten grundlegenden Gesetzesänderung von 2004 herausgebildet. Deshalb sollten diese Fallgruppen nicht blind übernommen, sondern alle Jahrzehnte wieder hinterfragt werden. Denn die ursprünglichen Begründungsstränge oder Argumente passen dann womöglich wegen weiterer Gesetzesänderungen nicht mehr. Es würde dann im schlechten Fall die alte Rechtsprechung angewandt werden anstatt das neue Gesetz ab 2004) mit seinen "neuen" Fallgruppen. Das Recht sollte sich also nicht verselbständigen, ohne mittels noch immer passender Begründung zu überzeugen.
 
Die Fallgruppen werden einsortiert unter dem Blickwinkel, was genau beeinträchtigt wird. Es gibt die Behinderungshandlungen bezüglich 1. des Bezugs von Waren/Leistungen, 2. der Produktion, 3. des Absatzes von Waren/Leistungen, 4. der Werbung, 5. der Finanzierung und 6. des Personals. Die Behinderungshandlung muss sich objektiv und final (zielgerichtet) gegen den Konkurrenten etc. richten. Eine Handlungsabsicht ist nicht erforderlich. Die Handlung muss sich auf eine Funktionsbeeinträchtigung am Markt (Bezug, Produktion, Absatz, Personal, Finanzierung, Werbung) richten. Insgesamt muss die bewirkte oder wirkungsmögliche Folge von gewissem Gewicht sein. Bagatellen (Marginalien) reichen nicht aus. Denn der Mitbewerber muss vom Markt ja in gewisser Weise verdrängt werden können. Dies gelingt nicht etwa bei simpler Werbung eines anderen. Sondern es muss eine gewisse Schwerwiegenheit hinzutreten. Andernfalls wäre § 4 Nr. 4 UWG letztendlich ein Auffangtatbestand für alles Mögliche. Das soll nicht sein.
Fallgruppen/Beispiele:
 
a) Bezug von Waren/Leistungen
Behinderung des Mitbewerbers beim Einkauf: Ein jeder Marktteilnehmer entscheidet frei, was er von wem bezieht. Ein Beispiel für eine Handlung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG: Aufkaufen einer bestimmter Ware, damit ein Konkurrent diese nicht mehr kaufen kann.
Behinderung des Produzenten dieser Einkaufsware: Wird der Produzent so behindert, dass er nicht mehr produzieren kann, was der Mitbewerber zum Einkaufen benötigt, dann wird der Mitbewerber gezielt behindert. Der Produzent wird womöglich, parallel hierzu, boykottiert.
 
b) Personal
Jeder Mensch (Arbeitnehmer) ist in der Wahl des Arbeitgebers (Unternehmens) frei. Ebenso in der Wahl des Ortes (Stadt). Das Abwerben eines Mitarbeiters eines anderen Unternehmens ist erlaubt (Beispiel Headhunting). Ausnahmen und zugleich unlauteres Handeln: 1. evtl. Abwerben wichtiger Arbeitnehmer eines anderen, ohne diese für das eigene Unternehmen zu benötigen (umstritten), 2. evtl. Abwerben ganzer Mitarbeiterabteilungen eines bestimmten anderen Unternehmens (umstritten), 3. evtl. Abwerben eines Mitarbeiters eines anderen Unternehmens in der Weise, dass dieser gegen eigene Verträge mit diesem Unternehmen verstößt (Verleitung zum Vertragsbruch), 4. evtl. das gezielte Einschleusen von Personen, welche nur zu dem Zweck bei dem anderen Unternehmen arbeiten, um die Mitarbeiter zu das eigene Unternehmen zu gewinnen (Abwerben mit bestimmter Methode), 5. Abwerben an einem unpassenden Ort des anderen Unternehmens.
 
c) Finanzierung/Preisgestaltung
Die Preisgestaltung ist grundsätzlich frei. Ausnahmen z.B.: Buchpreisbindung, Taxitarif, teils die Arztvergütung, die Architektenvergütung, die Rechtsanwaltsvergütung u.a. Unlauter ist es jedoch, wenn z.B. die öffentliche Hand ein Vergabeverfahren durchführt und von den Anbietern verlangt, den gesetzlich vorgegebenen Preis zu unterbieten. Ansonsten ist das Setzen von Niedrigpreisen grundsätzlich lauter/zulässig, wenn und weil Teil des Preiswettbewerbs. Anders verhält es sich, wenn die Niedrigpreise unter denen der Selbstkosten liegen und aus bestimmten Anhaltspunkten die Behinderungsabsicht herauszulesen ist, d.h. das Preissetzen dazu dient, einen bestimmten Konkurrenten vom Markt zu drängen. Das handelnde Unternehmen kann in dieser Konstellation nur ein finanzstarkes Unternehmen sein und das andere, behinderte Unternehmen ein kleines. Das Marktsegment muss, damit diese Konstellation funktioniert, ein recht kleines sein. Der Verkauf unter Selbstkostenpreis (z.B. Lockvogelangebote) ist nämlich grundsätzlich zulässig und eine Frage des Stehvermögens. Wer Pleite geht, hat Pech gehabt. Dies gilt auch im Internet: Wer eine Ware zu einem Auktionsstartpreis von nur einem Euro anbietet, handelt lauter und hat gegebenenfalls Pech gehabt, wenn die kostbare Ware für nur z.B. fünf Euro verkauft wird.
 
d) Produktion
Grds. zulässig: das Analysieren der Waren/Leistungen eines anderen Unternehmens (kein Fall von Betriebsspionage), sofern dabei keine Rechtsverstöße begangen werden.
 

e) Absatz von Waren/Leistungen
Das Abwerben von vorhandenen Kunden ist grundsätzlich zulässig. Ausnahmen müssen gut begründet werden. Unzulässig ist es, wenn ein Angestellter, der vormals beim Unternehmen A tätig war und nun beim Konkurrenten B tätig ist, die Kunden des A gezielt anspricht und sie dazu motiviert, künftig die Waren/Leistungen vom Unternehmen B zu beziehen (Übernahme von Kunden durch gezielte Koordniation/Organisation). Unzulässig ist es auch, Mitglieder zu werben und die Mitgliedschaft mit einem Versicherungsvertrag so zu kombinieren, dass das neue Mitglied praktisch dazu gedrängt wird, den Versicherungsvertrag mit einem anderen Versicherungsunternehmen zu kündigen, weil die doppelte Versicherung keinen Nutzen erbringt (Fall des mittelbaren Kündigungszwangs). Das konkurrierende Versicherungsunternehmen wird ausgebootet.
Das Abfangen von potentiellen Kunden ist grundsätzlich zulässig. Eine Ausnahme ist das Abfangen von potentiellen Kunden mittels der Methoden Gewaltanwendung, Drohung, Belästigung etc. Nicht unzulässig ist das Verteilen von Werbe-Handzetteln in unmittelbarer Nähe zu einem Ladengeschäft eines konkurrierenden Unternehmens. Das ist auch logisch: Erstens gehört das Werben zum Markt, und zweitens ist es Sache der potentiellen Kunden, selbst zu entscheiden, ob sie die Produkte dieses oder jenen Unternehmens auswählen. Dies gilt auch für den personenbeförderungsrechtlichen Fall am Taxistand. Der künftige Fahrgast ist in der Wahl des Taxis frei (ausdrücklich in fast jeder örtlichen Taxenordnung geregelt).
Unzulässig ist es, die Waren eines bestimmten Unternehmens komplett aufzukaufen, damit dieses am Markt als nicht lieferfähig eingestuft wird. Ansonsten ist der Aufkauf von Waren zulässig. Kaufen und Verkaufen gehört zum Markt.
Ein Händler handelt nicht unlauter, wenn er dem Kunden/Kaufinteressenten die Vor- und Nachteile der Waren verschiedener Unternehmen erklärt und die Waren vergleicht. Er darf Kaufempfehlungen geben. Unzulässig aber sind unter Umständen Irreführungen und Falschaussagen.  
Grds. zulässig: das Durchführen von Testmaßnahmen (z.B. Test-Essen zwecks Bewertung des Restaurants nach Sternen), evtl. ausnahmsweise unzulässig bei besonderen Störfaktoren (umstritten).
Wer die Einrichtung (z.B. Telekommunikationsnetz) eines anderen nutzt/ausnutzt, darf keine Handlung an den Tag legen, die dazu führt, dass der Mitbewerber, der Einrichtungsinhaber/-betreiber ist, vom Markt abgeschottet wird. Dieses "Ausnutzen einer fremden Einrichtung" ist im BGH-Fall "Rufumleitung" unzulässig. Nicht vergleichbar hingegen ist der Fall, dass Taxifahrer einen Taxistand (Einrichtung) nutzen. Hier wird niemand im Sinne einer Kundenkreisabschottung blockiert (so Wüstenberg, anderer Auffassung des OLG Frankfurt am Main). Das OLG hat die Revisionszulassung verweigert.
Das Anbieten von Zugriffscodes ist unlauter, wenn diese Zugriffscodes dazu verwendet werden können, eine bestimmte Art von Waren/Leistungen unentgeltlich zu beziehen, obwohl diese ansonsten nur entgeltlich bezogen werden können (Fall des Verhindern von Einnahmeerzielung).
Unzulässig/unlauter ist es, Marken i.S.d. MarkenG anzumelden, damit ein anderes Unternehmen diese Marken nicht (mehr) nutzen kann (Sperrmarken). Auf diese Weise wird/wäre das blockierte Unternehmen genötigt, seine Markenbezeichnungen umzubenennen und am Markt neu einzuführen. Es wird dadurch verhindert, dass seine eigenen Produkte durch eigene Leistung angemessen am Markt platzieren kann. Der Handelnde stört den Vertriebsablauf ohne eigenes, marktkonformes Anliegen (Vertriebsstörung).
Unzulässig ist es, zum Boykott eines bestimmten Unternehmens aufzurufen. Ein jedes Unternehmen darf sich verweigern, Waren/Leistungen eines bestimmten anderen Unternehmens nachzufragen. Dies ist das freie Recht. Doch andere Unternehmen dürfen nicht dazu aufgerufen werden, dies ebenfalls zu tun. Der Grund hierfür liegt in der Absicht, dieses andere Unternehmen aus dem Markt zu verdrängen. Zum Vergleich: Boykottaufrufe durch Nicht-Mitbewerber/-Konkurrenten sind in aller Regel zulässig. Ob mit diesem Boykottaufruf dann ein Schadensersatzanspruch nach BGB entsteht, ist eine andere Frage. Das UWG jedenfalls greift dann nicht.
 

f) Werbung
Werbung ist grundsätzlich erlaubt. Grundsätzlich erlaubt ist es auch, Werbung anderer zu übernehmen (Ausnahme: Markenrecht bzgl. Werbeslogans etc.) oder Werbung in unmittelbarer Nähe zu Mitbewerbern zu platzieren. Zulässig ist auch ein Vertrag, mit welchem die Exklusivwerbung vereinbart wird.
Unzulässig sind Handlungen der Beschädigung oder Entfernung der Werbung oder der Unternehmensangaben anderer werbender Unternehmen (Verhindern der Wahrnehmung). Im Internet freilich erst und nur dann, wenn der Internetnutzer seine Zustimmung zu Werbeblockierungsmaßnahmen nicht gegeben hat. Stets muss die Gefahr bestehen, dass der Konkurrent durch die Handlung aus dem Markt dadurch verdrängt werden könnte, dass er seine eigene Werbung nicht passend platzieren kann.
 
Die Fallgruppen und die dort gelieferten Stichpunkte verdeutlichen, dass in jedem Einzelfall gut und richtig argumentiert werden muss. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungsfindung den Marktteilnehmern bzw. den Gerichten überlassen.
Die Kanzlei Wüstenberg vertrat in den letzten acht Jahren vor dem LG Frankfurt und dem OLG Frankfurt Taxiunternehmen, die privatrechtliche Beliebigkeitsentscheidungen von Privatpersonen nach § 903 BGB ignorierten. Nach Auffassung der Kanzlei wurde kein Mitbewerber gezielt behindert. Die Frankfurter Rechtsprechung sieht das anderes. Wer sich als Taxiunternehmer mit seinem Taxi neben einen anderen stelle, handele unlauter, sofern er nicht die Privatvorstellungen eines Taxistandbetreibers oder -besitzers befolgt. Diese Logik erschließt sich der Kanzlei nicht! Die Vorschrift § 4 Nr. 4 UWG dient dazu, es zu verhindern, dass andere Unternehmen (Mitbewerber) aus dem Markt verdrängt werden durch nicht akzeptable Abschottung der Angebote dieser Unternehmen. Der unlauter handelnde Unternehmer muss also verhindern (wollen), dass sein Konkurrent überhaupt noch am Markt wahrgenommen wird. Im Taxifall war dies nicht der Fall. Es konnten alle Taxiunternehmer ihre Taxen ungestört weiter am Markt bereithalten.
 
 
5. Allgemeine Marktbehinderung nach § 3 UWG
§ 3 Abs. 1 UWG bestimmt bloß: "
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig." Es müssen also nicht unbedingt bloß Handlungen verboten sein, die in den §§ 3a bis 7 UWG aufgelistet sind. Anerkannt ist etwa die Fallgruppe der "allgemeinen Marktstörung". Bei dieser allgemeinen Marktstörung wird nicht ein
bestimmtes Unternehmen (gezielt) behindert. Sondern es werden alle Unternehmen des Marktsegments -- zumindest mittelbar -- behindert. Ein solcher Fall ist sehr selten.
Festgestellt werden müssen 1. die Marktteilnehmer, die Mitbewerber sind, 2. die Umstände/Eigenschaften/Merkmale, welche das Funktionieren des Marktes bestimmen, 3. die Marktzutrittschancen für neue Mitbewerber, 4. die Gefährdungspotentiale für die am Markt vorhandenen Marktteilnehmer, insbesondere Mitbewerber. Besonders herausgearbeitet werden muss das konkrete Gefährdungspotential durch welche (?) Handlungsweisen.
Beispiele für Nicht-Verstöße gegen § 3 UWG: a) das Anbieten von Waren unter Selbstkostenpreis, b) das Anbieten von Waren ohne Preis (Gratisabgabe, Geschenk, Probepackung etc.).
Beispiele für allgemeine Marktstörung: Die öffentliche Hand bietet Waren/Leistungen a) zu Dumpingpreisen oder b) unentgeltlich an oder c) verpflichtet zur Abnahme bestimmter Waren/Leistungen im Fall der Inanspruchnahme der Produkte der öffentlichen Hand. Weitere Beispiele sind gegenwärtig nicht recht ersichtlich.
 
 
6. Rechtsverstoß außerhalb des UWG-Rechts, relevant über § 3a UWG

§ 3a UWG lautet: "Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen."
Die Vorschrift wurde im Jahre 2004 enger gefasst mit dem Tatbestandsmerkmal "auch". Nicht mehr jeder Rechtsverstoß sollte unlauter sein, sondern nur noch derjenige Rechtsverstoß, dessen Ahndung im Interesse der Marktteilnehmer liegt. Die Vorschrift, auf welche mit § 3a UWG Bezug genommen wird (also eine Vorschrift außerhalb des UWG), muss (auch) dem Zweck dienen, die Marktwirtschaft zu regeln. Ein Beispiel für Vorschriften, welche die Marktwirtschaft nicht regeln, sind die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO). Fahren die LKW-Fahrer eines bestimmten Unternehmens immer schneller als erlaubt, um den Kunden eine bessere Leistungsbilanz (Pünktlichkeit) zu bieten, handelt das Unternehmen nicht unlauter. Denn das Straßenverkehrsrecht ist Teil des Sicherheitsrechts und nicht Teil des Marktwirtschaftsrechts. Ein Beispiel für Vorschriften, welche auch die Marktwirtschaft regeln, sind die Vorschriften des Abfall- und Kreislaufwirtschaftsrechts. Das Kreislaufwirtschaftsrecht ist Teil des Umweltrechts und auch des Wirtschaftsrechts. Wer gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verstößt, kann sich folglich unlauter verhalten. Verstößt ein Unternehmen gegen die StVO, bleibt es beim Ordnungswidrigkeitsrecht nach dem Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) in Verbindung mit der StVO.
Eine Gesetzesvorschrift weist diesen erforderlichen Wettbewerbsbezug nur dann auf, wenn ihr Zweck darin besteht, das wettbewerbliche Interesse der Anbieter oder Kunden zu schützen. Es ist zu fragen, ob die Vorschrift wirklich (auch) den Wettbewerb regeln soll oder etwas anderes. Das Straßenverkehrsrecht, das Umweltschutzrecht und das Tierschutzrecht beispielsweise regeln den Wettbewerb zumeist nicht (auch). Denn diese Vorschriften sind bereits vor der Abgabe von Erklärungen für Angebot und Nachfrage zu beachten. Es kommt allerdings immer auf die einzelne Vorschrift an. Auch nicht jede Vorschrift in gewerberechtlichen Gesetzen (wie z.B. das PBefG) ist eine Vorschrift, welche sich auf den Wettbewerb bezieht.
Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen eine Marktverhaltensvorschrift auch noch ein erheblicher sein muss (im Ergebnis § 3 UWG). Sogenannte Bagatellen sollen ausgeschlossen werden. Sonst würde fast jeder Verstoß gegen eine Vorschrift zum Abmahnwahn der Unternehmen und Rechtsanwälte verleiten. Das soll nicht sein.
Das rechtspolitische "Problem" besteht darin, zahlreiche Gesetzesverstöße als unlauter zu definieren und dem Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht) zuzuordnen. Das Wettbewerbsrecht steht in gewisser Konkurrenz zum Ordnungswidrigkeitsrecht. Wer gegen eine Vorschrift verstößt, begeht oftmals eine Ordnungswidrigkeit und erhält sodann einen Bußgeldbescheid (Beispiel: Knöllchen gemäß Straßenverkehrsrecht). Hierfür sind die Behörden zuständig. Doch diese sind personell oftmals nicht gut ausgerüstet. Deshalb drängt sich der Verdacht auf, dass die Politik den § 3a UWG benutzt, um von den Personalausstattungsdefiziten abzulenken und die Verfolgung von Gesetzesverstößen den Mitbewerbern/Konkurrenten zu überlassen. Das ist dann ein politisches Delegieren des gegenseitigen Vorwerfens und Bezichtigens. Ein gewolltes Denunzieren? Jedenfalls dann, wenn Klagevereine diese Gesetzesverstöße nutzen, um eifrig abzumahnen und Aufwandsentschädigungen zu verlangen und zu kassieren. Besser wäre es, die Anzahl der Gesetzesvorschriften und Ordnungswidrigkeitstatbestände zu reduzieren und (seitens der Behörden) nur das wirklich Wichtige zu überwachen und zu ahnden.
Verstöße und Rechtsvorschriften gibt es tausende. Hier alle aufzuzählen, ist nicht möglich. Es kommen täglich neue hinzu. Der Deutsche Bundestag erlässt, erlässt und erlässt immerzu Regelungen.
 
 
7. Agressive Handlung
§ 4a Abs. 1 UWG: "
Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch 1. Belästigung, 2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder 3. unzulässige Beeinflussung."

Die Vorschrift ist nicht optimal geschrieben. Die geschäftliche Handlung muss erstens eine Handlung mit der Eigenschaft "aggressiv" sein und zweitens eine Handlung sein, welche die Eigenschaft besitzt, die geschäftliche Entscheidung des Adressaten (Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers) zu beeinträchtigen, und zwar erheblich, d.h. abzuändern. Das klingt noch plausibel. Die erste Voraussetzung des § 4a Abs. 1 S. 1 UWG (aggressiver Charakter) wird mit § 4a Abs. 1 S. 2 UWG scheinbar präzisiert (darunter wiederum eine hier unnötige oder widersinnige Geeignetheitsprüfung). Es gibt drei Mittel (Belästigung usw.), welche die Aggressivität der Handlung ausmachen. Das dritte Mittel wird im nachfolgenden § 4a Abs. 1 S. 3 UWG definiert: "Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt." Ob und wann nach alledem nun eine aggressive Handlung vorliegt, ergibt sich aus diesem ganzen Text nicht wirklich. Zu unterscheiden sind die Entscheidungsfreiheit und die Entscheidung. Klingt gut, ist aber in der Praxis nicht wirklich trennscharf.

 
Informativer ist der Text des § 4a Abs. 2 S. 1 UWG: " Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf 1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung; 2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen; 3. die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen; 4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln; 5. Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen." All diese Kriterien sind letztendlich auf beide Definitionsteile des § 4a Abs. 1 S. 1 anzuwenden, d.h. auf die Aggressivität und auf die Entscheidungsbeeinträchtigungsgeeignetheit.
Das Kriterium des § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 wird näher präzisiert in § 4a Abs. 2 S. 2: "Zu den Umständen, die nach Nummer 3 zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere geistige und körperliche Beeinträchtigungen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst und die Zwangslage von Verbrauchern." Hier steht zwar nur der "Verbraucher" und nicht auch der "sonstige Marktteilnehmer". Doch ist letzterer hier im Wege der ergänzenden Auslegung mit einzubeziehen.
 
Abgrenzung zu § 7 UWG. Nach § 7 UWG ist die Belästigung i.S.d. § 7 UWG verboten, und zwar die Belästigung "in unzumutbarer Weise". Liegt also eine Belästigung i.S.d. § 4a UWG vor, dann stützt diese sich auf die Verfälschung der Entscheidungsfreiheit. Liegt eine Belästigung i.S.d. § 7 UWG vor, ist diese eine Belästigung wegen Unzumutbarkeit des Ertragens der Handlung. Folglich kann die Verfälschung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers/Marktteilnehmers nicht das einzige Kriterium für die Unzumutbarkeit sein. In § 7 UWG muss noch etwas anderes hinzukommen. Siehe dort.
 
a) geschäftliche Handlung
Weil die Handlung sich auf die Entscheidungsbildung des Verbrauchers/Marktteilnehmers auswirken können muss, muss sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss stehen -- kurz vor, während, kurz danach. Zu den Handlungen gehören auch computerisierte Handlungen (IT-Technik) zum Beispiel im Rahmen von Onlineshops oder Suchmaschinensoftware etc..
 
b) aggressiv
Eine Äußerung/Handlung ist aggressiv, wenn sie eine 1. Belästigung, 2. Nötigung (inklusive körperliche Gewalt) oder 3. unzulässige Beeinflussung ist. Die Aufzählung ist abschließend. Doch die Begriffe sind sehr auslegungsfähig. Darüber, was eine Belästigung ist oder nicht, kann gestritten werden. Auch eine Abgrenzung zur Nötigung kann nicht glasklar erfolgen. § 4a Abs. 1 S. 3 UWG definiert tendenziell wachsweich: "Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt." Es gibt also einen großen Beurteilungsspielraum. Im Kern geht es -- nicht nur hier -- um die Frage, was die Marktwirtschaft zulässigerweise ausmacht und was nicht mehr geduldet werden soll. Beim Rechtsanwender prallen womöglich rechtspolitische Anschauungen aufeinander -- liberal/freiheitlich oder sozial/fürsorglich? Jedenfalls sind die in § 4a Abs. 2 UWG aufgelisteten Umstände in die Begründung einzubeziehen.

 
c) geeignet zur Entscheidungsfreiheitsbeeinflussung
Die Entscheidungsbeeinflussung gehört zum Wettbewerb. Deshalb muss sich aus den Umständen des Sachverhalts die "Erheblichkeit" der Beeinflussung des Gegenübers ergeben. Der Gegenüber muss in seiner Freiheit der Selbstentscheidung beeinträchtigt worden sein. Die völlige Ausschaltung der Entscheidungsfreiheit ist nicht nötig. Andererseits muss jedem Menschen (Verbraucher/Marktteilnehmer) die bloße Opferrolle abgesprochen werden. Jeder Mensch ist prinzipiell zum Denken in der Lage (sapiens sapiens). Es gibt leider keine exakte Verortungsmöglichkeit. Gefragt werden kann, ob der betroffene Kunde/Vertragspartner die Entscheidung, die er getroffen hat, auch noch einige Zeit später -- mit geistigem Abstand -- so treffen würde. Aber auch diese zeitliche Gegenüberstellung taugt nicht wirklich. § 4a UWG lädt zum Hineininterpretieren ein...
 
d) geeignet zur Entscheidungsveranlassung
Die Handlung muss geeignet sein, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Was dieses Veranlassen bedeutet, steht im Gesetz nicht. In der Literatur wird vorgeschlagen, danach zu fragen, ob derjenige Betroffene, der merkt, dass ihm seine Entscheidungsfreiheit genommen wird, noch die Kraft zur Selbstkorrektur hat, also die Kraft, aus der Beherrschtseinsituation auszubrechen und in die Freiheitssituation zurückzukehren. Kann er diese nutzen, ist alles gut. Kann er sie nicht nutzen, sei er veranlasst im Sinne des § 4a UWG. Klingt irgendwie hübsch. Doch für die Rechtsanwendung ist dieses verbale Differenzieren nicht wirklich ein Segen.

 
Ergebnis: Wer eine Abmahnung wegen einer Handlung nach § 4a UWG erhalten hat, sollte sich dagegen wehren. Eine gute Begründung wird sich vielleicht finden lassen. Sollte jedoch bereits eine Gerichtsentscheidung zum Nachteil des Abgemahnten existieren, schwinden die Erfolgschancen, das Gericht doch noch vom Gegenteil zu überzeugen. Also: je früher, desto besser.
 
 

8. Irreführende Handlung durch Tun
§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG: "Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."
 
Der § 5 UWG ist die Vorschrift im Lauterkeitsrecht zum Schutz der Verbraucher und aller übrigen Marktteilnehmer, welche nicht zugleich Mitbewerber sind (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG). Erfasst werden alle irreführenden Geschäftshandlungen, welche ein Tun darstellen (vgl. § 5 Abs. 3 UWG). Was irreführend ist, steht in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG, und zwar abschließend. Irreführende Geschäftshandlungen, welche ein Unterlassen darstellen, werden nicht von § 5 UWG, sondern von § 5a UWG erfasst.
 
Was eine geschäftliche Handlung ist, ist in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definiert. Umfasst sind alle unternehmerischen Handlungen, nicht bloß Produktbeschreibungen im Onlineshop oder Werbung in den Medien.
Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn mit ihr unwahre Angaben mitgeteilt werden, welche geeignet sind, den Verbraucher odersonstigen Marktteilnehmer dazu zu verleiten, eine (für ihn nachteilige) Entscheidung zu treffen, nämlich eine Entscheidung, die er ohne die irreführende Angabe nicht getroffen hätte. Die Angabe braucht bloß geeignet zu sein. § 5 schützt vor der Gefahr, dass der Verbraucher/Marktteilnehmer sich falsch/anders entscheidet. Die Gefahr muss sich nicht verwirklichen. Gefahr bedeutet letztendlich eine Prognose. Ob die Handlung diese Gefahr der Fehlentscheidung begründet, entscheidet im Streitfall schließlich der Richter. Das Risiko, dass der Richter sich falsch entscheidet, trägt der handelnde/äußernde Unternehmer.
Ob eine Handlung irreführend ist oder nicht, wird zum einen durch die in § 5 Abs.1 S.2 UWG genannten Kriterien ermittelt. Der Kriterienkatalog ist vollständig/abschließend. Andere Kriterien dürfen nicht herangezogen werden. Zum anderen hat die Beurteilung aus Sicht der angesprochen Verkehrskreise zu erfolgen, also aus Sicht der Adressaten.
Eine Angabe ist unwahr, wenn sie die tatsächlichen Gegebenheiten oder Verhältnisse/Zusammenhänge anders beschreibt als gegeben/vorliegend. Ist dies der Fall, wird von den Rechtsanwendern automatisch auf die Gefahr der Irreführung geschlossen.
 
Ist der Adressatenkreis der sog. Verbraucher (§§ 13, 14 BGB), dann wird der durchschnittlich informierte und interessierte, der durchschnittlich verständige/intelligente und aufmerksame Bürger als der Normadressat angesehen. Ob der im konkreten Fall angesprochene Bürger besonders intelligent oder besonders dumm oder besonders interessiert oder besonders geistesabwesend ist, spielt keine Rolle.
Eine Ausnahme hiervon gibt es insoweit, als der angesprochene Personenkreis nur aus besonders schutzwürdigen Menschen besteht, also z.B. nur alte Menschen oder nur Kinder oder nur geistig behinderte Menschen. Dann muss der Begreifenshorizont eben dieser Menschen (im Durchschnitt) herangezogen werden.
Eine Ausnahme besteht auch insoweit, als nur Unternehmer oder nur bestimmte Fachkreise oder nur Bewohner einer bestimmten Region (z.B. mit Sprachdialekt) angesprochen werden.
 
Wie genau dieser Begreifenshorizont des Verbrauchers (Durchschnittsmenschen) bzw. der Gruppe der besonders geschützten Personen (im Durchschnitt) aussieht, entscheidet der Richter anhand eigenen Erfahrungswissens. Es wird kein Sachverständigengutachten erhoben, keine Meinungsumfrage durchgeführt. Im Ergebnis ist dies rechtlich so richtig (vgl. Erwägungsgrund 18 der EU-Richtlinie namens UGP-Richtlinie). Allerdings besteht – wie immer – bei der Justiz das Risiko, dass Richter sich in ihrer Menschenkenntnis vertun. In der Praxis maß0geblich dürfte damit (leider)bloß das Bauchgefühl sein. Die Frage heißt: Welches geistige Verständnis darf man von einem in Deutschland lebenden Erwachsenen erwarten? Wer die eigene Bevölkerung für zu dumm erachtet, wird die Irreführungsgefahr voreiliger bejahen als derjenige, der von einem rationalen, sich umfangreich bildwenden Bürgerbild ausgeht. Schon vor Jahrzehnten, so war während der 1990er Jahre berichtet worden, hätten Richter in den U.S.A. entschieden, dass amerikanische Bürger darüber informiert werden müssen, dass man seine Hauskatze nicht in der Mikrowelle trocknen darf. Der Hersteller von Mikrowellen müsse darauf hinweisen. Wie hätten die Richter in Deutschland entschieden? Welches durchschnittliche Denk- und Verständnisvermögen trauen sie der deutschen Bevölkerung zu? Welche Grundkenntnisse traut ein deutscher Richter den Deutschen und in Deutschland lebenden Ausländern zu?
Für den Mandanten mag es nützlich sein, Ergebnisse von Meinungsumfragen oder Gutachten oder Statistiken zu sammeln, welche passen könnten. Letztlich aber entscheidet der Richter nach wohl eigener Vorstellung über den zu erwartenden Horizont des Adressatenkreises.
 
Aber: Entscheidend ist nicht (allein) die Intelligenz des Adressatenkreis. Es kommt nur auf 1. die Aufmerksamkeit (wie leicht und sicher ist die Information wahrnehmbar?), 2. die Informiertheit (Unterrichtetsein, Grundwissen des Menschen) und 3. die Verständigkeit (Kritikfähigkeit; im Ergebnis hier auch inklusive Intelligenz) an (Erwägungsgrund 18 der EU-UGP-Richtlinie).
Das anhand dieser drei Kriterien ermittelte Verstehensvermögen des Adressaten kann der handelnde Unternehmer dadurch beeinflussen/verändern, indem er der Angabe/Information aufklärende Hinweise hinzufügt. Auf diese Weise kann er der Irreführungsgefahr entgegenwirken.
Ob nach alledem eine Angabe/Information irreführend ist, hängt von vielen Umständen des Einzelfalls in der konkreten Situation und Zeit ab, etwa auch von zeitlichen Ereignissen/Geschehnissen vor Ort.
 
Was ist eine Angabe?
Angaben sind Worte/Texte oder auch tatsächliche Reaktionen auf ein Adressatenverhalten (z.B. Zuschicken von Post mit bestimmten Angaben). Die Angabe muss, damit sie eine Angabe sein kann, einen nachprüfbaren Tatsachenkern mitteilen. Angaben im Sinne reklamehafter Übertreibungen werden vom Durchschnittsverbraucher als Text ohne Inhalt/Tatsachenbehauptungen verstanden, als Nicht-Angabe.
Beispiele für Angaben-Medium: der Domainname, die Produktbeschreibung eines bestimmten Artikels im Onlineshop, Pressemitteilungen.
Beispiel für Angabe i.S.d.§ 5 statt Verschweigen i.S.d. § 5a UWG: ein fehlerhaft dargestellter Gesamtpreis (mit fehlenden Angaben zu Bestandteilen der Preiszusammensetzung). Der Schwerpunkt liegt hier auf der Mitteilung statt auch dem Unterbleiben/Unterlassen einer Angabe.
Angaben sind auch zu eigen gemachte Angaben, d.h. Äußerungen Dritter. Beispiele: medizinische Studien zugunsten eigener Produkte, Umfrageergebnisse von eher unbekannten Meinungsforschungsinstituten, Kundenempfehlungen auf der eigenen Homepage. Das gilt auch für Verlinkungen auf all diese, sofern nicht beim Link ein redaktioneller/journalistischer/wissenschaftlicher, distanzierter Hinweis hinzugefügt wird (etwa Benutzen des Konjunktivs). Es kommt auf die Situation im Einzelfall an. Anders dagegen die Angaben Dritter, welche – allgemein anerkannt – seriös sind (Beispiele: Tageszeitungen, Stiftung Warentest etc.). Deren „objektiv“ ermittelte Daten werden nicht zu eigen gemacht, sondern bloß als fremde Angaben mitgeteilt.
 
Was ist der Inhalt der Angabe?
Entscheidend ist der Gesamteindruck. Nach diesem ist der Inhalt unter Beachtung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Der Inhalt ist auch nach dem Gesamtzusammenhang/Kontext zu beurteilen (im Ergebnis Art. 5 GG i.V.m. Rechtsprechung des BVerfG). Das Problemhierbei in Deutschland und in Welt: Uneindeutige Äußerungen werden nicht selten missverstanden. Dies ist einerseits verfassungsrechtlich zu würdigen, andererseits aber auch im Sinne der Zielsetzung des § 5 UWG.
 
Was ist eine irreführende Angabe?
Laut § 5 Abs.1 S. 2 UWG ist irreführend sowohl die unwahre Angabe als auch die zur Täuschung geeignete Angabe. Die Unwahrheit und auch die Geeignetheit zur Täuschung müssen auf Kriterien/Umstände gestützt werden, welche in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG aufgelistet sind.
Unwahr ist eine Angabe, die objektiv falsch und als solche, d.h. deren Unwahrheit/Falschheit nachprüfbar/beweisbar ist. Was falsch/unwahr ist, entscheidet nicht der angesprochene Verkehrskreis, sondern die Allgemeinheit/Wissenschaft. Keiner der Umstände i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG muss hinzutreten, damit die unwahre Angabe irreführend ist. Es ist nur eine Unwahrheitsfeststellung zu betreiben. Der Wortlaut mit der Täuschungseignung in § 5 UWG steht nur in Bezug auf die „sonstigen Angaben“.
Zur Täuschung geeignet ist eine (wahre oder unwahre) Angabe, wenn sie zur Fehlvorstellung über den mit der Angabe zum Ausdruck gebrachten Inhalt (Tatsache) führen kann. Es ist eine Prognose anzustellen. Es wird ein Angabeninhalt erklärt, der zutrifft oder nicht zutrifft oder mehrdeutig/unklar ist und Fehlvorstellungen hervorrufen kann. Nur hier kommt es auf die Täuschungseignung an (s. zuvor). Subjektive Elemente wie Lügen oder das Erzählen-Wollen von Halbwahrheiten i.S. eines Täuschungsvorsatzes sind ohne Bedeutung. Es ist vielmehr allein auf die objektive Sicht- und Wirkungsweise abzustellen. Die Rechtsprechung bzgl. der sog. „dreisten Lüge“ passt nicht mehr in das durch das EU-Recht vorgegebene UWG-Recht.
 
Beispiele unwahrer und damit per se unlauterer Angaben:
1. Sog. Blickfangwerbung in dem Fall, dass die blickfangmäßig hervorgehobene Angabe im Gesamteindruck (d.h. einschließlich der Angaben unter dem Sterncheninhalt und ggf. sonstig angebrachter Informationen) unwahr ist. Blickfangwerbung nur dann unter diesem Gesichtspunkt unlauter. Sonst nicht (Änderung der Rechtslage in ca.2008; die Rechtsprechung hinkt etwas hinterher).
2. Listung von Gebrauchtwagen im Internet unter Neuwagen.
3. Schlankheitsmittelmit dem Aussageinhalt, die Einnahme des Mittels würde zu einer Gewichtsabnahme in Höhe von X kg binnen Y Wochen führen.
 
Vier Beispiele zur Täuschung geeigneter (zumeist wahrer oder unklarer) Angaben:
1. Sog. Blickfangwerbung in dem Fall, dass die blickfangmäßig hervorgehobene Angabe im Gesamteindruck (d.h. einschließlich der Angaben unter dem Sterncheninhalt und ggf. sonstig angebrachter Informationen) eine Fehlvorstellung auslösen kann. Fehlen Angaben im Rahmen der Blickfangwerbung kommt ein unlauteres Handeln durch Unterlassung (d.h. nach § 5a UWG) in Betracht – was zu prüfen ist/wäre.
2. Werbung mit Selbstverständlichkeiten, z.B. selbstverständlich vorhandenen Eigenschaften oder rechtlich gebotenen Hinweisen in Form des besonderen Hervorhebens als etwas Besonders. Beispiel: „mit CE-Zeichen“ (nicht aber die Anbringung des CE-Zeichens) oder „inklusive MwSt“ (nicht aber dieser Hinweis im Fließtext z.B. einer Webseite). Wahre Tatsachenbehauptung, jedoch zur Täuschung dahingehend geeignet, dass etwas Besonderes geboten werde.
3. Fehlender Hinweisauf Lieferfristen im Versandhandel, die länger als nur wenige Tage betragen. Der Verbraucher geht davon aus, dass die bestellte Ware vorrätig ist und innerhalb kurzer Zeit geliefert werden wird. Ein Versandhandelsbetreiber muss bei längeren Lieferfristen hierauf hinweisen. Andernfalls nicht unwahre Angabe, jedoch Gesamteindruck nicht klar genug und zur Täuschung geeignet.
4. Eine Rechtsanwaltskanzleischreibt auf dem Briefkopf „Kanzlei für XY-Recht“. Anschließend sind die Namen von Rechtsanwälten aufgeführt. Hinter den Namen der anderen Anwälte als dem des Werbenden steht: „in Bürogemeinschaft“ bzw.“Kooperationspartner“. Die Irreführung liegt hier darin, dass die Angabe XY zwar wahr ist (sein dürfte),jedoch den Eindruck vermittelt, es würden alle namentlich genannten Anwälte in einer einzigen Anwaltskanzlei als GbR oder sonstige Rechtsform und damit Haftungsgemeinschaft auftreten. Dies ist bei Bürogemeinschaften und außerhalb des Büros befindlichen Partnern nicht der Fall.
 
Gibt es bei unwahren Aussagen eine Relevanzschwelle?
Ja. Einige Juristen wollen hier noch eine Relevanzschwelle einführen/einfügen, und zwar mit dem Argument Art. 6 UGP-Richtlinie und mit dem Argument des letzten Halbsatzes in § 5 Abs. 1 S. 1 UWG. Wenn der angesprochene Verkehrskreis die Unwahrheit erkennt und deshalb keinem Irrtumunterliegen kann, dann müsse dies berücksichtigt werden. Das Gesetz sieht eine solche Relevanz- oder Bagatellschwelle nur in § 5 Abs.1 S. 2 UWG nicht vor. Für betroffene Unternehmen bestehen hier ggf. Chancen.
 
Besteht die Relevanzschwelle nur gegenüber dem angesprochenen Verbraucherkreis?
Nein. Auch sonstige Marktteilnehmer können betroffen oder gar geschädigt sein. Es kann vorkommen, dass die Angabe des handelnden Unternehmens im Einzelfall nur theoretisch geeignet ist, die Entscheidung der Verbraucher zu beeinflussen, weil die Verbraucher (Durchschnittsverbraucher) die Unwahrheit oder die Täuschungseignung schnell/sofort als solche erkennen. In der Praxis also scheidet die mögliche Fehlentscheidung aus. Gleichwohl wird in Rechtsprechung und Literatur die Relevanz der Handlung als irreführend bejaht. Denn die Kundenströme würden ohne die Handlung nicht umgeleitet werden können, wegen der zu beurteilenden Handlung jedoch gleichwohl/nichtsdestotrotz. Aus meiner Sicht ist dann § 5 zu verneinen und eher an § 4 Nr. 4 UWG mit der Fallgruppe „Abfangen potentieller Kunden“ zu denken, weil hier ja vor der Schädigung der Mitbewerber geschützt werden soll (so Rechtsprechung und Literatur) und § 5 nur den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer vor einer Irreführung bewahren will.
 
Kann mit objektiv unrichtigen Angaben/Daten über Personen oder politische Ereignisse irregeführt werden?
Nach „richtiger“ Auffassung nein, zumindest nicht im Rahmen des § 5 UWG. Denn der Umstände-Katalog des § 5 Abs. 1 S.2 UWG ist abschließend.
 
Gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusätzlich?
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich aus dem „EU-Verfassungsrecht“ und EU-Primärrecht und gilt deshalb stets. Doch die Vorschriften des UWG, soweit sie auf EU-Sekundärrecht (hier EU-Richtlinien) beruhen, sind bereits gesetzgeberischer Ausdruck eben dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Deshalb stellt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 5 UWG dar. Sondern im Einzelfall kann der höherrangige Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu führen, dass der Anspruch des Klägers auf Unterlassung wegen unlauterer Handlung nicht in vollem Umfang besteht, sondern nur teils. Der Anspruch zielt dann nicht auf das Unterlassen der gerügten Handlung, sondern auf eine Beschränkung der gerügten Handlung in nur diesem einen Streitfall. Beispielsweise können die Grundrechte des Betroffenen/Abgemahnten/Beklagten bedeuten, dass eine Begrenzung des Unterlassungsanspruchs geboten ist.
Ein Beispielsfall ist die Einschränkung statt Unterlassung (Komplettverbot) einer Unternehmensbezeichnung in bestimmten Fällen. Auch die eine Irreführung ausschließenden Hinweise als Alternative zum Handlungsverbot sind letztlich Ausdruck dieses Gedankens.
 
 
9. Irreführende Handlung durch Unterlassen
§ 5a Abs. 2 S. 1 UWG: " Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, 1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und 2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."
 

Entweder ist § 5 (Irreführung durch ein Tun) oder ist § 5a UWG (Irreführung durch ein Unterlassen) anwendbar. Beide Vorschriften können nicht parallel einschlägig sein. In dem Ausnahmefall, in dem die Menschen/Empfänger einer Information/Aussage in dem Nichtsagen eine erklärende Information sehen (weil das Nichtsagen Teil einer Aussage/Mitteilung ist), kann ausnahmsweise das Nichtsagen als ein Sagen interpretiert werden. Dann gilt für dieses der § 5 statt der § 5a UWG. In der Praxis setzt dieser Ausnahmefall aber sicherlich stets voraus, dass der Verbraucher nach etwas gezielt nachfragt und dann vom Unternehmer (z.B. Händler) eine Aussage erhält, aus der aus der gelassenen Informationslücke der Inhalt dieser Lücke leicht erkennbar ist, etwa dass die Information XY nicht existiert (obwohl sie doch existiert und hätte mitgeteilt werden können). Der Unternehmer/Befragte hätte das Missverständnis leicht ausräumen können. Ein Unterlassen dagegen liegt vor, wenn der Verbraucher eine Schlussfolgerung ziehen kann, aber nicht muss. Der Unternehmer/Befragte kann hier die Schlussfolgerung des Verbrauchers nicht im Voraus erkennen. Oder so ähnlich formuliert. Exakte sprachliche Begrifflichkeiten fehlen. Die Abgrenzung/Gradwanderung gestaltet sich im Einzelfall durchaus schwierig. In Zweifelsfällen sind beide Vorschriften zu beachten – § 5 und § 5a UWG.
 
Im Kern geht es bei § 5a UWG um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schweigen oder Verschweigen bzw. ein Schweigen oder Vorenthalten von Informationen oder Tatsachen unlauter, weil irreführend ist. § 5a Abs. 1 UWG schützt alle Marktteilnehmer und die Verbraucher – und zwar vor dem Verschweigen. § 5a Abs. 2 bis Abs. 6 UWG schützt nur die Verbraucher – und zwar vor dem Vorenthalten. Vorenthalten bedeutet das Nicht-Mitteilen von Information trotz einer gesetzlichen Informations-/Mitteilungspflicht. Es geht also um einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift. Diese Rechtsvorschrift verpflichtet zu einem Tun. § 5a Abs. 2 bis Abs. 6 sanktioniert das Unterlassen, d.h. den Rechtsbruch durch Schweigen. Die Vorschriften des § 5a UWG sind gegenüber der des § 3a UWG (Rechtsbruch) die spezielleren, aber gegenüber anderen unionsrechtlich vorgegebenen Vorschriften (z.B. Informationspflichten nach dem Lebensmittelrecht wie die LMIV) die nachrangigen. Ist ein Unternehmer zum Informieren (Sprechen) verpflichtet und unterlässt er dieses Sprechen, dann nennt man einen solchen Fall auch „sprechendes Schweigen“. Hiervon abzugrenzen sind die Fälle des sonstigen Schweigens (teils „echtes Schweigen“). Diese können von § 5a Abs. 1 statt § 5a Abs. 2 ff. erfasst/umfasst sein.
 
Das Recht nach § 5a UWG geht von dem Menschenbild aus, dass der Mensch in seiner Eigenschaft/Funktion des Verbrauchers (§ 2 Abs. 2 UWG i.V.m. § 13 BGB) eine Entscheidung im Waren- oder Dienstleistungsverkehr treffen dürfte, die er nicht treffen würde, wenn er alle Informationen erhält, die er benötigt, um für seine geschäftliche Entscheidung eine informierte Entscheidung zu treffen. Ein Unternehmer habe die benötigten Informationen dem Verbraucher von sich aus oder – im Wege der Nachhilfe durch gesetzliche Verpflichtung – kraft Gesetzes mitzuteilen. Der Mensch als Verbraucher sei auch dann schutzwürdig, wenn er sich über bestimmte keine Gedanken macht. Böse ausgedrückt: auch dann, wenn der Mensch zu gedankenlos, weil naiv oder blöde ist. Der immer noch existierende Rechtsbegriff „Irreführung“ geht vom Menschen als angemessen verständigen, informierten und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher aus. Klingt gut. Aber dieser Durchschnittsverbraucher, so im Ergebnis die Befürchtung der EU-Bürokraten, ist nicht gut genug gebildet und aufmerksam. Deshalb muss er abgesichert werden mittels gesetzlich geregelter Aufklärungspflichten auf Seiten der Unternehmer/Anbieter.
Die Folge dieses Verständnisses/Menschenbildes (nach Art. 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie der EU) ist eine „Unsumme“ von Aufklärungs- und Informationspflichten. Man kann diese (fast) gar nicht mehr alle aufzählen. Es sind zu viele. Die Vorschriften des Art. 7 UGP-Richtlinie sind mit dem § 5 Abs. 2 bis Abs. 6 UWG umgesetzt worden.
 
Was ist eine geschäftliche Entscheidung?
Eine geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG) sind 1. die Entscheidung, die Räumlichkeiten eines Geschäfts zu betreten, 2. die Entscheidung, im Onlineshop auf eine Produktbestellseite zu klicken (jedenfalls die Seite mit dem Bestellbutton), 3. die Entscheidung, das Produkt zu beziehen/erwerben. Nicht: die Entscheidung, eine Website aufzusuchen.
 
a) § 5a Abs. 1 UWG (Marktteilnehmer-und Verbraucherschutz, nicht auch Mitbewerberschutz)
Die Vorschrift nennt lediglich zu berücksichtigende Umstände. Der handelnde Unternehmer muss einer Aufklärungspflicht unterliegen (sonst ist ein „Verschweigen“ nicht möglich). Die Aufklärungspflicht besteht, wenn der angesprochene Verkehr (Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer) eine bestimmte Aufklärung erwartet und demzufolge auf diese bestimmte Information angewiesen ist, welche/weil sie für die geschäftliche Entscheidung von Bedeutung sein kann, und wenn der handelnde Unternehmer diese Information in zumutbarer Weise erbringen kann/konnte (Rechtsprechung des BGH).
Die Aufklärungspflicht ist keine gesetzlich vorgeschriebene. Sie bezieht sich auf Eigenschaften/Merkmale des Angebots der Ware oder Dienstleistung. Je wichtiger die Information für den Verbraucher/Marktteilnehmer, desto eher/stärker die Erwartung und die Aufklärungspflicht. Bei Lichte betrachtet, geht es um ein Behaupten einer Aufklärungspflicht seitens des Rechtsanwenders. Es besteht für diesen die Möglichkeit, Aufklärungspflichten hineinzuinterpretieren, zu erfinden. Deshalb geht es im Kern um eine Interessenabwägung (Abwägung der Interessen beider Vertragspartner) und die Offenbarung des Menschenbildes, welche der Rechtsanwender (insb. Richter) hat. Ein naiver Bürger, der vom Richter als Durchschnittsvertrauter eingestuft wird, muss selbstverständlich diese oder jene Information auch erhalten! Der böse Unternehmer…! Wird das geistige Niveau des Durchschnittsverbrauchers höher angesetzt, heißt es: keine Aufklärungspflicht, weil selbst dran schuld, nicht nachgefragt zu haben…
 
Die Begründung freilich muss mit den Worten des § 5 Abs. 1 UWG versucht und unternommen werden – und überzeugen. Also: die „Bedeutung“ der verschwiegenen/fehlenden Information… (objektiver Bestandteil). Und die „Eignung“ des Fehlens/Verschweigens zur Entscheidungsbeeinflussung… (subjektiver/unterstellter Bestandteil der Gerichtsentscheidung).
 
Es haben sich Fallgruppen gebildet: 1. Aufklärungspflicht ja bzgl. der Eigenschaft des Kommunikationszwecks als kommerziell/gewerblich (der Unternehmer muss mitteilen, dass er Geld verdienen und nicht etwa eine Freundschaftsleistung/Schenkung erbringen möchte), 2. Aufklärungspflicht ja bzgl. der vom Marktüblichen abweichenden Konditionen (Beispiel: die angebotene Dienstleistung kann nur Verwendung bestimmter Mittel/Zubehörteile abgerufen/genutzt werden), Aufklärungspflicht ja bzgl. fehlender Rechte/Garantien (Beispiele: bestimmte Markenrechte oder Nutzungsrechte [Beispiel: Software] oder Herstellergarantien fehlen dem angepriesenen Produkt), 4. Aufklärungspflicht ja bzgl. Eigenschaft des Produkts als „Auslaufmodell“, sofern dieses relativ teuer ist [Beispiel: Kfz]) oder als „nur ausnahmsweise verkehrsfähig“ [Beispiel: bestimmte Waffen oder Chemikalien], 5. Aufklärungspflicht ja bzgl. Ablauf der Mindesthaltbarkeitsfrist von Nahrungsmitteln, 6. Aufklärungspflicht ja bzgl. gesundheitlicher Risiken bei der Einnahme/Handhabung des/mit Produkt. Zudem sonstige Fälle (stets Einzelfallprüfung).
 
b) § 5a Abs. 2 UWG (Verbraucherschutz)
Es muss eine Information vorenthalten worden sein, und diese Information muss eine aus Sicht des Verbrauchers wesentliche sein. Zudem muss das Vorenthalten der wesentlichen Information für die Geschäftsentscheidung relevant sein.
Information ist jede Tatsache, welche nachweisbar ist (Frage der Beweisbarkeit). Die Tatsache ist eine wesentliche, wenn sie aus Sicht beider (tatsächlichen oder möglichen) Vertragspartner ein erhebliches Gewicht hat. Was erheblich ist, ist in Bezug auf den Einzelfall zu beurteilen. Zudem muss die Informationen als eine mitzuteilende erwartet werden. Auch dies ist in Bezug auf den Einzelfall zu beurteilen. Nicht jede Information ist erheblich. Im zu beurteilenden Fallkommt es darauf an, festzustellen, welche Informationen noch nicht (weil unerheblich am unteren Ende der Skala) und welche nicht mehr mitzuteilen sind (weil unerheblich am oberen Ende der Skala). All dies ist aus Sicht des durchschnittlich informierten Verbrauchers zu bestimmen, und zwar danach, ob die Information für die Geschäftsentscheidung/Kaufentscheidung relevant ist (benötigt wird). Um welche Art und welchen Inhalt diese Information hat, ist egal.
Kriterien für die Beurteilung des Benötigtwerdens der Information sind z.B. die Höhe des Entgelts/Preises, die Zeitspanne bis zum Vertragsschluss, die Frage, ob das Vertragsangebot nur noch angenommen werden muss oder noch durchdiskutiert werden muss. Weiterhin, ob das Vertragsgeschäft ein standardisiertes oder übliches ist oder nicht. Auch das Bildungsniveau desangesprochenen Kundenkreises kann von Bedeutung sein.
Die Information wird vorenthalten, wenn sie vom Unternehmer beschafft werden kann und in seinen Einflussbereich fällt sowie der Unternehmer die Information dem Verbraucher nicht (§ 5a Abs. 2 S. 1 UWG) oder nicht klar, vollständig, verständlich, rechtzeitig mitgeteilt hat (§ 5a Abs. 2 S. 2 UWG). Bei der Frage nach der Vollständigkeit im Sinne der Detail-Anzahl (Umfang der Informationen) ist auch das Medium (wie Fernsehen oder Tageszeitung) zu berücksichtigen (§ 5a Abs. 5 UWG). In Werbe-Anzeigen oder Werbe-Internet-Fenster kann der erforderliche Umfang eingeschränkt sein. Die mitzuteilenden Informationen müssen dann nicht dort, wohl aber auf der Website bzw. im Ladengeschäft mitgeteilt werden. In aller Regel können auf einer Homepage oder im Teleshopping-Kanal alle nötigen Informationen untergebracht werden. In Fernseh-Spots oder Tageszeitungen hingegen ist dies nicht der Fall.
 
Welche Beschränkungen bezüglich des Vorenthaltens gibt es nach § 5a UWG, insbesondere im Internet in Onlineshops?
§ 5a Abs. 5 UWG ist die sog. Medienklausel gleich Kommunikationsmittelklausel im UWG. Zu fragen ist, ob der handelnde Unternehmer eine Darstellung der benötigten Informationen in verkürzter Weise gegeben hat und diese Verkürzung ausgerechnet auf dem gewählten Medium(z.B. Fernsehen, Homepage) zurückzuführen ist und ob der Unternehmer ausreichende Maßnahmen getroffen hat, um eben diese Verkürzung der Darstellung auszugleichen (insgesamt drei Prüfschritte).
Parallel zu § 5a UWG ist jedoch auch noch das EU-Recht über den Fernabsatz zu beachten, etwa die §§ 312 ff. BGB mit § 312i, § 312j BGB i.V.m. Art. 246a und Art. 246c EGBGB. Diese Vorschriften sind teils strenger als die Vorgaben und Erleichterungen gemäß § 5a Abs.2, Abs. 5UWG. Es muss folglich die Rechtslage, welche als Kombination beider Rechtsmaterien besteht, verstanden und zwischen etwaigen Differenzen ein Einklang hergestellt werden.
 
Zu speziell § 5a Abs. 5 UWG:
Im Internet gibt es (fast) keine Einschränkungen des Vorenthaltens i.S.d. § 5 Abs. 2. Einschränkungen kann es dort nur technisch bedingte geben. Insbesondere lassen sich nicht alle benötigten Informationen auf derselben Unterseite einer Homepage zeigen. Jede Website ist räumlich-technisch begrenzt. Die Verkürzung der Darstellung ist dann durch Hyperlinks auszugleichen.
Durch klare Hinweise und klare Links auf der Startseite und allen weiteren Unterseiten kann der Verbraucher letztendlich (wohl) immer umfassend informiert werden. Beispiele von Ausnahmen sind m.E. heute nicht ersichtlich. Fehlende Informationen können und müssten per Hyperlink zugänglich gemacht werden.
Bei alledem allerdings darf erstens die Verlinkungskette nicht „unendlich“ sein. Sondern zwei, drei, vier Links dürften die maximale Weite der Verlinkungs-Erreichbarkeitsgrenze sein (Wertungsfrage). Bei Informationen auf einer Produktangebotsseite mit Bestelloption reichen wohl maximal zwei weitere Links auch. Auf anderen Seiten können drei oder vier Links – je nach Struktur der Website – genügen, um alle wesentlichen Informationen bereitzuhalten. Es geht nur um die Präsentation der wesentlichen Informationen, nicht auch der unwesentlichen. Der Kreis der Informationen, welche nicht vorenthalten werden dürfen, also ist zahlenmäßig begrenzt.
Zweitens muss der Unternehmer innerhalb der wesentlichen Informationen zwischen den besonders wichtigen und den weniger wichtigen Informationen unterscheiden. Die besonders wichtigen sind auf der Startseite der Homepage oder auf der Startseite der Produktseite zu platzieren. Nur die weniger wichtigen wesentlichen Informationen dürfen auf verlinkten Unterseiten angeordnet werden.
In einer Internet-Werbung wie eingeblendete Fenster mit Texten oder Videoclips muss ggf. ein Hinweis auf die Existenz weitere Informationen auf der Website XY gegeben werden. Fehlt ein solcher Hinweis in der geschalteten Werbung, würde der Unternehmer gegen § 5a Abs. 2, Abs. 5 UWG verstoßen.
Im Internet gibt es zumeist nur räumlich-technische Begrenzungen. In Fernsehspots oder Radiospots besteht eine zeitlich-technische Grenze. Es können rein praktisch nicht alle Informationen dort gesagt werden. Sonst wäre ein Spot im Worst case stundenlang. In Printmedien wie Flyer, Prospekt oder Postkarte gibt es keine zeitliche Begrenzung. Denn dort gibt es keine zeitliche Länge des Werbebeitrags. Sondern nur eine räumliche i.S.v. Platzgründen auf dem Format in der Größe von z.B. DIN A4.
 
Zu speziell den Vorschriften über den Fernabsatz im Rahmen des § 5a Abs. 5 UWG:
Die nach dem Fernabsatzrecht wesentlichen Informationen haben höchste Priorität. Sie müssen deshalb allesamt möglichst auf demselben Medium(z.B. Internet-Homepage oder Fernseh-Werbespot) gegeben werden. Reicht der Umfang eines gewählten Mediums nicht aus, um all diese wesentlichen Informationen zu geben, bleibt nichts anderes übrig, als das Medium zu wechseln und die nicht mehr platzierbaren Informationen woanders zu geben. Dieser Fall von sog. Medienbruch scheidet im Internet, auf Homepages, aus. Denn dort ist der räumliche Umfang unbegrenzt. Allerdings kommt die Notwendigkeit, einen Medienbruch zu veranstalten, bei Fernsehwerbespots (hier Teleshopping) in Betracht (Teleshopping ist eine Art und Weise des Fernabsatzes). Die Frage, welche nun verbleibt, ist die Frage nach der Grenzziehung auf der (hier) Teleshopping-Fernabsatz-Seite/Bild. In der Rechtsprechung (BGH) wird als grundsätzliche Grenze eine Quote von 20 % Bildfläche vorgeschlagen bzw. behauptet: alles, was auf 20 % Bildfläche passt, muss an Informationengegeben werden. Die übrigen Informationen (nicht 80 %, weil 80 % sich auf die Fernseh-Bildseite beziehen) können dann auf einer Textnachrichtenseite oder einer Webseite stehen, auf welche hingewiesen werden muss.
Diese Wertung bzgl. des Fernabsatzes ist in den § 5a Abs. 5 UWG hineinzulesen, damit ein einheitliches Rechtslagebild geschaffen werden kann.
 
Was genau ist mit der Beschränktheit i.S.d. Vorenthaltens gemeint?
Dem Unternehmer muss es „unmöglich“ sein, die wesentlichen Informationen am ursprünglich gewählten Ort (z.B. Produktangebotsseite im Onlineshop) bzw. im ursprünglich gewählten Medium (z.B. Teleshopping-Clip) zu geben. Gefragt werden muss nach der Unmöglichkeit der Informationsgebung im Sinne einer Interessenabwägung. Denn theoretisch ist alles machbar. Doch so weit geht das UWG nicht. Das UWG will den Wettbewerb ja nicht abwürgen, sondern fördern. Also kommt es auch auf Praktikabilitätsgesichtspunkte an. Der Verbraucher braucht nicht alle wesentlichen Informationen auf der z.B. Teleshopping-Seite. Letztendlich stellt sich auch hier die Frage nach dem Menschenbild. Was und wie viel ist von Unternehmern praktisch und von Verbrauchern geistig zu verlangen?
 
Rechtsfolge der Beschränkung der Informationen gemäß § 5a Abs. 5 UWG (ggf. i.V.m. Fernabsatz):
Diejenigen Informationen, die nicht auf der vordersten Seite oder in dem räumlich oder zeitlich begrenzten Medium gegeben werden können, müssen stattdessen auf einer Unterseite (im Internet) oder in einemanderen Medium (heute zumeist Internet-Homepage oder Werbeprospekt) gegeben werden. Also nicht gar nicht, sondern woanders und dort vollständig. Und zudem zumutbar. Zumutbarkeit meint das zumutbare Erreichen/Auffinden der an anderer Stelle gegebenen Informationen. Dabei hat der Unternehmer auch zu berücksichtigen, dass nicht jeder über eine „exotische“ IT-Technikoder Fernseh-Empfangstechnik verfügt. Abzustellen ist auch hier wieder auf den Durchschnittsverbraucher.
 
Welche der vielen Informationen sind wesentliche?
Informationen, die nach dem EU-Recht ausdrücklich oder gleichsam ausdrücklich nicht gegeben werden müssen, sind nicht wesentliche i.S.d. § 5a UWG.
Welche Informationen hingegen wesentliche sin, wird – zusätzlich zur Beurteilung nach § 5a Abs. 1 – in § 5a Abs. 3, Abs.4 UWG fingiert („gelten als“). § 5a Abs. 3 stellt die Rechtsbestimmung auf, dass die in den Nr. 1 bis Nr. 5 genannten Umstände stets wesentliche Umstände/Informationen sind (Fiktion).
Das Anbieten der Waren oder Dienstleistungen ist die Aufforderung zum Kauf einschließlich des Anbietens des Produkts im Wege der Werbung. Das Anbieten ist nicht auf den Abschluss eines Kaufvertrags beschränkt, sondern umfasst alle Vertragstypen. Es beginnt mit dem Zeitpunkt des Zur-Verfügung-Stellens aller Informationen für den Vertragsabschluss. Die Möglichkeit des Erwerbs muss noch nicht gegeben sein; andernfalls wäre die Werbung nicht zwingend inbegriffen. Dies aber soll sie sein. Denn der Verbraucher soll vorbeugend geschützt werden. Klassische Werbung auf Litfaßsäulen oder in Fernsehspots ist umfasst. Ebenso die Prospektwerbung und die Anpreisungen im Internet.
Der Katalog in § 5a Abs. 3 UWG ist insoweit abschließend. Genannt sind die Umstände/Informationen „1. alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang;
2. die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt;
3. der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können;
4. Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der unternehmerischen Sorgfalt abweichen, und
5. das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf.“
 
Die meisten Informationen müssen – im Onlineshop – räumlich/zeitlich vor dem Anklicken/Verschieben der Ware in den Warenkorb ersichtlich gemacht worden sein.
 
§ 5a Abs. 4 stellt ebenfalls die Rechtsbestimmung auf, dass die im übrigen EU-Recht bestimmten Informationspflichten als Pflichten bezüglich wesentlicher Umstände/Informationen gelten (Fiktion). Gemeint sind nur diejenigen Informationen, die dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen gemäß EU-Vorschrift. In den dieser Vorschrift zugrunde liegenden EU-Vorschriften (inzwischen EU-Richtlinien im Update) ist ein „Anhang II“ genannt und angefügt. In diesem sind zahlreiche Vorschriften in nicht abschließender Aufzählung genannt. Auf den dort genannten (sonstigen) Richtlinien beruhen beispielsweis…
… die §§ 312 ff. BGB mit § 312i, § 312j BGB i.V.m. Art. 246a und Art. 246c EGBGB betreffend den Fernabsatz,
… der § 2 Preisangabenverordnung betreffend Preise je Maßeinheit,
… die §§ 5, 6 TMG betreffend den elektronischen Geschäftsverkehr (im Internet),
… der § 651d BGB i.V.m. Art. 250, Art. 251 EGBGB betreffend die Pauschalreisen,
… der § 482 BGB betreffend Prospekte über Teilzeit-Wohnrechte-Verträge,
… der § 6a Preisangabenverordnung betreffend Kredite und Kreditvermittlungen,
…den Vorschriften des HWG (Heilmittel-Werbegesetz bzgl. Humanarzneimittel),
… der § 59 VVG i.V.m. VVG-InfoV betreffend Versicherungsverträge,
… die Vorschriften der LMIV betreffend Lebensmittelkennzeichnungen,
… die §§ 40 ff. EnWG betreffend Informationen über Energieverbrauch i.S.d. EnWG,
… und viele andere mehr.
In einigen Fällen besteht hier die Rechtsfrage, ob § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG anwendbar ist oder stattdessen § 3a UWG. Für den Betroffenen ist diese Rechtsfrage ohne Bedeutung.
 
Entfällt die Wesentlichkeit bei fehlender Relevanz?
Ja. Die Relevanzhürde ist ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Der Verbraucher muss nicht informiert werden, wenn er ohnehin dieselbe Entscheidung getroffen haben würde (§ 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG). Den handelnden Unternehmer trifft die Beweislast für das Entfallen.
 
Unlauteres Verschleiern des kommerziellen Zwecks:
Nach § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, wer „den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Es sind vier Voraussetzungen erforderlich: unzureichendes Kenntlichmachen, das Sich-nicht-aus-den-Umständen-Ergeben und die Eignung zum Bewirken einer Fehlentscheidung, zudem diese Handlung (auch) gegenüber einem Verbraucher (Geschäftsleute können nur über § 3a UWG geschützt sein). Die Vorschrift fragt nach dem Grund des Informierens bzw. Nicht-Informierens. Die anderen Absätze des § 5a UWG dagegen fragen nach dem Ja (ob) und Wie (wo und wann) der Informationen.
Die Handlung gehört zum Oberbegriff des Vorenthaltens einer wesentlichen Information. Mit ihr wird über den werblichen Charakter dieser Handlung getäuscht. Häufig geht es um Werbung von Menschen bezüglich der Produkte anderer. Denn den Worten unbeteiligter oder nicht finanziell involvierter Personen wird häufig mehr geglaubt als den Aussagen des Unternehmens, welches das Produkt anbietet. Stichworte sind die Schleichwerbung einerseits und die Tätigkeit als Influencer andererseits. Grundlage im EU-Recht ist Art. 7 Abs. 2 letzte Fallvariante der UGP-Richtlinie = Richtlinie 2005/29/EG, größtenteils in 2008 umgesetzt, zuletzt noch in 2015. Die Vorschrift wird umgesetzt durch § 5a Abs. 6 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 UWG. Zusätzlich prüfen sollte man in derartigen Fällen auch § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Anhang Nr. 11, Nr. 22, Nr. 23. Ebenso § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG. Diese Vorschrift hat dann, wenn die Rechtslage nach § 6 TMG und nach § 5a UWG eine unterschiedliche ist, Vorrang. Weiterhin können einschlägig sein: § 8 komplett und mit Abs. 7 S. 1 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV), und die § 3 S. 2 Nr. 2 Buchstabe c oder § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). All diese Vorschriften betreffen die erste der drei Voraussetzungen: das unzureichende Kenntlichmachen.
 
Die geschäftliche Handlung bezieht sich auf den Vertragsschluss und die Werbung. Nicht umfasst sind sonstige geschäftliche Handlungen wie redaktionell gefasste Pressemitteilungen und Unternehmensdatenberichte.
 
Die Handlung muss einem (auch) kommerziellen Zweck dienen. Dies ist der Fall, wenn der Bezug oder der Absatz bestimmter Produkte gefördert werden soll. Bedeutsame Beispiele sind das Bewerben von Aktien oder anderen Wertpapieren oder sonstigen Produkten in redaktionellen Beiträgen des Journalismus (Wirtschaftsjournalismus mit getarnter Werbung) sowie die Werbung von Influencern (Wirtschafts-Videoclips).
Der Influencer verfolgt einen kommerziellen Zweck; er verdient mit seinen Auftritten Werbegelder anderer Personen wegen deren Produkte-Absatz. Indizien zur „Überführung“ eines Influencers sind Links als Produktmarkierung (product tag; Link zu Onlineshop oder Produktseite oder Account eines Unternehmens), ein gewerblicher Account, eine Rabatt-Gutschrift, eine reklamehafte Anpreisung der Produkte eines (eigenen oder fremden) Unternehmens (vgl. Texte in Verkaufsprospekten), die Verwendung der Werbeslogans der beworbenen/anderen Unternehmen, das Übernehmen von langen Texten aus Pressemitteilungen des beworbenen/anderen Unternehmens, eine Produktkaufempfehlung, das Geben/Suggerieren des Anscheins einer umfangreichen Produkttestreihe und deren angeblich/vermeintlich recht vollständige Berichterstattung (Tests, Rankings, Bestenlisten), redaktionell aufgemachte Werbeanzeigen ohne den Hinweis „Anzeige“, …
Bei Influencern ist abzugrenzen zwischen einer kommerziellen Mitteilung/Information und einer privaten Meinung. Die Anzahl der Follower kann weder Indiz für diese noch für jene sein. Ein Follower signalisiert bloß Zustimmung. Auch Post mit einem product tag kann als redaktioneller Hinweis für die private Leserschaft gewertet werden. Eine klare und schematische Abgrenzung ist nicht möglich. Den Influencer trifft ggf. die sog. sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er keinen kommerziellen Zweck verfolgt. Im Einzelfall schwierig…
Der Handelnde handelt und unterlässt. Die Zuordnung der Tat unter den § 5a statt den § 5 UWG ist eine schwerpunktartige. Dem Handelnden wird das Verheimlichen des Zwecks vorgeworfen. Mehr als das etwaige Vertuschen oder das Irritieren.
 
Unzureichende Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks: Ob der kommerzielle Zweck verschwiegen worden ist, kann zum einen nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Zum anderen ist auch hier all dies aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu entscheiden. Der Durchschnittsverbraucher ist der ahnungslose, alles nicht oder unkritisch hinterfragende Verbraucher, nicht der Verbraucher, der nicht aufmerksam und verständig ist. Auch hier also taucht die Bedeutung des Menschenbildes wieder auf, welche von der Rechtsprechung den Menschen ggf. unterstellt wird. Wie blöd oder naiv darf ein Bürger sein, ohne vor allem und jedem gewarnt und informiert werden zu müssen? Die Antwort wirkt sich auf das Minimum aus, welches der Unternehmer zu erbringen hat.
Beim Durchschnittsverbraucher ist auch hier zu unterscheiden zwischen Erwachsenen und Kindern als Zielgruppe, zwischen „gesunden“ Menschen und Menschen in Notlagen oder im hohen Alter.
 
Eignung zum Bewirken einer Fehlentscheidung: Beispiele für die Geeignetheit sind 1. Product tags, 2. Kinder und Jugendliche als Adressatenkreis (vgl. § 8 Abs. 7 S. 2 Mediendienste-Staatsvertrag), 3. Werbung mit Ängsten oder Gesundheitsrisiken (spricht ältere Menschen besonders an). Je nach Menschenbild oder auch Realitätswissen des Durchschnittsverbrauchers kann es sein, dass die Eignung verneint werden muss, weil der Durchschnittsverbraucher weiß, dass es sich bei der Mitteilung (Film o.a.) um bezahlte Werbung handelt. Insbesondere im Internet gibt es zig Videos und Websites und Games, welche kostenfrei zum Download angeboten werden. Alles unentgeltlich und ohne Werbung, kommerziellen Zweck? Abzugrenzen sind hier evtl. der kommerzielle Zweck und der Ausspäh-Zweck (IT-Sicherheit). Letzteres ist zumeist aber wiederum ein mittelbar kommerzieller Zweck (im Bereich Wirtschaft statt reine Politik).
 
Wer für Werbung ein Entgelt erhält und dies nicht kenntlich macht i.S.d. § 5a UWG erfüllt zugleich die Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Es gibt aber auch Schleichwerbung (mit z.B. Produkt-Placement) ohne Gegenleistung in Form eines Entgelts oder gar ohne überhaupt eine Gegenleistung (quasi freundschaftliche Gefälligkeitsleistung eines Journalisten). Schwierig ist der Nachweis der Werbeabsicht in/mit Fernsehbeiträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 9 Mediendienste-Staatsvertrag und Fernseh-Werberichtlinie der Landesmedienanstalten; zusätzlich § 8 Mediendienste-Staatsvertrag) oder in Kinofilmen. Im Fernsehen muss das Sponsoring offengelegt werden (vgl. § 10 Mediendienste-Staatsvertrag). Dieses kann sich auf die gesamte Fernsehsendung oder auf Teile dieser beziehen (Aussage-Sponsoring durch Drehbuch-Text-Beeinflussung oder das Produkt-Placement o.a. durch z.B. Sach-Sponsoring).
§ 5 Abs. 6 UWG und § 3a UWG sind häufig parallel anwendbar und einschlägig.
 
Im Internet: Kostenfreie Spiele und App-Angebote erhalten viel bezahlte/kommerzielle Werbung. Vorschriften sind § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG und z.B. §§ 22, 74, 98 Mediendienste-Staatsvertrag. Verschleierung ggf. (d.h. bei fehlendem Hinweis) ja: Keyword-Advertising, Fake-Kundenbewertungen, „objektiv“ erscheinende Website eines Arztes, der in Wahrheit nur/hauptsächlich ein bestimmtes Produkt (Arznei) verkaufen will (weil dem Durchschnittsverbraucher ein wissenschaftlicher/objektiver Online-Ratgeber vorgetäuscht wird). Keine Verschleierung grundsätzlich: Werbebanner (weil der Durchschnittsverbraucher diese als Werbung erkennt), Hyperlinks und Newsletter und E-Mail und Blog oder Social Media oder Kundenbewertungen z.B. pro Hotels oder Restaurants (nicht per se ein Mittel für kommerzielle Zwecke; im Einzelfall aber klar ja).
 
Wer ist der richtige Beklagte?
Verschleiert ein Influencer, sind sowohl der Influencer (§ 8 Abs. 1 UWG) als auch das die Werbung bezahlende Unternehmen (§ 8 Abs. 2 UWG) verantwortlich. Verschleiern Presse- oder Rundfunkunternehmen, kommt es zunächst darauf an, ob das Presse-/Rundfunkunternehmen (grundsätzlich ja) für die Fehlinformation verantwortlich ist. Nur ausnahmsweise kann zusätzlich der Informant/Lieferant zusätzlich in Anspruch genommen (teils nach anderen Vorschriften; nicht über § 8 Abs. 2 UWG).
 
Der § 5a UWG ändert sich mit Wirkung ab 28. Mai 2022. Dann wird es auch die §§ 5b, 5c UWG geben.
 
 

10. Vergleichende Werbung
§ 8 Absatz 1 Satz 1 UWG lautet: "Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden." Und § 3 Absatz 1 UWG: "Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig." § 6 Absatz 1 UWG schließlich: "Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht" (§ 6 Abs. 1 UWG).
§ 6 Abs. 2 UWG lautet: "Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich
1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht,
2. nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt,
4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt,
5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft oder
6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt."
 
Was ist Werbung?
Werbung ist jede Äußerung (hier im Rahmen einer Unternehmenstätigkeit) mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder das Erbringen von Dienstleistungen zu fördern. Jede Visitenarte und jeder Homepage-Auftritt eines Unternehmens sind Werbung. Auch eine Äußerung, die nur die Ware oder Dienstleistung eines anderen, konkurrierenden Unternehmens negativ darstellt, sei Werbung. Denn auch diese negative Äußerung könne den Absatz eigener Waren oder das Erbringen eigener Dienstleistungen fördern. Diese weite Auslegung des Begriffs Werbung führt dazu, dass praktisch jede unternehmerische Äußerung, sofern sie denn die Räumlichkeiten des Unternehmens (ohne Einbeziehung von Verkaufs- oder Repräsentationsflächen) verlässt (= absatzfördernde Werbung), als Werbung gilt und nur privat oder staatlich veranlasste Äußerungen keine Werbung seien. Für Unternehmen bedeutet dies ein nicht unerhebliches Risiko, etwas „Falsches“ zu sagen.
Unternehmen, die die Ware oder Dienstleistung eines anderen Unternehmens nachfragen, seien nach einer Rechtsauffassung nicht in der Position, eine Werbung abzugeben, welche eine vergleichende ist. Nach anderer Auffassung hingegen sind diese Nachfrager inbegriffen. Im Ergebnis dürfte das Resultat dasselbe sein – allerdings nicht im Wege der Auslegung des § 6 UWG, sondern vielmehr über die Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG: „zugunsten eines fremden Unternehmens“. Fazit: Jedes Unternehmen kann eine Werbung (nämlich für sich oder andere) abgeben. Die Marktwirtschaft in Deutschland ist, bezogen auf die Äußerungen, nicht schön „frei“, sondern doch recht deutlich „kontrolliert“.
 
Gehört die individuelle Verkaufsberatung zum Begriff der Werbung?
Ja. Werbung ist jede Äußerung, die…(s. zuvor). Also auch Gespräche über sich oder Dritte sind inbegriffen.
 
Was ist ein Vergleich?
„Vergleich“ meint, dass Angaben über das Angebot des Äußernden/Vergleichenden gemacht werden und dass Angaben über das Angebot des Betroffenen/Verglichenen gemacht werden und dass Angaben über das Verhältnis (besser/schlechter) beider Angebote gemacht werden. Es muss ein Komparativ angestellt werden können.
Ein Vergleich setzt das Vergleichen von Waren/Dienstleistungen voraus (die eine von zwei Rechtsauffassungen). Dies ergibt sich aus der Wortbedeutung des Wortes Vergleich. Nach anderer Auffassung gibt es auch Vergleiche „ohne Vergleiche“, d.h. Äußerungen in Bezug auf das konkurrierende Unternehmen ohne Bezugnahme auf dessen Produkte. Die Frage heißt, ob in einem Vergleich i.S.d. § 6 UWG Waren/Dienstleistungen gegenübergestellt werden müssen. Der BGH schwankt hin und her. Der EuGH hat die Rechtsfrage bisher nicht entschieden. Sinnvoll wäre eine Vorlagefrage an den EuGH. Die EU-Richtlinien und der Wortlaut des § 6 Abs. 1 UWG sind in beiderlei Richtung auslegbar.
Nach richtiger Auffassung muss der Vergleich – in den § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG und in § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG – einen Vergleich der Produkte voraussetzen. Denn andernfalls handelt es sich bloß um eine Kritik (z.B. Herabsetzung) an einem Unternehmen (z.B. Herabsetzung der Unternehmensehre eines anderen Unternehmens). Wer nur das Unternehmen kritisiert, ohne auf dessen Produkte einzugehen, vergleicht nicht, sondern kritisiert. Beispiele: Der andere hat andere Ladenöffnungszeiten. Oder: Der andere (Arzt) bietet nur die Leistungen X und Y und nicht auch Z. Oder der andere (Hersteller) hat ein kleineres Händlernetz.
Nicht jede Werbung, die einen Konkurrenten identifizierbar macht, enthält auch Kritikpunkte bzgl. der Produkte des kritisierten Unternehmens. Allerdings erstreckt § 6 Abs. 1 UWG den Anwendungsbereich des § 6 UWG – nach dem klaren Wortlaut – auf Vergleiche zwischen Mitbewerbern statt Produkten (Wortlaut). Deshalb muss die Einschränkung des Vergleichsgegenstands/-inhalts auf die Produkt- statt allgemein Unternehmensvergleiche im § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG und im § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorgenommen werden kraft einschränkender Gesetzestextauslegung. Andernfalls entstünde das zuvor abgelehnte Ergebnis, dass jede (auch inhaltliche gerechtfertigte) Kritik an einem Unternehmen unzulässig wäre, sofern nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 UWG erfüllt sind, und wären die Anwendungsergebnisse nicht gerecht (so die auch hier vertretene Rechtsauffassung – im Ergebnis in der Fachwelt umstritten).
Also: Werbung ist jede Äußerung, ein Vergleich setzt einen Vergleich zwischen Unternehmen oder deren Produkten voraus (§ 6 Abs. 1). Bei § 6 Abs. 2 UWG muss die vergleichslose Produktwerbung (d.h. reine Unternehmensangaben/-kritik) ausgeschieden werden.
 
Was ist vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG?
Werbung ist eine vergleichende, wenn sie einen Mitbewerber oder die Waren/Dienstleistungen eines Mitbewerbers erkennbar macht – egal, ob unmittelbar oder mittelbar (§ 6 Abs. 1 UWG).
„Unmittelbar“ bedeutet, dass der betroffene Mitbewerber identifizierend benannt oder beschrieben ist. „Mittelbar“ meint, dass der Betroffene aufgrund von Umständen (ggf. mühselig) ermittelt und identifiziert werden kann. Der Betroffene ist dann ein „konkreter“. Die Identifizierbarkeit gelingt nicht mehr, wenn eine ganze Gruppe von Betroffenen (ein „abstrakter“/kollektiver/pauschaler Kreis von Unternehmen) existiert. Ausnahme: eine sehr kleine Gruppe oder gar – bei großen Konkurrenten die Coca Cola und Pepsi Cola – ein anderer. Angaben, die keinen bestimmten Betroffenen oder aber eine zu große Anzahl von Konkurrenten meinen, scheiden aus. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 UWG muss die Werbung „einen“ Mitbewerber oder dessen Produkte erkennbar machen. „Alle“ Mitbewerber als Bezugsgruppe reichen nicht aus. Bezieht sich eine Werbung klar auf alle anderen Mitbewerber, weil „ich bin der größte usw.“, dann fehlt es an einem Vergleich im Sinne des § 6 UWG.
Es kommt nicht darauf an, dass auch das eigene Unternehmen als das die Werbung erklärende Unternehmen erkennbar wird. Allerdings muss die Beziehung, das Verhältnis erkennbar beschrieben/umschrieben sein.
 
Wie wird der Vergleich bewiesen?
Ermittelt werden müssen Anhaltspunkte/Gegebenheiten wie 1. die Anzahl der Konkurrenten überhaupt, 2. Der örtliche Bezug/Radius der Konkurrenten, 3. der zeitliche Bezug/Zusammenhang mit Konkurrenten, 4. besondere Merkmale eines anderen Produkts.
 
Gehört die Eigenwerbung bzgl. der Preisnachlässe dazu??
Nein. Die Angabe „Preis vorher: …; Preis jetzt…“ ist eine schlichte Preisreduzierung, evtl. ein Rabatt. Mit anderen Unternehmen hat dies nichts zu tun. Anders – umstritten – sieht es der Angabe „Preis unter der UVP des Herstellers“ aus. Vergleicht sich der Äußernde indirekt mit anderen Unternehmen, nämlich denjenigen, die die Preise nach der unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) festlegen? Es darf gestritten werden…
 
Gehört die Äußerung, die aufgrund eines Auskunftsverlangens des Kunden (Zwischenkunden oder Endkunden) abgegeben wurde, zum Begriff der Werbung, sofern sie im persönlichen Gespräch fällt und nicht in der Öffentlichkeit abgegeben wird?
Nach der ersten Rechtsauffassung ja. Sie ist dann, sofern sie nicht die Definition gemäß § 6 Abs. 1 UWG erfüllt, auch automatisch unlauter, weil § 6 Abs. 1 UWG einen ungeschriebenen Verbotstatbestand (kraft Umkehrschlusses) enthalte. Zur Verneinung der Unlauterkeit gelangt man, indem man behauptet, der EU-Gesetzgeber habe die im persönlichen Verkaufsgespräch stattfindenden Auskünfte nicht mit einbeziehen wollen, jedoch dies bei der Definition von Werbung übersehen. Nötig und möglich sei die sog. teleologische Reduktion.
Nach der zweiten Rechtsauffassung ja. Sie ist dann, sofern sie nicht die Definition gemäß § 6 Abs. 1 UWG erfüllt, aber nicht automatisch unlauter, weil § 6 Abs. 1 UWG einen ungeschriebenen Verbotstatbestand (kraft Umkehrschlusses) nicht enthalte. Diese Auffassung erscheint die richtige zu sein. Doch der EuGH zieht offenbar die erste vor (s.o.).
Nach der dritten Rechtsauffassung nein. Der dem § 6 Abs. 1 UWG zugrunde liegende Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 84/450/EWG (inzwischen durch die Richtlinie 2016/114/EU ersetzt) umfasse unter dem Begriff Werbung keine persönlichen Verkaufsgespräche außerhalb der Öffentlichkeit. Diese Auffassung stützt sich auf Erklärungen außerhalb der Gesetzestexte und ist deshalb die am schlechtesten fundierte.
 
Mit wem wird verglichen?
Der konkrete Mitbewerber muss, damit von einem Vergleich gesprochen werden kann,  in seiner Eigenschaft als Mitbewerber erkennbar sein. Derjenige, mit wem oder dessen Produkte (Waren, Dienstleistungen) sich der Äußernde vergleicht, ist derjenige Mitbewerber/Konkurrent, der Produkte vertreibt, die mit denen des Äußernden austauschbar sind. Die beiden miteinander verglichenen Unternehmen müssen dieselben Verkehrskreise ansprechen, sich prinzipiell um dieselben Kunden bemühen. Das eine Unternehmen muss an die Stelle des anderen treten können (Austauschbarkeit). Dabei dürfen die Produkte auch ungleich sein. Der BGH hatte vor Jahrzehnten einen Fall entschieden, in dem ein Unternehmen, welches Kaffee anbietet, sich mit Unternehmen, welche Blumen anbieten, verglich: „Kaffee statt Blumen“ als Geschenkidee. Unternehmen unterschiedlicher Branchen also müssen hierfür mehr aufbieten können als bloß den „Verbraucher“ als gemeinsamen Kunden. Im Fall der Blumen-Kaffee-Werbung waren alle Blumenverkäufer gemeint. Eine Individualisierung des betroffenen Unternehmens schied aus.
Ein relevantes Beispiel stellt die Werbung mit Ersatzteilen oder Zubehörteilen dar: Verkauft das Unternehmen U1 dieselbe Hauptware wie U2, und bieten beide Ersatzteile bzw. Zubehörteile an, dann stehen sie (auch) bzgl. der Ersatzteile/Zubehörteile im wettbewerblichen Austauschverhältnis i.S.d. obigen Definition. Dies gilt auch dann, wenn U1 nur Angaben dazu macht, welche der von ihm vertriebenen Ersatzteile oder Zubehörteile zu welchem Hauptprodukt eines anderen (Herstellers) passen und er nicht die Ersatzteile und/oder Zubehörteile mit denen eines anderen vergleicht. Nach anderer Rechtsauffassung besteht das Austauschverhältnis i.S.d. obigen Definition dann aber bzgl. der Ersatzteile/Zubehörteile nicht. Die Zuordnung/Bejahung des Austauschverhältnisses bei derart unterschiedlichen Produkten/Märkten (Hauptteil und Ersatzteil bzw. Hauptteil und Zubehörteil) ist umstritten.
Verkauft U1 keine Ersatzteile oder Zubehörteile, dann steht es mit U2, das Ersatzteile und/oder Zubehörteile verkauft, insoweit nicht im Austauschverhältnis.
Das Praxisproblem mit § 6 UWG besteht darin, dass die Rechtsprechung des BGH in den letzten Jahrzehnten schwankte. Man kann nicht sicher sein, wie der BGH bzgl. der Individualisierbarkeit und Marktrelevanz des betroffenen Mitbewerbers als wahrer Konkurrent künftig entscheiden wird. Er schwankte zu oft. Der Grund liegt wohl darin, dass es die (weite) Definition des Mitbewerbers gibt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Der Mitbewerber in diesem Sinne (Wettbewerbsverhältnis im allgemeinen) und der Mitbewerberbegriff im Sinne des § 6 UWG sind nicht dieselben und müssen nicht diesen sein. Zwar können sehr viele Unternehmen sein, betroffen i.S.d. § 6 UWG jedoch müssen nicht alle sein bzw. sind auch nicht betroffen. Anders als der BGH neigt der EuGH in Fällen vergleichender Werbung zu der engeren Definition des Mitbewerbers i.S.d. § 6 UWG.
 
Wie sieht die Situation aus, in welcher zwecks Förderung eines fremden Wettbewerbs verglichen wird?
Beispiel: U1 und U2 stehen im wettbewerblichen Austauschverhältnis. U3 vergleicht die Produkte von U1 und U2 derart, dass die Produkte des U1 immer besser beurteilt werden als die des U2. U3 handelt sozusagen zugunsten des U1. Die offenbare überwiegende Auffassung bejaht die Einbeziehung auch dieser Werbung. Das bedeutet: Jeder Händler, der einen Endkunden berät, steht vor dem Problem, eine unzulässige Vergleichswerbung zu praktizieren. Von den Vertretern der überwiegenden Auffassung wird zwar vorgetragen, dass die Absatzförderung ja auch bezweckt sein muss. Doch wie will man vergleichende Werbung (mit Zweckbestimmung) und vergleichende Äußerung/Beratung (ohne Absatzförderungszweck) in der Praxis unterscheiden? In der juristischen Realität sieht es leider so aus, dass Abmahnende mit ihren Anwälten und die Richter/Buchautoren offenbar gerne alles und jeden einbeziehen wollen. Dann kann man häufiger abmahnen… Ein gutes Geschäft in Konsequenz?
Wer ist dann als möglicher Bösewicht inbegriffen, d.h. sitzt auf der Lauterkeitsvorwurfsbank? Es sind z.B. alle Verkäufer, alle Testergebnisse oder Rankings herausgebenden Menschen und Verlage, alle Werbeagenturen und Wirtschaftsverbände… Uferlos? Es bestehe zwar keine Vermutung für die Förderungsabsicht, und es müssten – zutreffend – besondere Umstände des Einzelfalls ermittelt und nachgewiesen werden. Doch das ist bloß die Theorie. Die juristische Praxis vor den Gerichten sieht nicht selten anders aus. Einstweilige Verfügungen werden in großzügiger Anzahl erlassen. Motto: Wem das Ergebnis nicht passt, der könne ja Rechtsmittel einlegen.
 
Welche Waren und Dienstleistungen können miteinander verglichen werden?
Alle. Auch Nutzungsrechte, Schutzrechte, Verpflichtungen (z.B. Schuldtitel) können verglichen werden. Die „Ware“ muss nicht eine körperliche sein. Treffender ist der wirtschaftliche Begriff „Produkt“. Die EU spricht vom „Erzeugnis“.
Die Dienstleistungen beinhalten alle Vertragstypen, nicht nur Dienstverträge, sondern auch Werkverträge u.a. Das alles ist im Lauterkeitsrecht selbstverständlich. Das UWG greift ja in die gesamte Wirtschaft/Marktwirtschaft ein. Kein Unternehmen bleibt außer Beobachtung.
 
Wo genau im UWG stehen die Verbote bezüglich der vergleichenden Werbung?
Vergleichende Werbung ist nach überwiegender Auffassung (nur) dann zulässig, wenn sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 UWG (= Vergleich erkennbar machend) erfüllt und nicht einen der Tatbestände des Verbotskatalogs des § 6 Abs. 2 UWG erfüllt. § 6 Abs. 1 UWG bestimme, dass eine Handlung, welche vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG nicht ist, verboten werden müsse (verboten sei). Dies ergäbe sich aus einem Umkehrschluss. Der EuGH ist dieser Auffassung offenbar gefolgt.
Vergleichende Werbung ist nach anderer Auffassung [in der Literatur/Wissenschaft] (nur) dann zulässig, wenn sie nicht einen der Tatbestände des Verbotskatalogs des § 6 Abs. 2 UWG erfüllt. In § 6 Abs. 1 UWG stehe nur eine Definition, nicht auch ein weiterer Verbotstatbestand (im Umkehrschluss zur Zulässigkeit). § 6 Abs. 1 UWG bestimme bloß, dass eine Handlung, welche vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG ist, nicht verboten werden dürfe. Denn die zugrunde liegende EU-Richtlinie in Art. 4 RL 2006/114/EG besage nichts zu den Rechtsfolge eines Nichterfülltsein der Werbung als vergleichende. Zudem sprächen die Entstehungsgeschichte des Art. 4 Richtlinie und der demzufolge erkennbare Zweck der Vorschrift (= pro Zulässigkeit/Liberalisierung) gegen eine weitere, stillschweigende Verbotsvorschrift (neben § 6 Abs. 2 UWG). Stimmt man dieser Rechtsauffassung zu, dann darf der Mitgliedstaat (Deutschland) auf ein Verbot in § 6 Abs. 1 UWG verzichten und allein in § 6 Abs. 2 UWG Verbote auflisten. Der Mitgliedstaat darf dann nicht ganz so streng sein (Richtlinien geben nur die Richtung, nicht den detaillierten Inhalt vor).
Der Verbotskatalog ist abschließend, d.h. es gibt keine weiteren Verbote nach dieser Vorschrift.
 
Was ist bei der Auslegung zu beachten?
Die Auslegung der Verbotstatbestände hat so zu erfolgen, dass im Zweifel für den Werbenden („Angeklagten“) geurteilt wird. Es ist zu fragen, ob die vergleichende Werbung zugunsten des Wettbewerbs und der Verbraucherinteressen einen Nutzen (Vorteil) erbringt. Sofern ja, dann spricht dies gegen ein Verbot und für die Zulässigkeit. Wer Verbraucher ist, ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 13, 14 BGB). Wie er denkt, unterstellen ihm die Richter. Die Richter (Rechtsanwender) sollen vom sog. verständigen Bürger ausgehen. Dieser sei normal/durchschnittlich informiert und angemessen/durchschnittlich aufmerksam/interessiert. Also kein Bürger mit niedrigem Auffassungsvermögen und/oder mangelndem Interesse. Es geht nicht um den Blöden oder Gleichgültigen, der an der Hand geführt werden muss.
 
a) § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG
Unlauter handelt, wer sich mit dem Vergleich nicht auf Produkte für den gleichen Bedarf bezieht (Variante 1). Unlauter handelt, wer sich mit dem Vergleich nicht auf dieselbe Zweckbestimmung bezieht (Variante 2). Mit beiden Varianten wird der (zulässige) Vergleich, der sich auf untereinander austauschbare Produkte bezieht, noch ein Stück weit eingeschränkt.
Für den gleichen Bedarf sind Produkte vorgesehen oder einzusetzen geeignet, wenn diese in ihrer Funktion aus Sicht der Verbraucher/Kunden tatsächlich oder laut der Werbeaussage so ähnlich sind, dass die Verbraucher/Kunden das jeweils andere Produkt wählen/kaufen/einsetzen können. Die Produkte brauchen nicht identisch zu sein. Der Verbraucher/Kunde muss beide Produkte (miteinander austauschbar) gebrauchen können (Funktion) können (Bedarf). Beispiele: 1. Markenware und No-Name-Produkte, 2. Echter Schmuck und Plastik-Schmuck, 3. Schallplatte und CD, 4. Süßigkeiten XYZ und Süßigkeiten ABC, 5. Energiequelle Öl und Energiequelle Strom. Erforderlich ist ein zumindest gleicher Teil-Nutzen/Grund-Nutzen, eine gewisse Austauschbarkeit der Produkte. Ein Vergleich mit Nebenfunktionen genügt.
Für denselben Zweck bestimmt sind Produkte, wenn diese aus Sicht oder laut Werbung für denselben Zweck/Funktion eingesetzt werden sollen. Der Bedarf (Variante 1) wird auch Sicht des Verbrauchers/Kunden ermittelt, der Zweck (Variante 2) aus Sicht des Anbieters/Unternehmens.
Was mit der Vorschrift § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG bezweckt wird, ist nicht ganz klar. Die Juristen meinen, dass das Interesse der Verbraucher/Kunden, sachlich informiert zu werden, befriedigt werden soll und andernfalls nicht befriedigt werden könne. Die Verbraucher/Kunden würden sonst in die Irre geführt werden (können). Verhindert werden soll ein falscher Gesamteindruck auf Seiten des Verbrauchers/Kunden. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Werden Produkte miteinander verglichen, für die der Verbraucher/Kunde nicht den gleichen Bedarf hat oder die aus Sicht der Anbieter/Unternehmen nicht denselben Zweck haben, dann ist der Vergleich nicht nach § 6 UWG unlauter, insoweit also zulässig. Der Vergleich kann unter Umständen nach anderen Paragrafen unlauter sein.
Werden nicht Produkte miteinander verglichen, sondern bloß die Unternehmen (z.B. bzgl. persönlicher oder unternehmerischer Eigenschaften oder Verhaltensweisen), dann passt die Vorschrift nicht. Sie passt zwar nach dem Wortlaut, jedoch nicht nach ihrem Sinn (s.o.). Wer andere kritisiert, kann sich nach anderen Vorschriften unlauter oder ggf. auch strafbar verhalten.
 
b) § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG
Unlauter handelt, wer sich nicht objektiv auf wesentliche (etc.) Eigenschaften (inklusive Preise) der Produkte eines anderen Unternehmens bezieht.
Die Vorschrift § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG bezweckt ebenfalls die Verhinderung eines falschen Gesamteindrucks auf Seiten des Verbrauchers/Kunden. Mit dem Wort „objektiv“ soll klargestellt werden, dass die Verbraucher/Kunden sachlich informiert werden müssen. Sie sollen nicht in die Irre geführt werden (können). Es soll, so das politische Ziel, der Leistungswettbewerb gestärkt werden. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Der Begriff „Eigenschaften“ ist weit auszulegen. Er umfasst z.B. auch statistische Zahlen zu den Produkten, Meinungsumfragen, umweltbezogene Angaben oder auch Geschmäcker-Meinungen. Letztlich alle Angaben, die nachprüfbar sind. Es geht um – dem Vernehmen des Werbenden nach und/oder tatsächlich – beweisbare Tatsachenbehauptungen.
Unlauter sind reine Meinungsäußerungen (= reine Werturtele) sowie beweisbare Tatsachenbehauptungen, welche nicht relativ kurzfristig belegt werden können. Die Beweisbarkeit einer Tatsache in weiter Ferne gilt wie eine nicht nachprüfbare Tatsachenbehauptung.
Welche Eigenschaften „wesentlich“, „relevant“ und „typisch“ sind, ist aus Sicht der Verbraucher/Kunden zu beantworten. Insoweit sortiert die Rechtsprechung eher viele als wenige Eigenschaften ein.
Das ganze Vergleichen muss dann noch irgendwie „objektiv“ sein. Der Gegenbegriff ist „subjektiv“. Was genau damit zum Ausdruck gebracht werden soll, ist umstritten. Was ist objektiv? Eine passende Antwort ist bisher nicht gefunden worden. „Objektiv“ muss etwas anderes sein als „nachprüfbar“. Aber was? In der Praxis mag ein Unternehmen davon ausgehen, dass dieses Wort keine eigenständige Bedeutung hat: Es wird ihm nichts nützen.
 
c) § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG
Unlauter handelt, wer einen Vergleich dergestalt anstellt, dass die Kunden/Marktteilnehmer/Verbraucher in die Gefahr geraten, die miteinander verglichenen Unternehmen oder Produkte oder Unternehmens- oder Produktkennzeichen zu verwechseln.
Zweck der Vorschrift ist es, die Verwechslungsgefahr zu verhindern. Die Vorschrift beruht auf EU-Recht.
Unternehmens- oder Produktkennzeichen sind Markennamen, Handelsnamen, Farben, Formen, Bilder etc. Ursprungsbezeichnungen wie geografische Herkunftsangaben gehören in § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht dazu. Exkurs: In den Nr. 3 bis Nr. 6 des § 6 Abs. 2 UWG ist der Begriff der Kennzeichen mal enger, mal weiter auszulegen. Das heißt: Ursprungsbezeichnungen wie geografische Herkunftsangaben gehören, wenn die Vorschrift eng auszulegen ist, nicht zu den Kennzeichen. Ist die Vorschrift weit auszulegen, gehören diese Bezeichnungen dazu. Das hängt damit zusammen, dass der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinie, die dem § 6 UWG  zugrunde liegt, nicht eins zu eins, sondern sprachlich unpassend umgesetzt hat. Eng auszulegen ist der Begriff in § 6 Abs. 2 Nr. 3 und in Nr. 4 (dort bzgl. der Beeinträchtigung des Rufs). Weit auszulegen ist er in Nr. 4 (dort bzgl. der Ausnutzung des Rufs), in Nr. 5 und in Nr. 6.
Ein verwendetes Unternehmens- oder Produktkennzeichen ruft eine Verwechslungsgefahr hervor, wenn es – allein/isoliert betrachtet – zu Verwechslungen führt.
Eine Verwechslungsgefahr wird verursacht, wenn die angesprochenen Marktteilnehmer (Kunden etc., nicht jedoch zwingend auch die Verbraucher (dann aber insoweit § 5 Abs. 2 UWG)) in den Glauben verfallen könnten, dass die Produkte des eines Unternehmens Produkte des anderen sein könnten [Verwechslungsgefahr im engeren Sinne] oder dass die Produkte des einen und die Produkte des anderen deshalb ähnlich/vergleichbar sind, weil sie von den beiden Unternehmen U1 und U2 gemeinsam auf den Markt gebracht werden [Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne]. Geschützt wird vor dem gedanklichen In-Verbindung-Bringen der Produkte zweier Unternehmen.
Schließlich sollte im Einzelfall geprüft werden, was das werbende/vergleichende Unternehmen unternimmt, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Auch diese Umstände zu berücksichtigen.
 
d) § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG
Unlauter handelt, wer den Ruf eines Kennzeichens eines anderen Unternehmens in unlauterer Weise beeinträchtigt oder ausnutzt. Dass das Wort „unlauter“ auf beiden Seiten der Definition auftaucht, bedeutet, dass es auch lautere/zulässige Beeinträchtigungen oder Ausnutzungen eines Rufes gibt und dass deshalb abgewogen werden muss. Es müssen „besondere Umstände“ des Einzelfalls hinzutreten.
Zu den Kennzeichen zählen alle Zeichen wie in § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG, d.h. ohne geografische Herkunftsangaben.
„Ruf“ bedeutet Reputation, Ansehen, Renommee, unternehmerische Wertschätzung. „Ruf“ ist mehr als das gedankliche In-Verbindung-Bringen des Kennzeichens eines Unternehmens mit eben diesem Unternehmen. Es ist etwas positives, etwas Positives mit Unterscheidungskraft gegenüber anderen Unternehmen.
Das Beeinträchtigen oder Ausnutzen muss mehr sein als das bloß Benenn der Kennzeichen und der Unterschiede der jeweils gekennzeichneten Produkte. Die Stufe hin zum Beeinträchtigen/Ausnutzen ist erst erreicht, wenn das Interesse des Werbenden, den Vergleich unter Benennung des Zeichens des Konkurrenten weniger viel wiegt als das Interesse des Konkurrenten, von solchen Vergleichen verschont zu werden. Es findet eine Interessenabwägung statt. Das ist der Fall, wenn das Deutlichmachen der Vorteile der eigenen Produkte nur dieses und jenes zu erklären erfordert, die vergleichende Werbung hierüber jedoch hinausgeht. Maßstab für diese Beurteilung ist das Interesse der Kunden an einer sachlichen Information und Aufklärung. Gedanklich wird also ein Dreipersonenverhältnis durchgeprüft. Im Ergebnis läuft die Prüfung auf eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus. Und das bedeutet: Es darf diskutiert werden…
Beispiele des Ausnutzens: 1. Ein Zeichen, das dem Kennzeichen eines anderen Unternehmens entspricht oder ähnelt oder mit diesem identisch, wird im Onlineshop nur verwendet, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Ansonsten dient das abgekupferte Zeichen nicht näher der Information des Kunden. 2. Gleiches gilt für den Text „Kennzeichen-Stil“, also die Mitteilung, dass die Ware in etwa so aussehe wie die des Konkurrenten.
Beispiele der Beeinträchtigung: …? (m.E. schwierig, weil kaum je überzeugend). Es soll sich um Fälle handeln, in denen das eigene Produkt so gestaltet oder eingesetzt ist/wird, das es suggeriert, das fremde Produkt/Kennzeichen sei irgendwie negativ.
 
e) § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG
Unlauter handelt, wer ein anderes Unternehmen und/oder dessen Produkte herabsetzt oder verunglimpft. Verunglimpfen ist/sei das Lächerlich-Machen, das Verächtlich-Machen, das geschmacklose Eigenschafts-Zuschreiben, das anstößige Eigenschafts-Zuschreiben. Es darf im Streitfall diskutiert werden… Allerdings genügt bereits ein Weniger als dieses, und zwar das Herabsetzen. „Herabsetzen“ bedeutet jedes Verringern des Rufes des Unternehmens eines anderen, insbesondere ein Abwerten des Konkurrenzprodukts. Wie schon bei § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG sind Interessen abzuwägen. Das Interesse des werbenden Unternehmens am Vergleich sowie das Interesse des betroffenen Unternehmens, vom Vergleich verschont zu werden. Auch hier kommt es auf den Blickwinkel der Kundschaft und dessen Interesse an einer sachlichen Aufklärung an. Wahre Preisangaben/Unterschiede beispielsweise sind deshalb rechtmäßig, nicht unlauter. Gefragt wird, was der Kunde wissen möchte, um seine Entscheidung zum Kauf der Ware bzw. zum Abschluss des Dienstleistungsvertrags zu treffen. Gefragt werden kann wohl, wo der Schwerpunkt der Werbung liegt – in der Kritik des anderen oder in der Darstellung der eigenen Produkte. Das Risiko, falsch zu liegen, aber bleibt: Ein pfiffiger Werbeslogan kann teuer werden. Denn es ist nicht immer voraussehbar, wie die Gerichte entscheiden werden. Das gilt besonders für das sog. Lächerliche. Was für den einen witzig erscheint, sieht der andere gegenteilig.
Nach Auffassung der Kanzlei Wüstenberg gilt rechtspolitisch zur Orientierung: Juristen (Richter) mögen offenbar nicht viel Humor oder Ironie, sofern diese Dritte in den Fokus nimmt. Flotte Werbesprüche können dann schnell in die Hose gehen. Schnell wird eine Herabsetzung als unlauter eingestuft – auch die berechtigte. Marktwirtschaft wird dann nicht so gerne als Konkurrenzwirtschaft gewünscht mit „Austeilen und Einstecken“. Der Vorteil: Ruhe. Der Nachteil: Eine Leistungssteigerung wird nur selten „erzwungen“. Ein jeder Marktteilnehmer muss sich selbst motivieren und steigern. Meinungskampf und Wettbewerbskampf sind Fremdwörter in diesem Spiel der Kräfte.
 
f) § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG
Unlauter handelt, wer im Rahmen des Vergleichs die Produkte seines Unternehmens als Nachahmung/Imitation des Produkts eines anderen darstellt. Beispiel: Mein Parfum P2 entspricht dem Parfum P1 des Marken-Unternehmens XYZ. Der Unternehmer des P2 erklärt ausdrücklich oder zumindest erkennbar, dass er das Produkt P1 imitiere.
Eine Imitations-Werbung liegt nicht vor, wenn der Adressatenkreis erst noch den Hinweis eines Dritten einholen müsste, um zu verstehen, dass P2 eine Imitation von P1 ist. Ebenso zumeist nicht, wenn der Unternehmer U2 sagt, P2 sei zu P1 gleichwertig. Gleichwertigkeit und Nachahmung sind verschiedene Dinge. Besonderes Branchenfeld hier: die Arzneimittelbranche, Lebensmittelbranche, Gesundheitsbranche.
Jedes Produktmerkmal kann abgekupfert werden. Deshalb wird nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Merkmalen des ausgenutzten Konkurrenzprodukts unterschieden.
Derjenige, der unlauter handelt, kann nur ein anderes Unternehmen sein. Vertreibt ein Unternehmen zwei ähnliche Produkte, scheidet die Bezugnahme auf das eigene Markenprodukt P1 bei der Bewerbung des eigenen Konkurrenzprodukts aus.
 
 
11. Unzumutbare Belästigung
§ 8 Absatz 1 Satz 1 UWG lautet: "Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden." Und § 7 Abs. 1 UWG: "Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht." Unlauter also handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 Abs.1 Satz 1 UWG). Die Vorschrift spricht von unzulässig statt von unlauter. Wegen § 8 UWG läuft die im Gegensatz zu den §§ 3 bis 6 UWG unterschiedliche Ausdrucksweise auf dasselbe hinaus.
 
Die Vorschrift – welche in den Jahren 2004, 2008, 2009, 2013, 2015 und zuletzt mit Wirkung ab 28.05.2022 geändert wurde – beruht zwar auf EU-Recht. Doch es gibt eine Abweichung. Nach EU-Recht ist eine geschäftliche Handlung i.S.e. Belästigung unlauter, wenn sie die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers beeinflusst. Nach dem deutschen § 7 UWG ist nicht nur diese Handlung unlauter, sondern darüber hinaus auch eine Handlung, welche in anderer Weise als belästigend empfunden wird. Beispiele solcher rein deutschen Handlungen ergeben sich mittels der von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen.
Zudem gibt es noch Handlungen, welche stets unzulässig sind, weil sie belästigend sind. Diese stehen teils in § 3 Abs. 3 UWG, teils in § 7 Abs. 2 UWG.
 
Die Definition der geschäftlichen Handlung steht in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Werbung ist eine solche; dies wird mit § 7 Abs. 1 S. 2 UWG klargestellt. In technischer Hinsicht sind beispielsweise das Absenden eines Telefaxes und das Aufschalten eines WiFi-Spots (BGH-Rechtsprechung) geschäftliche Handlungen. Die Handlung muss nur irgendwie mit den eigenen Produkten (Waren/Dienstleistungen) im unternehmerischen Zusammenhang stehen. Im Ergebnis muss die Handlung eine des Unternehmens sein (i.E. Art. 14 Abs. 1 GG).
 
Mit Belästigung ist gemeint: jede Handlung, die der Empfänger/Adressat als aufgedrängt empfindet. Dies kann nur der Fall sein, wenn er mit der Handlung konfrontiert wird, ohne zuvor seine Zustimmung hierfür erklärt zu haben – Konfrontationen/Empfang ohne den eigenen Willen oder gegen den eigenen Willen. Es ist somit die Art und Weise der Handlung zu beurteilen. Der Inhalt ist insoweit ohne Belang; Inhalte sind per se nicht aufdrängend. Wegen des Inhalts einer Äußerung/Werbung können die anderen Vorschriften des UWG anwendbar sein.
Die Belästigung drückt sich im praktischen Ergebnis dadurch aus, dass der Empfänger/Adressat der Handlung Zeit investieren muss für den Erhalt, das Lesen und das Entsorgen der z.B. Werbe-Telefaxe. Es können Kosten entstehen, die sonst nicht entstanden sind (Beispiel: Papierausdrucke von Telefaxen). Der Betriebsablauf eines Unternehmens kann gestört werden (Beispiel: unwillkommene Werbeanrufe müssen abgeblockt werden).
 
Der Begriff „Unzumutbarkeit“ bedeutet eine Grenzziehung zwischen dem, was noch zumutbar ist, und dem, was bereits unzumutbar ist. Es kommt auf eine Abwägung der Interessen der Marktteilnehmer an. Nach früherem Recht gab es in § 3 UWG a.F. eine Spürbarkeitsgrenze (Bagatellschwelle). Diese Hürde ist herüber gezogen worden in den § 7 UWG.
Der Adressat einer Werbung hat das Interesse, von bestimmten Handlungen verschont zu werden und zu bleiben (Ob des Empfangs von z.B. Werbung). Auch hat er das Interesse daran, in seinen Entscheidungen nicht unsachlich beeinflusst zu werden.
Kriterien der Beurteilung sind z.B.: 1. die Anstrengungen, die der Adressat unternehmen muss, um vor der Handlung (Belästigung) verschont zu werden, 2. die Kosten für den Empfang oder die Beseitigung der z.B. Telefaxe, 3. der Ort des Wahrnehmens der Handlung (zu Hause im privaten Bereich, am Arbeitsplatz im beruflichen Bereich, in der Öffentlichkeit mit oder ohne Zuschauer/Zuhörer), 4. die Häufigkeit/Anzahl der Handlungen, 5. die Art und Intensität der Kontaktaufnahme bzw. des Abwimmelns (Beispiele: Hausbesuch mit Leuten vor der Tür, Telefonanruf mit Direktwerbung, Briefpost, welche bloß gelesen und weggeworfen werden kann), 6. die Gefahr, dass andere Unternehmen dieselbe Art und Weise zeigen werden (Nachahmungseffekt), 7. …
Beurteilt werden muss, wie sich die gezeigte Handlung auf den durchschnittlichen Adressaten auswirkt. Individuelle Befindlichkeiten bleiben außer Betracht. Es wird „objektiver“ Maßstab angelegt. So die Theorie. In der Praxis entscheidet der Richter nach eigener Empfindlichkeit…?
Der Werbende/Handelnde dagegen hat das Interesse, effektiv, direkt, kostengünstig etc. zu werben. Dieses Werbeinteresse ist nicht grundsätzlich unzulässig/belästigend. Es stehen sich die Unternehmensfreiheit (Gewerbefreiheit) und häufig die Privatsphäre gegenüber.
 
Das wichtigste Kriterium ist die Tatsache/Frage, dass/ob der Adressat die Werbung/Handlung erkennbar nicht wünscht. Das Nicht-Wünschen (d.h. der entgegenstehende Wille) muss nach außen hin erkennbar sein. Der entgegenstehende Wille, sofern er denn zumutbar wahrgenommen werden kann, bewirkt immer die Unzulässigkeit der Handlung/Werbung. Einfaches Beispiel: Auf dem Briefkasten steht der Aufkleber „Bitte keine Werbung!“ Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Hinweis auf Homepages (zumutbar) erkennbar ist, ist eine entscheidende Frage. Ebenso die Frage, ob der Nicht-wollen-Hinweis in der sog. Robinson-Liste ein (zumutbar) erkennbarer ist.
 
Werbung allerdings fällt unter den Tatbestand des § 7 Abs.2 Nr. 1 bis Nr. 3 UWG. § 7 Abs.1 UWG bezieht sich Handlungen, welche nicht Werbung sind. Die Fallgruppen des/nach § 7 Abs. 1 S. 2 UWG sind:
 
a) Kundenakquise. Das gezielte Ansprechen einer einzelnen Person oder einer zumeist kleinen Gruppe von Personen in der Öffentlichkeit, insbesondere auf der Straße, z.B. in der Fußgängerzone, oder in einem Verkehrsmittel des ÖPNV, um die angesprochene Person/Gruppe als Kunden zu gewinnen. Der Grund für die etwaige Belästigung: Es entsteht eine psychische Situation des zwanghaften Entscheidens des möglichen Kunden (Überrumpelungseffekt). Allerdings beginnt die Unlauterkeit erst ab Erkennen des entgegenstehenden Willens, also erst ab dem Moment, in dem der Angesprochene ablehnt und der Handelnde den Ablehnenden gleichwohl erneut anspricht.
Allerdings: Der Handelnde muss seine geschäftliche Tätigkeit von Anfang an (im Moment des Ansprechens) so zeigen, dass diese auf Anhieb erkennbar ist. Beispiele: Uniform, Logo, Unternehmensflyer, Informations-/Werbestand. Der Anzusprechende/Angesprochene muss in die Lage versetzt werden, sofort und ebenfalls von Anfang an durch Ignorieren reagieren zu können. Hierfür ist es auch nötig, dass zwischen dem Handelnden und dem Angesprochenen genügend Platz/Raum vorhanden ist (Ausweichmöglichkeit). Diese Situation entspricht in etwa den nachfolgenden Fällen des grundsätzlich zulässigen Ansprechens: 1. Der Kellner in einem Zug. 2. Der Restaurantbetreiber, der in unmittelbarer Nähe zu seinem Restaurant Passanten auffordert, in sein Restaurant zu gehen (einzutreten/herein). 3. Jahrmarktgeschrei, 4. Verteilen von Werbezetteln/Handzetteln, 5. Werbezettel an der Windschutzschreibe oder Fahrertürseite eines Kfz.
Umstritten, ob vergleichbar: die unerbetenen Haustürbesuche von Unternehmensvertretern (so in der Fachliteratur); auch diese sagen „Guten Tag“ und können durch Schließen der Tür ignoriert werden (so die Rechtsprechung). In beiden Situationen hat der überrumpelte Kunde, sofern er ein Verbraucher ist (§§ 13, 14 BGB), ein Widerrufsrecht (§§ 312b, 312g, 312 Abs.1, 355 BGB). Der Belästigungsgrad ist höher als auf der Straße. Die Frage heißt: Ist der entgegenstehende Wille des Angesprochenen erkennbar? Bei Aufklebern mit dem Text „Bitte keine Werbung!“ jedenfalls ja. Ansonsten bei Privatpersonenhaushalten grundsätzlich ja (entgegenstehender Wille),anders aber wohl beim Direktverkauf der Landwirte („Kartoffeln – direkt vom Bauern!“). Bei Unternehmen ist der entgegenstehende Wille grundsätzlich nicht erkennbar. Ein Unternehmer kann sich wehren.
 
b) Kundenakquise am Unfallort. Stets unlauter/unzulässig, weil Unfallbeteiligte sich in psychischer Sonderlage befinden.
 
c) Kundenakquise durch Hausbesuch kurz nach einem Todesfall, etwa anlässlich einer Todesanzeige. Stets unlauter/unzulässig, weil sich Hinterbliebene in psychischer Sonderlage befinden. Je nach Gruppe der Geschäftstreibenden (Steinmetze, Bestatter etc.) ist eine Wartezeit von zwei Wochen oder vier Wochen oder auch mehr Wochen einzuhalten.
 
d) Kundenakquise durch vorherige Besuchsankündigung. Stets unlauter/unzulässig, weil bei Privatpersonen vom entgegenstehenden Willen auszugehen ist (umstritten; Rechtsprechung anders, sofern der schriftlichen Ankündigung eine Postkarte mit Ankreuzmöglichkeit beigelegt worden war).
 
e) Ping-Telefonanrufe. Wer andere Personen auf deren Mobilfunktelefon anruft, nur einmal klingeln lässt, um sich zurückrufen zu lassen, handelt entgegen den (erkennbaren) Willen des Angerufenen./
 
f) Internetseiten. Nicht schließbare Pop-Up-Fenster oder nicht schließbare Websites. Unlauter/unzulässig, weil bei Internetnutzern vom entgegenstehenden Willen auszugehen ist. Pop-Up-Fenster etc., die sich schließen lassen oder von selbst schließen, sind zulässig. Denn der Internetnutzer rechnet mit solchen Techniken.
 
„Eine unzumutbare Belästigung ist (so § 7 Abs. 2 UWG) stets anzunehmen
1. bei Werbung unter Verwendung eines in den Nummern 2 und 3 nicht aufgeführten, für den Fernabsatz geeigneten Mittels der kommerziellen Kommunikation, durch die ein Verbraucher hartnäckig angesprochen wird, obwohl er dies erkennbar nicht wünscht;
2. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung,
3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, oder
4. bei Werbung mit einer Nachricht,
a) bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder
b) bei der gegen § 6 Absatz 1 des Telemediengesetzes verstoßen wird oder in der der Empfänger aufgefordert wird, eine Website aufzurufen, die gegen diese Vorschrift verstößt, oder
c) bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.“
 
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG gilt noch bis zum 27.05.2022. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wird durch § 7 Abs. 3 UWG modifiziert. § 7 Abs. 3 UWG lautet: „Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn
1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.“
 
 
IV. Chronologie eines Abmahnvorgehens nach UWG
Der Unternehmer 1 schickt dem Unternehmer 2 ein wettbewerbsrechtliches Abmahnschreiben. Darin fordert er den Abgemahnten auf, erstens ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, zweitens sich dem Unternehmer 1 gegenüber zu verpflichten, das besagte unlautere Verhalten nie wieder zu begehen und drittens dem Unternehmer 1 die Kosten für das Abmahnen zu erstatten. Der Abgemahnte wiederum hat zwei Möglichkeiten: Entweder er akzeptiert die Abmahnung, verpflichtet sich wie gewünscht und zahlt wie gewünscht. Oder aber er verweigert die Abgabe einer Unterlassungserklärung, und beide treffen sich sodann vor dem Gericht (Landgericht), um zu klären, ob die Abmahnung berechtigt war oder nicht. Am Ende steht in diesem Fall dann ein Gerichtsurteil (mit der Antwort: lauter oder unlauter) statt einer außergerichtlichen Einigung.
 
Worum geht es rechtlich beim Abmahnverfahren?
Derjenige, der einen Konkurrenten wettbewerbsrechtlich abmahnt, begründet gegenüber dem anderen ein gesetzliches Schuldverhältnis. Das gesetzliche Schuldverhältnis besteht abstrakt bereits nach dem UWG. Der Abmahnende als Gläubiger und der Abgemahnte als Schuldner stehen sich zunächst als „gesetzliche Partner“, nach dem Akzeptieren der Abmahnung als Vertragspartner gegenüber. Das heißt: Die zwei Konkurrenten, welche zunächst nichts miteinander zu tun hatten, werden nun rechtlich miteinander verbandelt. Und dieses Schuld- bzw. Vertragsverhältnis hat rechtliche und finanzielle Konsequenzen.
Dieses Schuldverhältnis besteht auf der Ebene der Unternehmer zueinander. Man kann es als horizontales Verhältnis Unternehmer/Unternehmer bezeichnen. Handelt es sich bei dem Fehlverhalten des Abgemahnten um eine Handlung, welche auch mit einem Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnte, tritt dieses horizontale Verhältnis neben das vertikale Verhältnis Staat/Unternehmer. In Bezug auf die Gerichtsverfahren bedeutet dies: Es kann zwei Gerichtsverfahren geben. Gegen einen Bußgeldbescheid geht man vor dem Amtsgericht und Oberlandesgericht vor, in einigen Fällen der Behördenaufsicht auch vor dem Verwaltungsgericht. Gegen die wettbewerbsrechtliche Abmahnung hingegen zieht man vor das Landgericht (dort: die Kammer für Handelssachen) und das Oberlandesgericht.
 
Worum geht es wirtschaftlich beim Abmahnverfahren?
Gegenseitig abmahnen können sich grundsätzlich nur Unternehmer, welche Konkurrenten sind. Der eine beobachtet das Marktverhalten des anderen. Handelt dieser entgegen eine Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), so weist jener diesen darauf hin. Er mahnt ihn ab. Anschließend beendet der Abgemahnte sein unlauteres Verhalten, und die Sache hat sich erledigt. Nunmehr verhalten sich beide lauter, d.h. korrekt. So jedenfalls die Theorie.
 
Worum geht es politisch beim Abmahnverfahren?
Der Staat sieht zu, wie sich zwei konkurrierende Unternehmen gegenseitig beobachten und gegebenenfalls abmahnen. Er könnte in einigen Fällen das unlauter handelnde Unternehmen auch mit einem Bußgeldbescheid beglücken. Denn nicht selten verstößt der Abgemahnte gegen eine gesetzliche Vorschrift, welche auch als Ordnungswidrigkeitsvorschrift ausgestaltet ist. Dadurch aber, dass der Staat nicht seine Ordnungsbehörde beschäftigt, sondern das gegenseitige Beobachten den Marktteilnehmern überlässt, verursacht er Vorteile und Nachteile:
Die Vorteile: Der Staat verzichtet auf einen umfassenden Behördenapparat und erspart sich Kosten für Personal und Material. Zweitens regt sich der Abgemahnte nicht über den Staat auf, sondern über den Konkurrenten. Das nützt dem Staat psychologisch.
Die Nachteile: Das Abmahnwesen wird für den Abgemahnten finanziell teurer als wenn er von der Behörde ein Anhörungs- und später ein Bußgeldschreiben erhält. Zweitens fördert der „Abmahnwahn“ die einigen Menschen eigene Vorliebe zum gegenseitigen Denunzieren.
 
Die Abmahnung:
Mit dem Abmahnschreiben verlangt der Abmahnende vom Angemahnten die Abgabe einer strafbewehrten, unbedingten und unbefristeten Unterlassungserklärung. Strafbewehrt heißt: Für den Fall der Wiederholung soll der Abgemahnte dem Abmahnenden/Gläubiger Geld zahlen – die sog. Vertragsstrafe. Die Erklärung des Abmahnenden im Abmahnschreiben hat den Abschluss eines Unterlassungsvertrags zum Ziel.
Typischerweise legt der Abmahnende dem Abgemahnten einen Entwurf für dessen Unterlassungserklärung bei. Das Beifügen eines Entwurfs ist jedoch nicht erforderlich.
 
Zugang der Abmahnung:
Das Abmahnschreiben wird dem Abgemahnten per E-Mail, per Telefax und/oder per Briefpost zugesandt. Für den abgemahnten gilt der erste Zugang dieser drei Arten als der maßgebliche Zugang. Deshalb dürfte im Abmahnbereich der E-Mail-Verkehr zunehmen.
Der Abmahnende muss den Zugang beim Empfänger darlegen und ggf. beweisen. Gelingt es ihm, wie üblich das Datum und die weiteren näheren Umstände zu benennen, müsste der Abgemahnte darlegen und beweisen, dass er das Abmahnschreiben gleichwohl nicht erhalten hat. Dies ist ihm, sofern er die Abmahnung per E-Mail erhalten hat, kaum möglich.
 
Inhalt der Unterlassungserklärung:

Der Abgemahnte/Schuldner erklärt, eine bestimmte Handlung nicht zu wiederholen. Für den Fall der Wiederholung (erneuten Zuwiderhandlung) verspricht er dem Abmahnenden/Gläubiger (oder einem dritten) die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Höhe der Vertragsstrafe wird entweder exakt beziffert (EUR xy,-) oder mit der Formulierung des sog. Hamburger Brauchs umschrieben („angemessen“ u.a.).
 
Wer ist der Abgemahnte?
Abzumahnender ist der konkurrierende Mitbewerber, der die in Rede stehende geschäftliche Handlung begangen hat. Also zum einen die Firma (über § 8 Abs. 1 UWG), zum anderen der persönlich handelnde Exponierte, z.B. der Geschäftsführer dieser Firma (über § 8 Abs. 2 UWG). In den Taxiverkehr-Fällen, die vor dem LG Frankfurt a.M. und OLG Frankfurt a.M. ausgetragen werden, sind die Exponierten die Taxifahrer.
 
Die Annahmeerklärung:
Der Abgemahnte erklärt die Annahme des Begehrens auf Abschluss eines Vertrages mit der Unterlassungserklärung. Der Abgemahnte wird dadurch zum Schuldner aus dem nunmehr vertraglichen Schuldverhältnis. Bis zur Unterzeichnung des Vertrages, d.h. bis zur Annahme der Unterlassungserklärung des Schuldners/Abgemahnten durch den Gläubiger/Abmahnenden besteht das gesetzliche Schuldverhältnis aus UWG. Ab dem Abschluss des Vertrages besteht es aus Vertrag.
 
Kerngleiche Verstöße:
Die Abmahnung bzw. der Unterlassungsanspruch einerseits sowie die Unterlassungserklärung andererseits umfassen auch die sog. kerngleichen Handlungen. Das bedeutet: Nicht nur exakt dieselbe Handlung, sondern auch alle unbedeutend abweichenden Handlungen sind mit erfasst.
 
Wie lange dauert der Unterlassungsvertrag?
Wird per Unterlassungserklärung des Schuldners und Annahmeerklärung des Gläubigers ein Unterlassungsvertrag geschlossen, dauert dieser eine Ewigkeit, d.h. ein Leben des Schuldners lang. Gelegentlich wird behauptet, der Vertrag verpflichte nur dreißig Jahre lang. Doch das ist falsch. Es gibt die Verjährungszeit von 30 Jahren. Doch um diese geht es hier nicht. Und die Verjährungszeit/-frist wirkt sich nicht auf die Verträge selbst aus.
Wer sich einem anderen gegenüber verpflichtet, sollte also aufpassen, was er unterschreibt. Das Anfallen der versprochenen Vertragsstrafe kann schnell passieren. Insbesondere „haftet“ ein Arbeitgeber nicht selten für das Handeln seiner Arbeitnehmer. Das Nähere steht in § 8 Abs. 2 UWG.
 
Was prüft der Abmahnende, bevor er eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verschickt?
Er prüft den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der geschäftlichen Handlung des Abzumahnenden und die Identität des Handelnden/Abzumahnenden, etwa den Betreiber einer Website, auf welcher ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift wahrnehmbar ist. Weiterhin sichert er die festgestellten Tatsachen zwecks späterer Vorlage bei Gericht. Dazu zählt auch das Einholen von eidesstattlichen Versicherungen der später zu benennenden Zeugen. Die Dokumentation erfolgt sowohl für das laufende Abmahnverfahren als auch rein vorsorglich für das spätere Vertragsstrafenverfahren.
Selbstredend prüft der Abmahnende zuvor, ob das Verhalten des Konkurrenten überhaupt rechtswidrig war… Denn andernfalls macht er sich womöglich schadensersatzpflichtig:
 
Berechtigungsanfrage:

In einigen Fällen nimmt der Abmahnende einen bestimmten Sachverhalt wahr, weiß aber nicht sicher, ob er aus dem gesehenen Verhalten auf das Fehlen der Berechtigung zu diesem Verhalten schließen kann/darf. Es empfiehlt sich dann im Einzelfall, statt der Abmahnung zunächst eine Anfrage zu verschicken und nach dem Grund, nach der Rechtfertigung für das wahrgenommene Verhalten zu fragen. Andererseits aber kann es dann gerade wegen dieser Zeitverzögerung, welche mit der Berechtigungsanfrage verbunden ist, dazu führen, dass man im Falle des sich anschließenden Verfügungsverfahrens die Eilbedürftigkeit verneinen muss. Wer bummelt, habe es nicht eilig.
 
Schadensersatz wegen unberechtigter Abmahnung:
§ 945 ZPO begründet die Schadensersatzpflicht des Abmahnenden: „Erweist sich die Anordnung … einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt …, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.“
 
Was prüft der Abgemahnte, nachdem er eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhalten hat?
Er prüft, ob er bereits von einem anderen wegen desselben oder des gleichen Verstoßes abgemahnt worden ist. Und er prüft natürlich den behaupteten Sachverhalt und möglichst auch die Rechtslage. Der Abmahnende teilt im Abmahnschreiben in der Regel die gesetzlichen Vorschriften mit, auf welche die Abmahnung gestützt wird.
Der Abgemahnte muss sich entscheiden, ob er sich gegenüber dem Abmahnenden oder einem Dritten oder später vor dem Gericht gegenüber dem Staat verpflichten möchte. In einigen Fällen besteht vielleicht auch die Möglichkeit, mit dem Abmahnenden eine Vereinbarung über künftig gemeinsames Geschäftsbetreibens zu erzielen (Motto: Miteinander ist besser als gegeneinander.).
Hält der Abgemahnte die Abmahnung für unbegründet, kann schon jetzt dem künftig zuständigen Gericht seine Gegenargumentation vortragen. Dieser Schriftsatz wird Schutzschrift genannt. Die Alternative ist die Erhebung der sog. negativen Feststellungsklage. D.h., der Abgemahnte begehrt vor Gericht die Feststellung, dass die Abmahnung nicht berechtigt war.
 
Wer zahlt die Kosten für das Abmahnschreiben?
In den meisten Fällen verschickt ein Unternehmer (i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) das Abmahnschreiben (an seinen Konkurrenten). Er kann dann die Kosten der Abmahnung erstattet verlangen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG). Dazu zählen auch die Anwaltskosten für die Abmahnung.
In einigen Fällen mahnt ein Verein (i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) im Namen seiner Mitgliedsunternehmen ab (Fachverband) oder im Namen der Verbraucher (Wettbewerbsverein). Der Verein kann, weil er ja für das Abmahnen eine gewisse Ausstattung von Material und Personal vorhalten muss, durchschnittliche Abmahnfälle selbst bearbeiten. In diesen Fällen ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Gleichwohl verursachte Anwaltskosten braucht der Abgemahnte dem Abmahnenden nicht zu erstatten. Der Abmahnverein erhält, wenn er selbst schreibt, eine Abmahnpauschale. Diese liegt häufig bei um die EUR 200,-.
Ist die Abmahnung nur teilweise berechtigt, ändert sich dann, wenn ein Abmahnverein abmahnt nichts. Denn die Abmahnpauschale fällt unabhängig von den Einzelheiten an, eben pauschal. Sofern ein Unternehmer abmahnt, sind ihm die „berechtigten“ Kosten zu erstatten, d.h. bloß ein Teil.
  
Einstweilige Verfügung:
Verweigert der Schuldner die Abgabe der Unterlassungserklärung, kann der Gläubiger das Gericht (Landgericht) anrufen und eine entsprechende Klage erheben. Ein solches Gerichtsverfahren dauert Monate, wenn nicht sogar über ein Jahr.
Hält der Zustand der Rechtsverletzung noch an oder besteht – wie üblich – die sog. Wiederholungsgefahr, so kann der Gläubiger beim Landgericht auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen. Ein solches Verfahren dauert nur wenige Tage oder Wochen.
In diesem Eilverfahren werden gewöhnlich nicht alle behaupteten Tatsachen bewiesen. Sondern der Gläubiger muss und braucht die behaupteten Tatsachen bloß glaubhaft machen mittels eidesstattlicher Versicherung.
 
Beschluss:
Das Landgericht „verkündet“ die einstweilige Verfügung dann per Beschluss. Vorausgesetzt natürlich, der Unterlassungsanspruch ist überhaupt gegeben und die sonstigen Voraussetzungen des Verfahrens sind erfüllt.
Dieser Beschluss 8einstweilige Verfügung) gilt – einstweilig – solange, bis das Klageverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Mit der Rechtskraft des Urteils im Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) wird der Beschluss automatisch wirkungslos.
Weil das Hauptsacheverfahren zusätzliche Kosten verursacht und in den meisten Fällen nicht zu erwarten ist, dass das Gericht die selbst beschlossene einstweilige Verfügung wieder zurücknimmt im Wege des Urteils, verzichtet der Schuldner nicht selten auf den Gang zum Gericht zwecks Klärung der Rechtsfragen im (unnötigen) Hauptsacheverfahren. Er gibt dann eine Abschlusserklärung ab.
 
Abschlusserklärung:
Der Schuldner, der das Ergebnis der einstweiligen Verfügung als endgültiges akzeptieren möchte, gibt hierfür die sog. Abschlusserklärung ab. Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Gläubiger und Schuldner endet dann.
 
Abschlussschreiben:
Erklärt der Schuldner die Abschlusserklärung nicht rechtzeitig von sich aus, dann kann der Gläubiger ihn auffordern, eine solche Erklärung abzugeben. Dieses Aufforderungsschreiben wird als Abschlussschreiben bezeichnet.
Das Abschlussschreiben kostet weiteres Geld. Denn es fallen weitere Auslagen an. Wird ein Rechtsanwalt beauftragt, entstehen nicht selten zusätzliche Anwaltskosten in Höhe von etwa 60 Prozent der Kosten, welche bereits das Abmahnschreiben verursacht hat (0,8 statt bisher 1,3 Faktor Abrechnungsmodus nach RVG).
Der Schuldner kann sich das Geld gemeinhin ersparen.
 
Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung:
Der Schuldner wird also entweder seine Abschlusserklärung abgeben oder aber mit der einstweiligen Verfügung nicht einverstanden sein. Ist er mit der Gerichtsentscheidung nicht einverstanden, kann er gegen die Entscheidung Widerspruch einlegen. Auf den Widerspruch hin wird eine mündliche Verhandlung anberaumt und sodann per Urteil entschieden. Auch dieses Urteil wirkt nur vorläufig/einstweilen.
 
Zeugen vor dem Landgericht?
Eine Beweisaufnahme vor dem Landgericht im Eilverfahren kann durchgeführt werden. Allerdings wird kein Zeuge geladen. Sondern die jeweilige Prozesspartei (Verfahrensbeteiligte) muss ihre Zeugen schon selbst mitbringen. Denn die Tatsachen sind im Eilverfahren nur „glaubhaft“ zu machen. Und die Glaubhaftmachung durch eine Beweisaufnahme, die nicht sofort durchgeführt werden kann, ist unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO).
 
Abschlusserklärung II:
Spätestens dann, wenn der Schuldner auch dieses Mal vor Gericht unterliegt, muss er entscheiden, ob er das Ergebnis nun als endgültig akzeptiert (dann schreibt er seine Abschlusserklärung doch noch) oder ob er den Gläubiger verpflichten lässt, das Hauptsacheverfahren durchzuziehen. Dieses endet später mit dem Urteil erster Instanz (Urteil des LG), im Falle der Berufung mit dem Urteil zweiter Instanz (Urteil des OLG). Und bei Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung entscheidet vielleicht noch der BGH als dritte Instanz (Urteil des BGH).
 
Eilbedürftigkeit und Verjährung:
Der Gläubiger hat sechs Monate Zeit, um zu reagieren. Sobald er von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt oder Kenntnis hätte erlangen müssen, muss er, will er seine Rechte nicht verlieren, binnen sechs Monaten das Abmahnschreiben verschicken, unter Umständen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen sowie die Klage einreichen. Ein volles Arbeitspensum!
Stellt er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, sollte er dem Gericht darlegen, weshalb es für ihn nicht ausreicht, wenn nur eine Klage einreicht. Zwar muss er dies angesichts des § 12 Abs. 2 UWG nicht, weil die Dringlichkeit kraft Gesetzes vermutet wird. Doch ist es ratsam, zumindest das Datum der Kenntnisnahme vom Rechtsverstoß mitzuteilen und binnen sechs Wochen beim Gericht den Antrag zu stellen. Die Sechs-Wochen-Frist ist keine echte Frist oder gar Verjährungsfrist.
Vielmehr besteht die gesetzliche Vermutung pro Eilbedürftigkeit nach Auffassung der Rechtsprechung nicht mehr, sofern bereits rund sechs Wochen verstrichen sind, ohne dass der Gläubiger zum Gericht geilt ist.
Wer einen anderen also abmahnen möchte, sollte sich fortwährend beeilen. Die sechs Wochen gelten für das Eilverfahren und sind schnell rum. Die sechs Monate gelten für das Klageverfahren und auch recht schnell rum. Insbesondere kann es passieren, dass der Abgemahnte noch diese oder jene Erläuterung wünscht und zuwartet. Dann kann es passieren, dass die Zeit abläuft.
§ 12 Abs. 2 ZPO verweist auf § 935 ZPO. § 935 ZPO heißt: "Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte." Diese "Besorgnis" muss nicht glaubhaft gemacht werden.
 
Zahlungsklage Abmahnkosten:
Die Unterlassungserklärung bzw. die einstweilige Verfügung bzw. das auf Unterlassung gerichtete Urteil beziehen sich nicht auf die Kostentragung der vorgerichtlichen Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Erstattung der Abmahnkosten muss unter Umständen separat eingeklagt werden.
Sachlich zuständig ist das Gericht, welches für den Unterlassungsanspruch zuständig ist. Also das Landgericht, nicht das Amtsgericht.
Gerichtszuständigkeit sind unter anderem:
Niedersachsen im Nordwesten: Die Amtsgerichte Norden, Aurich, Wittmund und Leer bilden den Bezirk des Landgerichts Aurich. Die Amtsgerichte in Jever und Wilhelmshaven zählen zum Bezirk des Landgerichts Oldenburg. Von den ostfriesischen Inseln zählen alle Inseln vom Westen bis nach Spiekeroog zum Bezirk des LG Aurich. Wangerooge dagegen zählt zum Bezirk des AG Jever bzw. des LG Oldenburg. Denn die historische Grenze zwischen dem "eigentlichen" Ostfriesland (Bezirk LG Aurich) und dem "Oldenburgischen (AG Jever u.a.) verläuft zwischen den Gemeinden Wittmund und Jever. Unterschieden werden deshalb die ostfriesischen Inseln (ohne Wangerooge und Minsener Oog) und die Ostfriesischen Inseln (alle deutschen Inseln von West bis einschließlich Minsener Oog, -- strittig -- ausschließlich Mellum). Betonung gemäß Unterstreichung. Die Gerichtsbezirke der Landgerichte sind somit historisch bedingt. Tradition statt andere Argumente...

 

V. Links:
Urteile in Hessen (Link Search); Listen der Klageverbände (Link zur Infoseite hier).
Liste abmahnberechtigter Klageverbände nach § 8a UWG (Liste des Bundesjustizamts); Stand 02.04.2024.
Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG (Liste des Bundesjustizamts); Stand 22.04.2024.
 
 
 
Offenbach am Main, 11.07.2024
 
 
 
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