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Naturschutzrecht und Artenschutzrecht |
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Gesetze
Das Naturschutzrecht unterteilt sich in den Artenschutz, Habitatschutz und Landschaftsschutz. Gesetze sind:
- EG-Habitatrichtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) betreffend den Habitatschutz und den Artenschutz (ohne Vögel),
- EG-Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG,
- EU-Artenschutzverordnung Nr. 338/97 betreffend den Handel mit Tieren und Pflanzen,
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG),
- Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV)).
Die
EU-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) und die EG-Vogelschutzrichtlinie werden
insbesondere mit den §§ 37 bis 55 BNatScHG umgesetzt. Die
EU-Artenschutzverordnung Nr. 338/97 wird mit der BArtSchV umgesetzt.
Die EU-Habitatrichtlinie, die EG-Vogelschutzrichtlinie und die
EU-Artenschutzverordnung beruhen gedanklich auf internationalem Recht.
Auf internationaler Ebene gibt es
- die Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten von 1971,
- das
UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der
Weltgemeinschaft von 1972 (hier: rund 180 Weltnaturerbestätten,
darunter die Grube Messel in Messel bei Darmstadt und südwestlich von
Offenbach am Main),
- das Washingtoner Artenschutzabkommen zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten von 1973,
- die Berner Konvention zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten vor grenzüberschreitendem Handel von 1979 (1982),
- das Bonner Übereinkommen zum Schutz der wandernden Tierarten von 1979,
- die Biodiversitätskonvention zum Schutz der biologischen Vielfalt von 1992 (1993).
Hierzu näher unter „Fischereirecht".
In
Deutschland gibt es rund 48.000 heimische Tierarten und rund 9.500
heimische Pflanzenarten. Gefährdet im Sinne des BNatschG sind
vielleicht 16.000 Tierarten und 5.000 Pflanzenarten. Ursachen für
die Artengefährdung gibt es viele.
Der Artenschwund trifft insbesondere die Insekten. Ein Beispiel
aus der Weltgeschichte: Wespen gab es schon mehr als 100 Millionen
Jahren (Wespe aus der Kreidezeit in Bernstein entdeckt, F.A.Z. vom 05.05.2024). Im Jahre 2040 dürfte es in Deutschland fast keine
Fluginsekten wie Fliegen, Bienen und Wespen geben. Insekten sterben in
Deutschland langsam, aber sicher, aus. Wer will Insektenarten schützen?
Zum Thema Wolf: EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 -- C-601/22.
Zum Thema Gletscherwandel in insbesondere Österreich (Artikel GMX & Co. Juli 2024)
Zur Wiederbewässerung der Hochmoore: FAZ vom 29.10.2024 (Artikel).
Zur Bedeutung des besonderen Artenschutzes
Der Naturschutz wird in Deutschland in aller Regel „weggewogen";
denn wirtschaftliche Erträge und die Sicherung von
Arbeitsplätzen und Infrastruktur werden in aller Regel für
wichtiger erachtet (Beispiel: Bundesstraßenausbau, Verkehrsflughafenerweiterungen, Batteriefabriken). Das allgemeine Artenschutzrecht (betreffend alle
Tier- und Pflanzenarten) hat dann das Nachsehen. Es wird hingewogen, hergewogen, weggewogen.
Bei den besonders oder
gar streng geschützten Tier- und Pflanzenarten (besonderes
Artenschutzrecht) soll das
Wegwägen des Naturschutzes (Artenschutzes) nicht so leicht
gelingen. Die rechtlichen Anforderungen für das Beiseiteschieben
dieses Interesses der Allgemeinheit sind deshalb rechtlich
erhöht/hochgestuft worden
(z.B. §§ 44, 45, 45a BNatSchG). Nichtsdestotrotz freilich
darf der
Schein nicht trügen: Die Vorschriften über den besonderen
Artenschutz enthalten zahlreiche Ausnahmeregelungen. Greift eine
Ausnahme, so bleibt es beim Grundsatz des Weggewogenwerdens. Aber
immerhin; es gibt das besondere Artenschutzrecht!
Jetzt muss er nur noch durchgesetzt werden.
Der
Artenschutz steht neben dem Habitatschutz. Die Habitate sind
heutzutage in kleine Parzellen zerstückelt. Es
gibt Tierarten, die von einem Habitat zu nächsten wandern
oder fliegen
wollen/müssen, um dauerhaft zu überleben. Diesen
genügt der Habitatschutz alleine nicht. Die räumliche
Lücke wird mittels des besonderen Artenschutzes gefüllt.
Dieser greift hauptsächlich in den Gegenden zwischen
geschützten
Habitaten. Es bedarf allerdings noch des Bemühens, diese Belange
vor Gericht auch durchzusetzen.
Anerkannte Naturschutzvereinigungen
Das
Umweltbundesamt hat bisher ca. 140 Vereine als
Umweltschutzvereinigungen und/oder als Naturschutzvereinigungen im
Sinne des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (§ 3 UmwRG) anerkannt.
Für diese Vereine bedeutet dies, dass sie sich an
Behördenverfahren und an Gerichtsverfahren beteiligen können
(Antrags- und Klagebefugnis). Gleichwohl verzichten einige dieser
Vereine leider auf ihr Klagerecht.
Sie nutzen die Anerkennung mehr für ihr Image, d.h. für die
Akquise von Spendengeldern. Das Umweltbundesamt sollte die Anerkennung
dann aufheben... Denn mit juristischem Nichtstun kommt
man in Deutschland nicht weiter. Wo kein Kläger, da kein
Richter. Wo kein Richter, da keine Veränderung.
Gleiches gilt für Tierschutzvereine. Diese werden vom
Landesministerium für Tierschutz und XY (zumeist Umwelt oder
Landwirtschaft) anerkannt. Doch reine Aufklärungsarbeit führt
selten zum Ziel.
Natur
Der
naturwissenschaftliche Begriff „Natur" umfasst sowohl die
(abiotischen)
Standorte, welche
Lebensraum sein können (Lebensraum ohne die Lebewesen, z.B. Licht,
Temperatur, Wasser, Gesteine als abiotische Faktoren), als auch die biotischen
Faktoren
(Pflanzen, Tiere, Pilze, Bakterien, Viren,
Einzeller), welche an dem jeweiligen
Standort zusammen leben (Biozönose). Die Rechtssprache
übernimmt diesen naturwissenschaftlichen Begriff im Prinzip, aber
nicht immer eins zu eins.
Natur
ist der Oberbegriff,
der alle Lebensräume (mehr als nur einzelne Standorte) und
Biozönosen (zusammen die Ökosysteme) umfasst. Also auch den Lebensraum Stadt. Ob
und was genau geschützt ist oder werden soll, ist eine rechtliche Frage.
Konflikte
gibt es vor allem hinsichtlich der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Industrie und
der Jagd.
Zur
Landwirtschaft: Die Äcker haben häufig einen ausgetrockneten
Boden ohne Regenwürmer und Kleinstlebewesen. Die intensive
Landwirtschaft ist die Hauptursache Nr. 1 für den Rückgang
z.B. der heimischen Vogelarten in Deutschland (MDR.de vom 15.05.2023).
Zur Forstwirtschaft: Forste sind häufig Monokulturen ohne
Bodenbewuchs und ohne Unterschlupfmöglichkeiten für Tiere.
Zur Industrie: Industrieunternehmen leiten beispielsweise
Schadstoffe/Feststoffe in die großen Flüsse oder Abgase in
die Luft.
Zur Jagd: Die Jäger schießen sog. Raubtiere und auch Rehe,
Wildschweine etc. Füchse und Eichelhäher etwa werden in
Deutschland gejagt. In
Bayern sollen es jährlich mindestens 10.000 Eichelhäher sein.
Wozu wird geschossen? Ein Argument lautet: Mit der Dezimierung von
Füchsen u.a. sollen Vogelarten geschützt werden. Füchse,
Dachse, Marder, Eichhörnchen, Elster, Eichelhäher u.a.
fressen Eier und Jungtiere. Aber es geht auch anders: In der Nähe
von Frankfurt am Main, in der sog. Wetterau, gibt es das
„Naturschutzprojekt am Bingenheimer Ried" (Hessenschau vom
04.05.2023, Video). Dort wurde ein Elektrozaun gespannt. Seitdem kommen Füchse und
Dachse nicht mehr über den Zaun. Die Populationen
der heimischen Vogelarten werden größer. Auf die Jagd kann hier verzichtet werden.
Zur Fischwirtschaft: Die Kormorane und der Fischotter sollen
geschossen werden dürfen, um die Fischbestände zu schonen?
Der Mensch greift immer in die Natur und deren Abläufe ein. Er kann nicht anders. Wer die Weltgeschichte der Menschheit beschreiben möchte, wird erstens
feststellen,
dass es bei der Inanspruchnahme von Gebieten schon immer eine der
ersten Handlungen der Menschen war, Wälder zu roden (Waldrodung),
um dort a) Tiere besser jagen
zu können, b) Häuser zu bauen, c) Landwirtschaft zu betreiben
und d) Unternehmensgelände zu errichten. Die Landwirtschaft mit
ihren Weideflächen, die Forstwirtschaft mit ihren
Monokulturplantagen, der Straßen- und Verkehrswegebau mit
seinen Versiegelungen sind die drei größten
Naturflächenzerstörer. Weideflächen, Forstflächen
und
Asphaltflächen sind artenschutzrechtlich tote
Wüsten.
Zweitens
ist festzuhalten, dass der Mensch fast immer extrem viel auf
einmal zerstört und dabei nicht an Artenschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit denkt. An
Nachhaltigkeit denkt er häufig erst, sobald die
natürlichen Ressourcen sichtbar und deutlich zu Ende gehen.
Drittens
ist festzuhalten, dass die Zerstörung der Natur im
Gegenzug auch fast immer dazu führte, einen Wohlstand zu erreichen und
zu mehren, so dass die wachsende
Bevölkerung ernährt werden kann. Auf Wohlstand und Wachstum verzichten
möchte kaum jemand.
Viertens
steigt die Bevölkerungsanzahl noch immer weiter
an (bis vielleicht zum Jahre 2121) und verbraucht in Konsequenz dessen
mehr Nahrung, Kohlenstoffdioxid
etc. Heute leben acht Milliarden Menschen, bald werden es bis zu 13 Milliarden sein. Die Obergrenze hängt
vom Wohlstand ab. Je größer der Wohlstand, desto eher sinkt die Gesamtanzahl. Immer mehr
Menschen, immer mehr Nutztiere wie Rinder, Schafe und Ziegen steigern
den CO2-Anteil
in der Atmosphäre. Auch die vielen Smartphones und Computer führen zu
einem erhöhten Energieverbrauch und „Fußabdruck".
Fünftens
ist festzuhalten, dass
Naturschutzmaßnahmen fast immer auch dazu mit dem Ziel verfolgt wurden und werden, dem
Menschen zu helfen -- etwa dem Staat, um Holz für den Krieg zu
erhalten, oder den Bürgern, um diese vor Landerosion o.a. zu
schützen. Für eine Natur im „unberührten Sinne"
ist kein Platz. Selbst
dort, wo die Natur sich selbst überlassen wird, denkt der
Mensch an sich, nämlich an seinen Erholungsbedarf (Erholungswert
der Natur).
Das Sechste Artensterben ist nicht aufzuhalten. Es wird weitergehen. Vier Beispiele von Artenschwund: a)
Der Kabeljau (Dorsch) ist fast verschwunden (Ursache: Überfischung). Zitat aus Wikipedia (Seite „Kabeljau"): „Die Europäische Kommission hatte vom 23. Juli 2019
bis zum 31. Dezember 2019 ein Fangverbot für Dorsch in weiten Teilen der Ostsee
mit der Begründung beschlossen, dass der Dorschbestand in der östlichen Ostsee
dramatisch schrumpfe und ein „Zusammenbruch" drohe. Die International Union for Conservation of Nature
and Natural Resources (IUCN) stuft den Kabeljau in ihrer Roten Liste
gefährdeter Arten wegen Überfischung als gefährdet (vulnerable)
ein. Der Klimawandel wird zu einer starken Erwärmung
von Binnenmeeren führen. ... „Wir
gehen davon aus, dass er bei uns in 50 bis 80 Jahren ausgestorben sein
könnte."" b) Der Feldhamster ist fast verschwunden (Ursache:
intensive Landwirtschaft). c) Die Hälfte der Amphibienarten in
Deutschland steht vor dem unmittelbaren Aussterben (Ursache: Anstieg
der Temperaturen), d) Das Insektensterben
ist bald vorbei; denn bald gibt es in Deutschland ohnehin keine Insekten mehr. In den
letzten 50 Jahren sind in Deutschland mehr als 80 %
Insekten-Biomasse verschwunden (wegen der Pestizide, Herbizide,
Fungizide, Akarizide und anderer Chemikalien namens Pflanzenschutzmittel). Im Jahre 2040 dürfte
es kaum noch Insekten geben. Zum
Thema Artensterben in Deutschland: ZDF, Sendung „Artensterben in
Deutschland – Die Fakten mit Kai Kupferschmidt“ vom
23.08.2022 / 01.09.2022 (Video).
In Deutschland leben 33.000 Insektenarten.
Zum Vogelsterben in Deutschland: Aufsatz von Mitterer, "Hört ihr mich?", Die Zeit vom 12. Juni 2024 (auf zeit.de).
Damit
die Menschen nicht eines Tages wegen Dürre, klimatischen
Veränderungen und Wegfall der natürlichen Lebensgrundlagen
nach
Skandinavien, Russland oder Kanada oder andere kühlere Regionen
auswandern müssen, will die
Menschheit die natürlichen Lebensgrundlagen schützen (vgl. Art. 20a GG). Das Problem der Naturschützer besteht darin, dass sie häufig für ein Gegen-etwas-Sein stehen. Sie stören die Wirtschaft, das Wachstum und die Politik.
I. Umweltschutz, Naturschutz und Artenschutz
Das
Naturschutzrecht ist Teil des Umweltrechts. Das Umweltrecht ist der
rechtliche Oberbegriff und zugleich eine
Rechtsmaterie mit zahlreichen Teilgebieten. Naturschutz
und "Umweltschutz im Übrigen" unterscheiden sich tendenziell
im Blickwinkel: Mit dem Naturschutz soll die Natur vor dem
Handeln des Menschen geschützt
werden. Motto: Der Mensch zerstört die Natur, wenn er unbegrenzt
auf Wirtschaftswachstum setzt und sich als Wesen auf den Flächen ausbreitet (Versiegelung). Dem
Ausbreiten der Menschheit soll mithilfe des Naturschutzrechts begegnet werden durch Verbote.
Mit dem Umweltschutz "im
Übrigen" soll die Natur für
den Menschen eingesetzt und
genutzt, d.h. ein Interessenausgleich gefördert oder geschaffen
werden (z.B. Arbeitsplätze ja, aber keine Erlaubnis zu starker
Eingriffe wie zu hoher Grundwasserverbrauch). Motto: Mensch und Natur im ökologischen Gleichgewicht.
Der Naturschutz zielt vordergründig gegen die Handlungsmöglichkeiten der Menschen.
Er bewahrt vor "zu viel an negativer Veränderung". Der Umweltschutz zielt
kurzfristig für die
Handlungsmöglichkeiten der Menschen.
Mit Art.
20a GG hat sich der
Staat dazu verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen
(Ressourcen) zu schützen. Diese Verpflichtung des Staates
(Staatszielbestimmung) verpflichtet den Staat (Politik) zum Handeln in
einem gewissen Minimum und steht neben den Grundrechten der einzelnen
Menschen und Unternehmen. Staatsziel und Grundrechte
konkurrieren miteinander. Das Umweltschutzrecht
inklusive Naturschutzrecht
hat hierbei nicht per se Vorrang vor anderen Staatszielen oder
Grundrechten.
Was ist Natur?
Natur
im Rechtssinn ist die außerstädtische Umgebung status
quo in dem vom Menschen gefühlten/gedachten/definierten
Sollzustand. Streng
genommen ist die gesamte Erdoberfläche Natur. Denn der Mensch ist
eine Tierart
unter Milliarden von Tierarten. Die Städte und Dörfer sind Teil der Natur. Natur ist nicht nur dort, wo der Mensch
nicht
ist. Eine „unberührte“ Natur gibt es nicht mehr. Sogar die Antarktis ist mit Plastik
bestückt. Unberührt sind auch nicht die Wälder und die
Wiesen; es gibt dort die Forste
und die Agrarlandschaften. Unberührt sind
auch nicht die Wüsten und die
Gebirge; überall leben Menschen.
Natur
ist
eher der Bereich, der – gefühlt – von unserem Alltag
mit all seinen
gesellschaftlichen Regeln und Abläufen abzugrenzen ist, also
irgendwo
„draußen“, fernab von den Städten und
Dörfern ist. Für einige Menschen gehört der große
Stadtwald zur Natur. Dort kann er sich vom
Alltagsstress erholen. Natur ist für die meisten Menschen der Ort,
an dem sie im
Freien allein sein und sich erholen können, d.h. die gefühlte Unberührtheit.
Das Gesetz definiert den Begriff Natur nicht. Stattdessen wird der Begriff „Erholung“ definiert, und zwar als „natur-
und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben
einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in
der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und
der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden“ (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).
Was zur „Natur“ zählt, lässt sich indirekt aus § 1 Abs.1 BNatSchG
ablesen. Dort
stehen die Ziele des Naturschutzes: Ziel ist die dauerhafte Sicherung
von 1. der biologischen
Vielfalt, 2. der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts und 3. der
Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswerteigenschaft von
Natur und
Landschaft. Also die außerstädtische Umgebung status quo im
gefühlten/gedachten Sollzustand. Ein bestimmter Endzustand
ist nicht gemeint. Alles ist im Fluss, verändert sich.
Was ist Artenschutz?
Das Artenschutzrecht
als Teil des Naturschutzrechts schützt -- anders als das
Tierschutzrecht -- nicht das
einzelne Tier
(Individuum), sondern den Erhalt der Tierart als solche
(Individuen als Teil einer Gruppe/Population), und zwar wegen der
positiven
Auswirkungen auf die Menschheit. Der Mensch denkt an sich,
und deshalb dienen die Naturschutzgesetze allesamt ihm
selbst. Biodiversität nützt der Menschheit. Je mehr
Arten es gibt, desto gesicherter sind die natürlichen
Lebensgrundlagen. Damit es möglichst viele Arten gibt, müssen
Biotope (Ökosysteme) geschützt werden. Auf eine einzelne
Tierart kommt es nicht an.
Artenschutz-Beispiel 1: Wölfe töten gelegentlich Schafe oder andere Nutztiere/Weidetiere. Nach § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG
ist es verboten, „wild lebenden Tieren der besonders
geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder
zu töten…“ Wölfe sind eine hiernach
geschützte Tierart. Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG
darf die zuständige Naturschutzbehörde „im
Einzelfall“ eine Ausnahme von diesem Verbot i.S.d. § 44
zulassen „zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder
wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher
Schäden.“ Gefragt wird, ob ein Schaden in naher Zukunft
droht. Anhaltspunkt hierfür die Tierrisse, welche in jüngster
Vergangenheit festgestellt und möglichst einem einzelnen Wolf,
ggf. zumindest einem Wolfsrudel zugeordnet werden konnten. Die
Ausnahmegenehmigung (Zulassung der Tötung dieses identifizierten
Wolfes XY) ist jedoch nur statthaft, „wenn zumutbare Alternativen
nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen
einer Art nicht verschlechtert…“ (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG).
Gefragt wird, ob die betroffenen Nutztierhalter alles Erdenkliche an
Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune etc. ergriffen haben,
um ihre Weidetiere vor dem Wolfsangriff zu schützen. Hierzu sind
sie verpflichtet; § 2 Nr. 1 TierSchG. Sofern sie ihre Weidetiere
nicht geschützt haben, haben die betroffenen Landwirte Pech
gehabt und müssen
entsprechend nachrüsten oder aufrüsten. Nur diejenigen
Wölfe, welche die geforderten Schutzmaßnahme-Vorrichtungen
überwunden (z.B. untergraben) haben,
dürfen – unter Umständen – abgeschossen werden.
Die Ausnahmegenehmigung darf nur in seltenen Einzelfällen erteilt
werden. Denn Wölfe verschaffen dem Menschen auch Vorteile.
Siie fressen Wildtiere wie Rehe, Hirsche
und Wildschweine. Rehe fressen die jungen Triebe der Bäume. Zu
viele Rehe fressen so viel Triebe weg, so dass sich der Wald
nicht erneuern kann. Ohne Beutegreifer wie Wolf oder Jäger
könnte/würde der Wald in ein paar Jahrzehnten absterben, ohne
nachzuwachsen. Wölfe fressen zudem vornehmlich die kranken Tiere.
Dadurch wird verhindert, dass sich Infektionskrankheiten
ausbreiten, etwa die Afrikanische Schweinepest.
Artenschutz-Beispiel 2: Insekten
bestäuben rund 75 %
unserer landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Fungizide, Pestizide und
Herbizide töten Insekten. Ohne Insekten müssten Landwirte ihre
Nutzpflanzen selbst bestäuben. Deshalb stellen sich hier viele
Fragen, etwa: Dürfen oder sollten in Baden-Württemberg entlang der Rheinauen alljährlich Mückenlarven per
Pestizide etc. abgetötet werden, damit die örtlich
ansässige Bevölkerung weniger Mückenstiche abbekommt?
Weshalb
Naturschutz?
Der politische Wunsch, die Natur zu schützen,
kam erst auf, als das Bewusstsein entstand, dass der Mensch die Natur
„vernichten“ kann. Das war die Zeit ab der Industrialisierung mit seinen
Naturbeeinträchtigungen einschließlich der Industrialisierung in der
Landwirtschaft. Es gab die Zeit der Bildung mit der Eröffnung der ersten
Universitäten und dem Streben nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Wer
die Naturgesetze beobachten und verstehen möchte, muss raus in die Natur und die
Natur auch vorfinden können. Er braucht „unberührte“, vom Menschen nicht oder nur
wenig beeinflusste Natur. Der
„Verlust“ der Natur (wegen der Industrialisierung) trifft die Naturwissenschaftler.
Es geht auch um die Bewahrung
eines für die Erholung
der Menschen
geeigneten Naturzustands. Erholung gibt es in zweierlei Beziehung: die
ästhetische Erholung (optisch angenehm) und das Erleben der Natur
in der Natur (Wohlfühl-Gefühl). Es sollen nicht zu
viele Tier- und Pflanzenarten aussterben. Der Mensch will ja auch
Bewegliches (Tiere und Pflanzen) zum Betrachten haben. Wäre
er alleine unter Gräsern, fühlte er einsam.
Welche Natur
soll geschützt werden?
Naturschützer
wünschen sich die kleinteilige, abwechslungsreiche Landschaft
– ein Landschaftsbild, welches viele beispielsweise als
„Schweiz“, „fränkische Schweiz“,
„sächsische Schweiz“ usw. kennen: das Ideal im 19.
Jahrhundert. Es soll die
alte, halboffene Agrarlandschaft (Kulturlandschaft) mit vielen Hecken
und
kleinteiligen Feldern und kleinen Tümpeln bewahrt bzw. erzielt
werden
(vielfältige, abwechslungsreiche Landschaft). Bejaht man diese
Zielrichtung, so
sind die Landwirte, insbesondere die Agrarkonzerne die Gegner und
müssen „Naturschutzgebiete“
außerhalb der Agrarlandschaft eingerichtet und gesichert werden,
um diesen Sollzustand zu bewahren – dies bedeutet Naturschutz
contra industrielle Land- und auch Forstwirtschaft. Naturschutz
gegen statt
mit Landwirtschaft.
Das
Problem Nr.
1: Diese Art von isolierendem, abgrenzendem Naturschutz ist sehr teuer.
Denn die Landwirte und Forstwirte brauchen/wollen größere
Flächen, um zu
überleben. Motto: "Wachse oder weiche!"
Das
Problem Nr.
2: Diese Art von isolierendem, abgrenzendem Naturschutz
stößt auf Widerstand
und ist sehr schwierig umzusetzen. Die Naturschützer könnten
deshalb eher aussterben als die Naturschutzgebiete.
Jedenfalls aber sollte in Bezug auf
jeden Standort begründet werden (können), welche Art von Natur man aus welchem Grunde
bewahren/schützen möchte (Standort – Natur – Gründe). Der Begründungsaufwand
steigt,
insbesondere der politische und der juristische. Überzeugt werden
müssen
die „Gegner“ des Naturschutzes, etwa die
Vertreter der
industriellen Landwirtschaft (Nahrungsmittelerzeugungsflächen
– mehr und
intensive), die Vertreter der
Produktion „erneuerbarer“ Energiepflanzen wie Mais und
Getreide (Nahrungsmittel
für die Energieerzeugung), die Vertreter der
industriellen Forstwirtschaft (Holz als Rohstoff), die
Unternehmen, welche die Natur für ihre Gewerbeflächen
nutzen/ersetzen wollen (Beispiel: Batteriefabrik in
Brandenburg), die
Vertreter des Baus
von Infrastruktur (Straßen, Flughäfen, Stauseen,
Windkraftanlagen, …), also der Staat mit seinen
Behördenvertretern und die an einem Vergabeverfahren
teilnehmenden Unternehmen. Es ist sinnvoll, sich jeweils der
Vor- und Nachteile bewusst zu sein (Perspektivwechsel).
Welche Gebiete sind unter Schutz gestellt?
Es
sind meistens diejenigen Flächen, welche nicht wirtschaftlich
(landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich, gewerblich) genutzt werden
können. Beispiele sind: Felsen, Wasserfälle, Höhlen,
Grotte, Schluchten, Felsenmeere, Halden, Dünen und
Wattenmeerflächen. Der Mensch drückt sich vor einem strikten
Naturschutz. Im Vergleich zu den
Agrarflächen, Forstflächen und Gewerbeflächen
kann ie "unberühte" Natur, die kein Msensch gewerblich nutzen
will, relativ leicht geschützt werden. Es regt sich dann keiner
auf im Sinne von "Nicht vor meiner Haustür!".
Blöd ist es aber, dass Tier- und Pflanzenarten
Mindestpopulationen von mindestens 50 Tieren oder 500 Tieren
benötigen, um zu überleben, und zwar hinsichtlich jeder
einzelnen Lokalpopulation. Weil die Naturschutzflächen abgeschiedener Orte recht klein
sind, bedarf es zum Ausgleich der Vernetzung der Biotope. Diese gelingt
nicht überall.
Internationale
Rechtsgrundlagen für den Naturschutz sind insbesondere das
Biodiversitäts-Übereinkommen aus dem Jahre 1992, welches
in erster Linie die Gebiete (Biotope und Nationalparks) und die
Artenvielfalt, nicht so sehr einzelne Populationen oder Tier- und
Pflanzenarten schützt, sowie das Washingtoner
Artenschutzübereinkommen CITES aus dem Jahre 1973.
Welche Gebiete werden nicht unter Schutz gestellt, obwohl sie es zugunsten des Naturschutzes könnten?
Es
sind Flächen, die von Menschenhand kurzfristig geschaffen werden,
z.B. Baugrundstücke, Eisenbahntrassen und Tageabbaugebiete.
Überall dort, wo der Boden „platt“ gemacht wird,
würden sich, sofern der Mensch die Flächen fortan
unberührt lässt, umgehend viele Pflanzenarten ausbreiten,
deren Samen mittels Luftbewegung verbreitet werden. Danach könnten
sich zahlreiche Pflanzenarten und Insektenarten am selben Standort
einfinden (Biodiversität). Anschließend folgte die
Verbuschung, dann die Waldbildung. Doch all das ist unerwünscht,
obwohl es für die Tier- und Pflanzenarten gut wäre. Der
Mensch denkt bei der Auswahl der Gebiete eben immer noch an sich selbst.
Welche Gebiete sind, naturschutzbezogen, gefährdet?
Es
sind diejenigen Gebiete in ihrer Existenz bedroht, welche
wirtschaftlich weiter genutzt und ausgenutzt werden können. Das
Stichwort heißt Versiegelung (Land Grabbing). Wächst die
Bevölkerung (z.B. Weltbevölkerung), wünscht sie eine
intensivere Landwirtschaft (Lebensmittel), eine intensivere
Forstwirtschaft (Holzgewinnung) und neuerdings auch eine intensive
Erzeugung erneuerbarer Energieressourcen durch Biomasse (Maisfelder)
oder durch Photovoltaikanlagen. In Konsequenz werden weitere
Flächen der "Natur" (Wald, Agrar-, Wiesenflächen) in Nutzflächen umgewandelt.
Welcher Natur-Endzustand soll geschützt werden?
Die
Naturzustände vor Ort verändern sich. Es gibt nichts, was ewig bleibt. Der Naturschutz
dient nicht wirklich dem Schutz/Absichern eines Status quo. Es gibt keinen Endzustand. Die
Natur wird immer wieder zerstört -- durch die Naturkräfte
selbst oder durch den Menschen. Natürliche
Katastrophenursachen
sind Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis, Gasexplosionen u.a.
führen zur Totalzerstörung (Umwandlung) ganzer Landstriche.
Menschlich
verursachte Katastrophenursachen sind Atomreaktorkatastrophen
(Tschernobyl,
Fukushima), verursachte Waldbrände großen Ausmaßes,
Verwüstungen i.S.d.
Wüstenbildung durch Wasserableitung u.a. Allen Veränderungen
gemeinsam ist, dass das Leben
vor Ort größtenteils erlöschen wird oder könnte.
Das Naturschutzrecht soll dazu dienen, dass die menschlich
bedingten
Katastrophen vermieden werden. Gegen Vulkanausbrüche kann niemand
etwas unternehmen. Vor
menschengemachten Zerstörungen könnte das Naturschutzrecht
ein Mittel zur Verhinderung sein, ein Hebel für die
Unterlassung der weiteren Verursachungshandlungen.
II. Artenschutz
Das
Artenschutzrecht wird insbesondere in den §§ 44 ff. BNatSchG geregelt.
Danach ist es grundsätzlich verboten, geschützte Tier- und
Pflanzenarten aus der Natur zu entnehmen oder, z.B. durch
Windkraftanlagen, zu töten oder zu verletzen. Kinder dürfen keine
Mäuse, Frösche oder Molche mit nach Hause nehmen. Erwachsene dürfen
keine geschützten Blumen pflücken.
Welche Pflanzen- und Tierarten werden unter Schutz gestellt?
Es
sind oftmals die Sympathieträger, also insbesondere Vögel,
Schmetterlinge, Feuersalamander, Igel, Biber, Eisbären, der große
Panda, Elefanten, Löwen, Tiger, Giraffen und Affen bzw. Orchideen und,
und, und… Viele Insekten sind es nicht, etwa viele Spinnen oder
Heuschrecken oder Kleinstinsekten. Auch Mäuse und Ratten und Schlangen
stehen nicht unbedingt in den Roten Listen.
Wozu taugen die Roten Listen?
Die
Roten Listen enthalten die bedrohten oder vom Aussterben bedrohten
Tier- und Pflanzenarten. Es gibt sie, Lebensräume objektiv beurteilen
zu können. Am besten geeignet sind die Roten Listen, die sich auf die
Weltpopulationen beziehen. Die regionalen (hier bundesweiten oder
landesweiten) taugen nicht immer etwas. Denn liegt das
Hauptverbreitungsgebiet einer Art außerhalb Deutschlands, ist die Art
dann in Deutschland selten, nicht aber zwingend auch im
Hauptverbreitungsgebiet oder weltweit. Umgekehrt verhält es sich
ebenso, und zwar beim Rotmilan, welcher nicht selten durch
Windkraftanlagen getötet wird. In Deutschland kommt er sehr häufig vor.
Allerdings gibt es ihn auch fast nur in Deutschland und in einigen der
unmittelbar angrenzenden Staaten.
Die Seltenheit einer Art wiederum
taugt auch nicht immer als Argument für die Schutzwürdigkeit des zu
beurteilenden Lebensraumes. Denn Arten, die große Reviere bilden, sind
vor Ort immer selten. Es gibt bei bestimmten Tierarten eine natürliche
Bevölkerungsdichte kraft Revierverhalten. Beispiele: große Greifvögel,
im kleinen Maßstab auch Wölfe.
Welche Pflanzen- und Tierarten werden nicht unter Schutz gestellt, obwohl sie es könnten?
Nicht
erwünscht sind Neophyten und Neozoen (d.h. nicht einheimische
Pflanzen
und nicht einheimische Tiere). Diese werden als „invasive“
Arten diskriminiert. Denn sie würden
die heimischen Pflanzen- und Tierarten verdrängen, evtl. gar Arten
und
Menschen schädigen (Beispiel die Beifuß-Ambrosie, welche
für Allergiker
ein Problem darstellt). Das Problem dieser Sichtweise aber besteht
darin, dass alle
Eindringlinge pauschal abgelehnt werden. Besser wäre es, zu
differenzieren. Es gibt auch Neophyten, über die sich die Insekten
freuen.
Und es gibt Neozoen, über die sich der Mensch oder auch das eine
oder andere Beutegreifer-Tier freuen würden. Beispiel: der Kleine
Alexandersittich. Weshalb sollte er nicht als neuer europäischer
Papagei willkommen geheißen werden? Die pauschale Ablehnung
entspringt ein
Stück weit der Angst vor allem Neuen, obwohl die Natur nie
statisch ist
und obwohl zudem der natürliche Klimawandel ein unabwendbar
fortschreitender
Vorgang ist und deshalb im Naturschutzrecht der Wandel als
selbstverständlicher Bestandteil des Naturgeschehens eingepreist
sein sollte/müsste.
Braunbär "Bruno":
Wolf,
Luchs und Braunbär… Wie gehen wir mit ihnen um? Die
Menschen in Afrika sollen die Elefanten schützen, alle Menschen den
Eisbären, aber wir in Deutschland schießen den
Braunbären „Bruno“ ab!? Zur Historie des Bruno (JJ1) auf Wikipedia Bruno. Zur Entscheidung im Fall "Bruno" im Jahre 2006: Beitrag auf Deutschlandfunk vom 24.06.2016 (DF). Eisbär
ja, Braunbär nein? Tiger in Indien ja, Luchs in Deutschland nein? Dasselbe Maß oder zweierlei Maß?
Wie viele Tiere und Pflanzen soll es jeweils geben?
Jedenfalls
nicht eine unbegrenzte Anzahl an Exemplaren je Tierart. Denn würde
sich jede einzelne Art unbegrenzt vermehren können, wäre die
Erdoberfläche durch jede einzelne von ihnen binnen kurzer Zeit
übervölkert. Die Welt kann nur durch Versterben so
aufrechterhalten werden, wie wir sie heute kennen. Die Populationen
müssen also ab einer gewissen Anzahl
von Exemplaren begrenzt werden. In Botswana soll es rund
80.000 Elefanten zu viel geben. Die dortigen Elefanten vermehren sich
zu sehr und zertrampeln die Natur. Elefanten zerstören die Natur!
Um den optimalen Naturzustand im Sinne eines Gleichgewichts zu
erhalten, müssten die Elefanten wohl
geschossen oder (theoretisch) umgesiedelt werden. Es gibt eine gewisse
Obergrenze jeder Art je Territorium. Das Prinzip
der Evolution "fressen und gefressen werden" ergibt einen Sinn. Greift
der Mensch einseitig ein, wirkt sich das auf andere Arten aus.
III. Schutzgebiete und Schutzobjekte
Die drei wichtigsten Schutzinstrumente des Naturschutzes sind der Gebietsschutz (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 BNatSchG),
der Objektschutz (§ 20 Abs. 2 Nr. 6, Nr. 7 BNatSchG) und der
Artenschutz (§§ 44 ff. BNatSchG). Hinzu kommt beispielsweise
der gesetzliche Biotopschutz (§ 30 BNatSchG).
Wie läuft das Verfahren ab?
Zunächst wird das betroffene Gebiet bzw. das betroffene Objekt als Schutzobjekt erklärt. § 22 Abs. 1 S. 1, S. 2 BNatSchG bestimmt: "Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung. Die Erklärung
bestimmt den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des
Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich,
die Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen oder
enthält die erforderlichen Ermächtigungen hierzu." Zweitens
bedarf es noch der sog. rechtsverbindlichen Festsetzung
(vgl. § 23 Abs. 1 vor Nr. 1 BNatSchG). Die rechtsverbindliche
Festsetzung geschieht in aller Regel in Form einer Rechtsverordnung
(Gebietsverordnung). In Einzelfällen sind es stattdessen eine
Satzung, ein Landesgesetz (z.B. bei einem Nationalpark) oder ein
Verwaltungsakt (Einzel- oder Allgemeinverfügung). Anwendbar ist
diesbezüglich grundsätzlich das Landesrecht (§ 22 Abs. 2
BNatSchG).
Nach
dem Landesrecht (LNatSchG des Landes XY) müssen die Betroffenen
(insbesondere Grundstückseigentümer und zuständige
Fachbehörden sowie einschlägige Naturschutzvereinigungen)
zuvor angehört und beteiligt werden. Das Beteiligungsverfahren
wird öffentlich bekanntgemacht (Landesrecht). In den
Bekanntmachungsunterlagen muss der räumliche Geltungsbereich
bestimmbar sein. Es muss deutlich werden, welche Grundstücke
einbezogen werden, d.h. wo die räumliche Grenze liegt.
Hierfür reicht in der Regel eine Landkarte aus. Die
Naturschutzvereinigungen sind wegen § 63 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG zu
beteiligen, sofern sie nicht wegen Geringfügigkeit der
Auswirkungen des Schutzvorhabens von der Beteiligung ausgeschlossen
sind (§ 63 Abs. 4 BNatSchG). Unbeachtlichkeit tritt
beispielsweise ein, wenn eine Naturschutzvereinigung sich nicht
innerhalb eines Jahres von selbst als interessierte Vereinigung
gemeldet hat (ggf. Landesrecht).
Schließlich
ist die Rechtsverordnung o.ä. ordnungsgemäß
auszufertigen (Unterschriften) und im Amtsblatt zu veröffentlichen
(Verordnung oder Satzung).
Welches sind die inhaltlichen Voraussetzungen für die Gebietsschutz- oder Objektschutz-Festsetzung?
Die
zwei inhaltlichen Voraussetzungen eines Gebietes sind dessen
Schutzwürdigkeit und dessen Schutzbedürftigkeit.
Bezüglich beider entscheiden die zuständigen Behörden
selbst (Ermessen bzgl. Ob und Wie). Lediglich bei den
EU-Vogelschutzgebieten besteht ein gewisser Zwang der Behörde zur
Festsetzung nach § 32 Abs. 2, Abs. 4 BNatSchG.
Die Schutzwürdigkeit
eines Gebiets richtet sich nach den §§ 23 bis 30 BNatSchG.
Das Gebiet (bzw. Objekt) muss die gesetzlichen Merkmale aufweisen,
welche es nach den Vorschriften haben muss: nach § 23 BNatSchG
für Naturschutzgebiete, § 24 BNatSchG für Nationalparke
und nationale Naturmonumente, nach § 25 BNatSchG für
Biosphärenreservate, nach § 26 BNatSchG für
Landschaftsschutzgebiete, nach § 27 BNatSchG für Naturparke,
nach § 28 BNatSchG für Naturdenkmäler und nach § 29
BNatSchG für Landschaftsbestandteile. Konkret: Ein
Naturschutzgebiet nach § 23 darf ausgewiesen werden, wenn das
Gebiet "erforderlich ist zur Erhaltung, Entwicklung oder
Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder
Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten" (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG).
Sollte
die Behörde eine Fläche schützen, welche innerhalb des
ausgewiesenen Schutzgebiets liegt, jedoch für sich genommen nicht
schutzwürdig ist, so schadet dies insgesamt nicht. Die
Unterschutzstellung des "falschen" Teils ist dann unwirksam. Unwirksam
jedoch ist nicht die gesamte Schutzgebietsausweisung (Rechtsverordnung).
Die Schutzbedürftigkeit eines Gebiets besteht, wenn die in dem Gebiet lebenden Tier- und Pflanzenarten gefährdet
bzw. die dortigen Landschaften gefährdet oder beschädigt
sind. Es muss die plausible Möglichkeit bestehen, dass sich die
Gefährdung für bestimmte Arten oder die Landschaft auch
verwirklicht. Das Gebiet (Standort/Biotop) ist im Einzelfall zwar
schutzwürdig, doch dann, wenn dort keine gefährdeten Arten
leben (Leben/Biozönose), nicht schutzbedürftig. Ergo: Es gibt
nur Schutzgebiete, sofern es dort auch schützenswerte Arten/Orte
gibt. Andererseits ist es auch möglich, dass die bei der
Ausweisung als Schutzgebiet bestehende Schutzbedürftigkeit
später dauerhaft wegfällt. Dann kann der Schutzstatus
nachträglich entfallen und kann die Schutzverordnung
nachträglich unwirksam werden.
In
der Rechtsprechung werden beide Voraussetzungen/Gesichtspunkte nicht
selten vermengt. Es wird dann lapidar gefragt/geprüft, ob das
Gebiet "vernünftigerweise" unter Schutz gestellt werden
kann/sollte.
Für
den Objektschutz gilt das zuvor Geschriebene entsprechend:
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Objekts.
Welche Objekte können geschützt werden?
Objekte
können beispielsweise sein: geologische Objekte wie 1. Höhlen
(weil Winterquartiere für Fledermäuse) oder
Trockentäler, wie 2. die Buckelwiesen in den Alpen oder die Maare
in der Eifel, wie 3. Felsen (weil Brutstandorte für Uhu,
Wanderfalke, Steinadler oder Kolkrabe) oder Wasserfälle (weil
Standort für Moose oder das Hirschzungenfarn), wie 4.
Mäanderbögen oder auch am Wassergrund befindliche
Quellaustritte. Zudem können Naturformationen als
Naturdenkmäler geschützt werden, einfach sie schön sind
(vgl. die Nationalparks in den U.S.A.). Es handelt sich häufig um geologische Schönheiten statt um biologische
Standorte eines Artenreichtums.
Welche Schutzkategorie?
Ein
bestimmtes Gebiet kann mehreren Schutzkategorien unterfallen. Die
verschiedenen Schutzkategorien (Typen) sind nicht strikt voneinander
abzugrenzen. Im Minimum muss die Behörde eine Kategorie
auswählen, jedoch eine, welche auch auf die tatsächlichen
Gegebenheiten passt. Ein unbedeutendes Grundstück darf nicht zum
Nationalpark erklärt werden, und umgekehrt ein für einen
Nationalpark ernsthaft in Betracht kommendes Gebiet nicht bloß
als Biosphärenreservat.
Welche räumlichen Grenzen soll das Gebiet haben?
Das
BNatSchG zieht keine bestimmten Grenzen. Im Idealfall wird die Grenze
entlang von a) Straßen oder Flüssen oder anderen
geologischen oder menschlichen Grenzen oder von b) politischen
Gemeinde- oder Landkreisgrenzen gezogen. Die Grenzziehung muss leicht
überprüfbar sein. Die Grenzen müssen sodann vor Ort
gekennzeichnet werden (§ 22 Abs. 4 BNatSchG) -- so, wie Wanderwege u.a.
Was kann man tun, wenn die Behörden ein geeignetes Gebiet nicht zum Schutzgebiet erklären?
Einschlägige
Naturschutzvereinigungen können ihre Rechte aus § 63 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder Abs. 4 BNatSchG geltend machen und versuchen,
die Behörde zu verpflichten, das in Rede stehende Gebiet
einstweilig sicherzustellen. § 22 Abs. 3 BNatSchG
lautet: "Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz beabsichtigt ist,
können für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren einstweilig
sichergestellt werden, wenn zu befürchten ist, dass durch
Veränderungen oder Störungen der beabsichtigte Schutzzweck
gefährdet wird. Die einstweilige Sicherstellung kann unter den
Voraussetzungen des Satzes 1 einmalig bis zu weiteren zwei Jahren
verlängert werden." Diese Verpflichtung/Berechtigung ist an die
Behörde adressiert.
Was ist ein Naturschutzgebiet?
Ein Naturschutzgebiet ist ein -- in der Praxis recht überschaubares -- Gebiet, in welchem ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen besteht (§ 23 Abs. 1 BNatSchG). Es ist sozusagen der gehobene Standard-Schutzzustand. Das Naturschutzgebiet ist aus dem Blickwinkel der Region oder des Bundeslandes schützenswert.
Zahlreiche Maßnahmen sind verboten (§ 23 Abs. 2 S. 1 BNatSchG). Damit besteht ein absolutes Veränderungsverbot. Der Naturschutz hat grundsätzlich Vorrang vor der wirtschaftlichen Nutzung der Gebiete.
Geschützt wird eine recht große Fläche,
nicht ein einzelnes Grundstück. Die Fläche muss in der Praxis
größer sein als diejenige für Naturdenkmäler
("Flächen bis zu fünf Hektar"; § 28 BNatSchG), also
mindestens fünf Hektar. Die Abgrenzung gestaltet sich im
Einzelfall schwierig. In der Praxis beträgt die
Flächengröße in Deutschland häufig zwischen zehn
und hundert Hektar.
Inhaltlich wird nicht eine "unberührte" Natur geschützt. Denn
der Mensch hat bereits alle Teile Deutschlands gestaltet und/oder
beeinflusst. Das Territorium muss nur irgendwie naturnah sein. Dies
können auch landwirtschaftlich genutzte Flächen sein,
zumindest anteilig. Beispiel: Flächen innerhalb der
Lüneburger Heide (als eine reine Kulturlandschaft).
Schutzzwecke eines Naturschutzgebiets können drei sein: 1. die
Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten,
Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und
Pflanzenarten (Biozönosen), 2. wissenschaftliche,
naturgeschichtliche oder landeskundliche Gründe, 3. Schutz
der Seltenheit, der besonderen Eigenart oder der hervorragenden
Schönheit des Gebiets. Es muss sich also nicht einmal um ein
Territorium für Pflanzen oder Tiere handeln. Theoretisch
könnten auch reine Wüsten oder Gletschergebiete ohne Pflanzen
und Tiere geschützt werden (Nummer 3), sofern sie es in
Deutschland gäbe. Biotope (mit ihren Biozönosen) können Teile von Naturschutzgebieten sein.
Ein eingeschränktes Betretungsrecht gibt
es im Rahmen des § 23 Abs. 2 S. 2 BNatSchG, d.h. gemäß
der für
dieses eine Gebiet erlassenen Naturschutzgebietsverordnung (dieses ist
in der Praxis teils übertrieben -- im Vergleich zu anderen
Betretungsrechten (Personen) und Veränderungen (Projekte)). Das
Recht auf Betreten ist also gegenüber dem Interesse der
Allgemeinheit am Naturschutz dort nachrangig! In der Verordnung
zugelassen werden müssten auch die Landwirtschaft und die
Forstwirtschaft oder der Bau von Straßen oder baulichen Anlagen.
Andernfalls wären all diese dort verboten. Ausnahmen stehen
entweder in der Schutzverordnung oder im Landesnaturschutzgesetz. Dort
ggf. nachlesen...! Es stehen im Landesnaturschutzgesetz auch die
Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten...
Was ist ein Nationalpark?
Ein
Nationalpark ist ein Naturschutzgebiet besonderer Art. Das Gebiet muss
großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer
Eigenart sein (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG).
In der Praxis ist jeder Nationalpark mehrere Quadratkilometer
groß. Innerhalb des Nationalparks gibt es (gedanklich)
Naturschutzgebiete i.S.d. § 23 BNatSchG und darf es auch
Dörfer geben (i.E. § 24 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG: Naturschutz
"in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets").
In Deutschland gibt es 16 Nationalparks, davon einen an der Nordsee und einen an der Ostsee (Wikipedia Nationalparks).
Die terrestrische Fläche beträgt nur 0,6 % der terrestrischen
Staatsfläche. Dies ist -- international betrachtet -- deutlich zu
wenig; Schulnote sechs.
Wegen
der Großflächigkeit besteht selbstredend das
Betretungsrecht. Es "sollen Nationalparke auch der wissenschaftlichen
Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis
der Bevölkerung dienen." (§ 24 Abs. 2 S. 2 BNatSchG). Dies
gilt freilich nicht für die Kernzonen des Nationalparks. Ziel ist
es, "einen möglichst ungestörten Ablauf der
Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik" zu
gewährleisten (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Die Allgemeinheit
also hat ein Betretungsrecht. Die wirtschaftliche Betätigung
hingegen ist nach der jeweiligen Nationalpark-Rechtsverordnung
typischerweise ausgeschlossen oder weitgehend ausgeschlossen. Der
Naturschutz hat Vorrang. Klingt gut, und genau deshalb beträgt die
Gesamtfläche auf der Erdoberfläche in Deutschland nur 0,6 %...
Was ist ein nationales Naturmonument?
Ein Naturmonument (§ 24 Abs. 4 S. 1 BNatSchG)
ist wie der Nationalpark (§ 24 Abs. 1 bis Abs. 3) ein Naturschutzgebiet
besonderer Art, mit anderen Worten ein Mini-Nationalpark.
Das Monument ist in der Praxis flächenmäßig
größer als fünf Hektar (sonst
Naturdenkmal) und kleiner als großflächig (sonst
Nationalpark). Ansonsten gilt das Recht wie bei den Naturschutzgebieten
(§ 24 Abs. 4 S. 2 BNatSchG).
Inhaltlich muss es von "herausragender Bedeutung" (Abs. 4 S. 2) sein
(andernfalls wäre es bloß ein einfaches Naturschutzgebiet).
Die herausragende Bedeutung ist aus dem Blickwinkel der Nation,
nicht bloß aus dem Blickwinkel der Region aus zu verstehen.
Es darf auch eine Bedeutung aus dem Bereich des "Kulturhistorischen"
sein, also ein natürliches Aushängeschild der Nation im Sinne
von Staat, Gefühl, Nation. Beispiele sind: die Ivenacker Eichen in Mecklenburg-Vorpommern, die Bruchhauser Steine in Nordrhein-Westfalen (Rothaargebirge), das Grüne Band Deutschland in Thüringen, die Klutert-Höhle in Nordrhein-Westfalen, das Grüne Band Deutschland in Sachsen-Anhalt, die Weltenburger Enge in Bayern am Donaudurchbruch bei Weltenburg. Nicht: die Loreley. Diese gibt naturschutzfachlich nichts her.
Es gilt ein absolutes Veränderungsverbot. Das Betretungsrecht ist eingeschränkt.
Was ist ein Naturdenkmal?
Ein
Naturdenkmal ist eine Einzelschöpfung der Natur wie ein einzelner
Baum im Alter von über 250 Jahren. Die Fläche darf bis zu fünf Hektar
betragen (Obergrenze § 28 BNatSchG).
Die Objekte bzw. Flächen sind klein, aber nicht unbedeutend.
Für sie gilt der Naturschutz mit Vorrang vor der Wirtschaft. Und
dies, obwohl ein einzelner Baum oder eine einzelne Hecke nicht
unbedingt eine Vielfalt der Pflanzen oder Tiere beherbergen kann.
Trotzdem: Der Naturschutz gilt.
Zwischenergebnis:
Naturschutzgebiet, Nationalpark, nationales Naturmonument und
Naturdenkmal sind wahre Naturschutz-Vorranggebiete. Der Mensch hat
zurückzutreten.
Was ist ein Naturpark?
Ein Naturpark ist ein großflächiges Gebiet, das mindestens
ein Naturschutzgebiet (s.o.) und ein Landschaftsschutzgebiet (s.u.)
enthält (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und sich für die Erholung besonders eignet und in dem ein nachhaltiger Tourismus angestrebt wird (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG; Wikipedia Naturpark). Die Flächengröße liegt bei mehreren hundert Quadratkilometern (Wikipedia Liste).
Der Naturschutz im Sinne des Artenschutzes spielt eine sehr geringe bis
gar keine Rolle. Es geht mehr oder ausschließlich um Erholung und
Tourismus, also Spaß und Wirtschaft (Freizeit-Wirtschafts-Park). Ein Marketing-Instrument.
Ein Beispiel: Der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord umfasst den Nationalpark Schwarzwald vollständig. Auf der Website des Naturparks steht der Text:
"„NATURPARK UND NATIONALPARK: Eine Besonderheit ist auch die
Lage: Er liegt vollständig innerhalb der Gebietskulisse des
Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord. Beide Partner arbeiten nicht nur eng
zusammen, sie setzen bei ihrer Arbeit auch ganz unterschiedliche
Schwerpunkte.“ Na klar: Wirtschaft/Tourismus (mit den Menschen)
einerseits und Naturschutz (ohne den Menschen) andererseits… Man
kann auch sagen: Umweltschutz statt Naturschutz. Treffender wäre
die Bezeichnung Landschaftspark. Das Wort "Natur" suggeriert
Naturschutz. Dem ist nicht (sondern nur marginal) so. Es gibt
für den Naturpark kein Veränderungsverbot!
Freilich sind für das in ihnen enthaltene Naturschutzgebiet und
Landschaftsschutzgebiet die diesbezüglich geltenden Verbote zu
beachten. Doch auf den Flächen drum herum besteht Freiheit.
Überspitzt sagen kann man aus naturschutzrechtlicher Sicht im
Sinne des Artenschutzes: Es handelt sich um eine
Täuschung/Mogelverpackung.
Was ist ein Biosphärenreservat?
Biosphärenreservate sind Gebiete, welche in Richtung Naturschutz hin noch entwickelt werden müssen (§ 25 Abs. 1 vor Nr. 1 BNatSchG). Sie sind großräumig (Beispiel: Biosphärenreservat Rhön)
und enthalten hübsche Landschaftstypen. Sie sind eher ein
Landschaftsschutzgebiet (hierzu sogleich) denn ein Naturschutzgebiet;
d.h. im Minimum jeweils mindestens ein Naturschutzgebiet und ein
Landschaftsschutzgebiet (§ 25 Abs. 1 Nr. 2). Der Rest ist
naturschutzrechtlich tendenziell unbedeutend.
Denn zum einen: Ein Naturschutzgebiet können sie nicht sein, weil
im Biosphärenreservat nicht der Naturschutz, sondern die
Wirtschaft Vorrang hat. Dies ist/sei das harmonische Miteinander von
Mensch und Natur. Insbesondere auch das örtliche Handwerk wird
gefördert. Motto: mehr Tradition und lokale Wirtschaft als
Naturschutz, jedoch ohne Naturzerstörung. Das Schutzgebiet
Biosphärenreservat geht auf die Naturschutzpolitik der UNESCO
zurück: ...im Einklang mit der Natur leben: "Entwicklung und
Erprobung von die Naturgüter besonders schonenden
Wirtschaftsweisen" (§ 25 Abs. 1 Nr. 4).
Zum anderen soll/muss der Rest erst noch entwickelt werden. Ziele des
Gebietsschutzes sind der Schutz der örtlichen Ökosysteme und
der Biodiversität im Sinne eher des Umweltschutzes statt
Naturschutzes. "Biosphärenreservate dienen, soweit
es der Schutzzweck erlaubt, auch der Forschung und der Beobachtung von
Natur und Landschaft sowie der Bildung für nachhaltige
Entwicklung." (§ 25 Abs. 2 BNatSchG). In der Kernzone hat der
Naturschutz Vorrang, in den übrigen Gebieten nicht. Die
übrigen Gebiete (vgl. § 25 Abs. 3 BNatSchG) müssten,
sollen sie besonders geschützt werden, separat nach den
§§ 23 ff. BNatSchG geschützt werden. Mit anderen Worten:
Ein Biosphärenreservat klingt schön, ist jedoch sprachlich
auch eher eine Mogelverpackung. Allerdings nicht ganz so sehr wie beim
Naturpark (s.o.).
Es gibt inzwischen 18 Biosphärenreservate in Deutschland (Stand 2021; nicht mehr aktuell: Wikipedia Biosphärenreservat). Zuletzt hinzukommen sind die Karstlandschaft im Südharz und das Gebiet Drömlingin
Sachsen-Anhalt (jeweils in 2019). Die Fläche beträgt
zwischen 300 und 1.500 Quadratkilometer (auf der Erdoberfläche;
auf dem Meer wie an der Nordseeküste größer).
Nach anderer Rechtsauffassung mindestens 100 Quadratkilometer. Das
Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und
Halligen mit einem Ausbreitungsgebiet auf dem Wasser hat eine
Fläche von über 443 Quadratkilometer.
Was ist ein Landschaftsschutzgebiet?
Landschaftsschutzgebiete sind großflächige Landschaften (§ 26 BNatSchG).
Sie werden aus drei Gründen ausgewiesen: 1. zwecks Erhaltung,
Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und
Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder der
Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der
Naturgüter, einschließlich des Schutzes von
Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier-
und Pflanzenarten, 2. wegen der Vielfalt, Eigenart und
Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der
Landschaft oder 3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die
Erholung.
Voraussetzung ist, dass auch dort die Ziele des Naturschutzes erreicht werden können (§ 1 BNatSchG). Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit (s.o.) müssen auch hier bejaht werden können.
Von Bedeutung ist die Verbotsvorschrift § 26 Abs. 2 BNatSchG: "In
einem Landschaftsschutzgebiet sind unter besonderer Beachtung des
§ 5 Absatz 1 und nach Maßgabe näherer Bestimmungen alle
Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets verändern oder
dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen." Mit dem Wortlaut "unter
besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1"
wird auf die drei Wirtschaftszweige Landwirtschaft, Forstwirtschaft und
Fischereiwirtschaft Bezug genommen. Diese haben Vorrang vor dem
Naturschutz. Und weil die Wirtschaft Vorrang hat, gibt es problemlos
auch knapp 9.000 Landschaftsschutzgebiete... Diese sind also
zahlenmäßig wichtig, jedoch in wirtschaftlicher Hinsicht
recht leicht wegzustecken. Es gilt eben kein absolutes, sondern ein
relatives Veränderungsverbot (§ 26 Abs. 2 BNatSchG).
Was ist ein geschützter Landschaftsbestandteil?
Geschützte Landschaftsbestandteile sind "rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft" (§ 29 BNatSchG). Es besteht ein relatives Veränderungsverbot (§ 29 Abs. 2 BNatSchG).
Beispiele sind: 1. Waldränder, 2.
einzelne Bäume (und zwar nicht wegen ihrer Artenvielfalt, sondern
wegen ihrer Optik und wegen des Spendens von Schatten), 3. Feldhecken,
4. trockene Mauern für Amphibienarten und Reptilienarten, 5.
kleine Fließgewässer und stehende Gewässer.
Zwischenergebnis:
Naturpark und Biosphärenreservat sind, artenschutzrechtlich
betrachtet, kaum der Rede wert. Besser wäre es, die bestehenden
Nationalparks und die bestehenden Naturschutzgebiete
flächenmäßig stark zu erweitern. Doch die Politik will
das nicht, weil dies zulasten der Wirtschaft ginge.
Landschaftsschutzgebiete und geschützte Landschaftsbestandteile
haben wiederum eine ernstere Berechtigung. Sie dienen dem Menschen zur
Erholung und zur Freude am Betrachten der Landschaften (ohne seltene
Pflanzen und Tiere). Freilich zielt das BNatSchG auf verschiedene,
nicht unbedingt gleichgerichtete Interessen (Sammelsurium in § 1 BNatSchG).
IV. Schutz von Natura-2000-Gebieten
Die
Natura-2000-Gebiete werden in Deutschland nicht als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, sondern schlicht als Natur- oder
Landschaftsschutzgebiet. In Österreich werden sie
Europaschutzgebiete genannt. In diesen Gebieten steht der Naturschutz nicht
an
erster Stelle. Sondern die Wirtschaft hat auch einen Rang... Je
größer die geschützte Fläche, desto nachrangiger
der Naturschutz. Die Natura-2000-Gebiete dürfen nicht
verwechselt werden mit den Biotopschutzgebieten im Sinne des
Völkerrechts, und zwar mit den a) Biosphärenreservaten und
b) Weltnaturerbe-Stätten als Teile des UNESCO-Rechts.
Was ist ein Natura
2000-Gebiet?
Vogelschutz und Naturschutz (im Übrigen) parallel in der Großfläche. „Natura 2000“
ist die nach dem EU-Recht vorgegebene Bezeichnung eines Netzes verschiedener
Naturschutzgebiete, und zwar bestehend aus erstens den einfachen und den besonderen
Vogelschutzgebieten im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie RL 79/409/EWG und
zweitens den Naturschutzgebieten im Sinne der EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie(FFH-RL
92/43/EWG). Dies ergibt sich aus Art. 3 Absatz 1 UnterAbs. 2 der
FFH-Richtlinie. Umfasst sind all diejenigen Gebiete innerhalb der
Europäischen Union, die nach mindestens einer der beiden
Richtlinien offiziell
als Vogelschutzgebiet bzw. als FFH-Gebiet ausgewiesen werden müssten.
Das
heißt, dass das Ausbleiben der Unterschutzstellung eines
einschlägigen Gebiets nicht dazu führt, dass das Netz
deswegen noch nicht existiert und vollendet ist. Sondern das
Natura-2000-Territorium ist schon jetzt der rechtliche Ist-Zustand
nach EU-Naturschutzrecht -- freilich noch nicht vollständig als
solches ausgewiesen/kenntlich gemacht. Es gibt nur das eine Natura-2000-Gebiet, nicht mehrere Natura-2000-Gebiete.
Das Natura-2000-Gebiet sei ein "kohärentes europäisches Netz
besonderer Schutzgebiete"; Art. 3 Abs. 1 UnterAbs. 1 FFH-Richtlinie.
Welche Vögel
sollen im EU-Vogelschutzgebiet geschützt werden?
Es sollen
alle in der EU lebenden wildlebenden Vogelarten geschützt werden (Art. 3 Abs. 1
EU-Vogelschutz-RL). Geschützt werden die Vögel, aber auch deren Eier und Nester
sowie deren Lebensräume (Lebensräume zu Boden).
Weshalb
sollen die Vögel geschützt werden?
Die EU will
die Vogelarten schützen, um das biologische Gleichgewicht in der Natur zu
bewahren (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie). Zudem soll die Vogelwelt schlicht
erhalten werden für die Menschen und Folgegenerationen.
Die Vogelarten sollen nicht, wie die Dinosaurier, aussterben.
Wodurch
sollen die Vögel geschützt werden?
Die EU sieht
vier Mittel des Schutzes aller
Vogelarten vor (Art. 3 Abs. 2 Richtlinie):
1. Ausweisung
von einfachen Vogelschutzgebieten i.S.d. EU-Vogelschutzrichtlinie RL
79/409/EWG.
2. ökologisch
richtige Gestaltung aller vorhandenen Lebensräume, d.h. auch der Lebensräume
von Vögeln, welche sich außerhalb der Vogelschutzgebiete i.S.d.
EU-Vogelschutzrichtlinie RL 79/409/EWG befinden. Zudem die Pflege der
vorhandenen, im Idealfall auch richtig gestalteten Lebensräume.
3. Wiederherstellung
zerstörter Lebensstätten. Lebensräume und Lebensstätten sind nicht dasselbe.
Lebensräume sind… Lebensstätten sind…
4.
Neuschaffung von Lebensräumen.
Die EU sieht
darüber hinaus Mittel des Schutzes besonders geschützter Vogelarten vor. Welche
Vogelarten besonders geschützt sind, steht im Anhang I der Richtlinie. Dort
sind die besonders geschützten Vogelarten aufgelistet.
5. Ausweisung
von besonderen Vogelschutzgebieten i.S.d. EU-Vogelschutzrichtlinie RL
79/409/EWG (Art. 4 Abs. 1 Richtlinie).
6. Maßnahmen
zum Schutz der regelmäßig auftretenden Zugvögel = Ausweisung von besonderen
Vogelschutzgebieten auch für diese Zugvögel (Art. 4 Abs. 2 Richtlinie mit TBM
„entsprechend“).
Was sind
Schutzgebiete für die besonders geschützten Vogelarten?
Diese Gebiete
sind Orte, die für das Überleben und Vermehren einer im Anhang I Vogelart
wichtig sind. Insbesondere sind es Gebiete, in denen sich die Brutstätten
befinden. Die für Zugvögel einzurichtenden Gebiete sind Orte der Vermehrung,
Mauser, Überwinterung oder Rast.
Beide Arten
von Gebieten müssen als Schutzgebiet
ausgewiesen werden (Art. 4 Abs. 1 Richtlinie) und sind Teil der
Natura-2000-Gebiete (Art. 7 Richtlinie).
Die
besonderen Vogelschutzgebiete werden von den Mitgliedstaaten geschaffen anhand
der Vorgaben der Richtlinie (§ 32 Abs. 1 S. 1 BNatSchG i.V.m. Art. 4 RL
79/409/EWG; Definition "Europäische Vogelschutzgebiete" in § 7 Abs. 1 Nr. 7 BNatSchG).
Ist
ein solches Vogelschutzgebiet geschaffen/ausgewiesen worden, meldet der
Mitgliedsstaat die Ausweisung der EU-Kommission (Art. 4 Abs. 3
EU-Vogelschutzrichtlinie). Insgesamt müssen die Mitgliedstaaten
"zahlen- und flächenmäßig" genügend
Vogelschutzgebiete ausweisen, welche zudem für den
Vogelschutzzweck "geeignet" sind (Art. 4 Abs. 1 UnterAbs. 2
Richtlinie). Bei welchen Zahlen die Grenzen liegen, steht nicht fest.
Die Mitgliedstaaten haben einen gewissen Entscheidungsspielraum. Klar
ist nur, dass die Geeignetheit eines Gebiets
voraussetzt, dass viele verschiedene Vogelarten in demselben Gebiet
verweilen müssen, sei es als Rastplatz oder als Platz für die
Überwinterung. Lediglich ein oder zwei Vogelarten werden in aller
Regel nicht ausreichen, um die Geeignetheit bejahen zu können.
Zudem muss insgesamt oder zumindest bei einigen dieser Arten eine
erhebliche Populationsgröße an besagtem Ort bestehen. Grob
gesagt: Es müssen sich in dem Gebiet ein paar tausend Vögel
einfinden, und zwar in regelmäßigen Abständen, also von
gewisser Dauer. Die Individuenzahl lässt sich bei vielen
Vogelarten an der Lautstärke der Vogelstimmen und -geräusche
ermitteln/abschätzen. Die nötige Dauer/Wiederkehr der
Vogelsichtungen bedeutet: alle Jahre wieder. Singuläre
Zufallsereignisse reichen nicht aus, um ernsthaft behaupten zu
können, auch der Ort X müsse zu einem Vogelschutzgebiet
erklärt werden. Je seltener die Vogelarten, desto kleiner darf und
muss der eingeforderte Vogelbestand vor Ort sein. Auch die
Reviergröße spielt sicherlich eine Rolle bei der Beurteilung.
Zusätzlich
zu diesen quantitativen Anforderungen müssen noch qualitative
hinzutreten. Denn die geschützten Vogelarten sollen ja in ihrem
Bestand überleben. Es sind also entweder Brutplätze oder
Überwinterungsplätze oder Nahrungsaufnahmeplätze
aufzufinden. Die bloße Durchreise (ohne Rast von mehreren Tagen)
wird nicht ausreichen. Im Ergebnis handelt es sich bei alledem um
ornithologische Überlegungen und Argumente. Das Recht stellt
stillschweigend auf die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ab. Ebenso
sind die geomorphologischen Überlegungen und Gegebenheiten
einzubeziehen. Denn das Gebiet muss räumlich und sprachlich
eingegrenzt werden. Die Grenzen des Gebiets sind in der
Schutzgebiets-Rechtsverordnung anzugeben, etwa mittels eines
Kartenausschnitts.
Was sind Vogelschutzgebiete für die übrigen Vogelarten?
Diese Gebiete
sind Orte, die für die Erhaltung der nicht im Anhang I aufgelisteten Vogelarten
wichtig sind (s. zuvor unter 1. Mittel). Diese Gebiete können als Schutzgebiet ausgewiesen werden (Art. 4 Abs. 1
Richtlinie) und sind nicht Teil der
Natura-2000-Gebiete (Art. 7 Richtlinie). Das heißt: Alle Maßnahmen nach Art. 3
Richtlinie fallen nicht unter den Natura-2000-Gebietsschutz.
Ab wann existiert ein EU-Vogelschutzgebiet?
Nach der EU-Vogelschutzrichtlinie entscheidet der Mitgliedstaat
über die Einsortierung eines Gebietes als Vogelschutzgebiet und
meldet diese Unter-Schutz-Erklärung dann noch der EU-Kommission
(s.o.). Erst ab Zugang dieser Meldung bei der EU-Kommission beginnt der
Schutzstatus. Gleichwohl existiert das Schutzgebiet bereits vorher. In
der Zeit bis zur Meldung wird es faktisches (EU-)Vogelschutzgebiet
genannt. Die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung
müssen erfüllt sein.
Gibt es in Deutschland noch Gebiete, welche als EU-Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden müssten?
Ob
es noch Gebiete gibt, die ausgewiesen werden müssten, aber noch
nicht ausgewiesen sind, lässt sich durch einen Vergleich mit dem
Verzeichnis "Important Bird and Biodiversity Areas" (IBA) feststellen (Wikipedia IBA).
Dieses IBA-Verzeichnis gibt einen sicherlich zutreffenden Datensatz. Zu
überprüfen wäre hier, ob die Begründung für
die Aufnahme eines Gebietes in das IBA-Verzeichnis auch heute noch
zutreffend ist. Die Begründung für die Schutzwürdigkeit
und Schutzbedürftigkeit ist eine rein ornithologische. Die
Gebietsgrenzen werden eher geomorphologisch begründet und gezogen.
Wer der Auffassung ist, dass ein bestimmtes Gebiet auch noch unter
EU-Schutz gestellt werden sollte oder müsste, kann mithilfe eines
Rechtsanwalts abklären, ob Deutschland als Mitgliedstaat meint,
inzwischen die Auswahl geeigneter Gebiete i.S.d. Vogelschutzrichtlinie
mit all den gemeldeten Gebietsgrenzen abschließend vorgenommen zu
haben, und ob dennoch noch ein Anspruch auf Unterschutzstellung besteht
(Fehlen des Gebiets oder falsche Grenzziehung des Gebiets).
Dies gilt besonders dann, wenn in Deutschland, z.B. in Nordrhein-Westfalen oder in Sachsen,
der Tagebau beendet wird und die Tagebaugruben sich mit Wasser
füllen (Seen-Landschaften). Dann könnten neue faktische
Vogelschutzgebiete entstehen, welche in das
Vogelschutz-Netz/Natura-2000-Netz aufgenommen werden müssten.
Welche Verpflichtungen gehen mit EU-Vogelschutzgebiet einher?
Die
Mitgliedstaaten müssen, sobald ein Gebiet die inhaltlichen
Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-Richtlinie
erfüllt, faktisch und rechtlich dafür Sorge tragen, dass
Beeinträchtigungen der Vogelwelt dort unterbleiben. Was alles zu
unterbleiben hat, lässt sich ansatzweise dem § 34 BNatSchG entnehmen.
Welche Tiere und Pflanzen sollen im EU-Flora-Fauna-Habitat (FFH) geschützt werden?
Jeder
Mitgliedstaat muss auch hier geeignete Gebiete identifizieren und
ausweisen; Art. 4 FFH-Richtlinie. Die Gebietskriterien stehen im Anhang
III in Verbindung mit Anhang I für die Gebiete und Anhang II
für die Tier- und Pflanzenarten. Die Mitgliedstaaten haben auch
hier einen gewissen Entscheidungsspielraum. In Bezug auf einige Orte
kann der Entscheidungsspielraum auf null reduziert sein. Zu
schützen sind die in Anhang III aufgelisteten Arten.
Wie entsteht das FFH-Gebiet?
Das Verfahren steht in § 32 BNatSchG.
Die Länder wählen die Gebiete aus (Absatz 1) und
erklären deren Schutzstatus (Absatz 2). In der
Schutzgebietserklärung ist der Schutzzweck anzugeben (§ 32
Abs. 3 BNatSchG). In Deutschland ist dieses FFH-Gebietsverfahren
weitgehend abgeschlossen. Freilich können neue Gebiete noch
hinzukommen.
Welche Verpflichtungen gehen mit FFH-Gebietsausweisung einher?
Die
Mitgliedstaaten müssen ein Tier- und Pflanzenarten-Monitoring
betreiben; Art. 11 FFH-Richtlinie. Aus diesem Grunde gibt es
beispielsweise das Wolfsmonitoring und das Luchsmonitoring. Die EU
verpflichtet die Mitgliedstaaten, und die Mitgliedstaaten folgen.
Hierin liegt einer der großen Vorteile der Europäischen
Union. Deutschland mit seinen Politikern würde ohne die EU in
vielen Dingen nicht in die Gänge kommen.
Aber
auch die EU (Kommission) ist verpflichtet. Sie muss anhand der ihr
mitgeteilten Schutzgebietserklärungen prüfen, ob und wie auf
diese Weise das Ziel des kohärenten ökologischen Netzes
namens Natura 2000 (Schritt für Schritt) verwirklicht wird. Im
Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten erarbeitet die EU-Kommission dann
eine "Gemeinschaftsliste" (Art. 6 FFH-Richtlinie) mit
Entwicklungsplänen, Bewirtschaftungsplänen
(Managementpläne) und Verträglichkeitsprüfungen. In
dieser Liste sind dann die Gebiete ausweisen als einfache oder als
besondere (prioritäre) Schutzgebiete i.S.d. EU-Rechts (Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung; Art. 4 Abs. 4 FFH-Richtlinie); Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie. Im Ergebnis steht fest, welche Gebiete in Deutschland ausdrücklich auch FFH-Schutzgebiete sind bzw. nicht sind.
Gibt es Ausnahmen zur FFH-Schutzgebietsausweisung?
Ja.
Bestehende Wasserschutzgebiete (nach EU-Wasserrecht oder WHG) und
bestehende Waldschutzgebiete (nach BWaldG) brauchen, sofern und weil
sie den gleichen Schutz erzielen, nicht zusätzlich als
FFH-Schutzgebiet ausgewiesen zu werden; im Ergebnis § 32 Abs. 4 BNatSchG. Ob vertragliche Vereinbarungen (§ 32 Abs. 4) gleichwertig und zulässig sind, darf hinterfragt werden.
Ab wann existiert ein FFH-Schutzgebiet?
Nach
der EU-FFH-Richtlinie entscheidet die EU-Kommission über die
Einsortierung eines Gebietes als FFH-Gebiet in das künftige
Natura-2000-Netz (vgl. Art. 4 Abs. 5 FFH-Richtlinie). Die Meldung des Mitgliedstaates an die EU-Kommission
liegt somit zeitlich noch mitten in dem Entstehungsprozess des
Gebietes. Folglich gibt es, anders als beim Vogelschutzgebiet, bis
dahin kein faktisches (EU-)FFH-Schutzgebiet.
Ein
ganz anderer Fall liegt vor, wenn die EU-Kommission ein Gebiet in ihr
Natura-2000-Netz aufnimmt, welches von einem Mitgliedstaat noch gar
nicht als gleichsam verbindendes Netzstück als Schutzgebiet
vorgesehen ist, aber vorgesehen werden könnte. Dieses Gebiet wird
potentielles FFH-Gebiet genannt. Die EU-Kommission hat ihre
Gebietsliste über das Natura-2000-Gesamtgebiet am 13.11.2007
festgestellt/erklärt (zu den Kartenausschnitten der Bioregionen Stand 2021) und zudem einen Leitfaden zur Anwendung des FFH-Rechts mit Stand Februar 2007 herausgegeben (Leitfaden) sowie eine Entscheidung vom 25.01.2019 über das Gebietsmanagement in den FFH-Schutzgebieten (Erklärung; PDF).
Informationen des Bundesamts für Naturschutz (BfN) zum Stand der
Umsetzung der Vorgaben der FFH-Richtlinie und des Natura-2000-Netzes (BfN Link). Bekanntmachung
EU-Kommission vom 28.10.2021 bezüglich der "Prüfung von
Plänen und Projekten in Bezug auf Natura-2000-Gebiete --
Methodik-Leitlinien zu Artikel 6 Absätze 3 und 4 der
FFH-Richtlinie 92/43/EWG" (EU Link).
In einem potentiellen
FFH-Gebiet bestehe zumindest die Pflicht des Staates, es zu verhindern,
dass das potentielle Schutzgebiet sich weiter verschlechtert,
insbesondere zerstört wird. Es geht um ein gewisses
Mindestschutzniveau, welches aufrechterhalten werden muss. Ob
darüber hinaus noch andere Verpflichtungen des Staates bestehen,
ist umstritten.
Welche Ge- und Verbote bestehen in einem FFH-Gebiet?
Die Schutzerklärung (häufig Rechtsverordnung) enthält
nicht nur den Schutzzweck, sondern nennt auch die Erhaltungsziele und
begründet die Gebote und Verbote, welche in den Gebiet zu beachten
sind. Hintergrund ist Art. 6 FFH-Richtlinie.
Hat der Naturschutz in den Natura-2000-Gebieten (Vogelschutz und FFH) Vorrang vor der Wirtschaft?
In FFH-Gebieten
(einschließlich EU-Vogelschutzgebiete; Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 FFH-Richtlinie) grundsätzlich ja, in vielen Ausnahmefällen nein. Bauanlagen
in Naturschutzgebieten des Netzes Natura 2000 sind erlaubt. Es gilt
§ 34 Abs. 1 BNatSchG: "Projekte sind vor ihrer Zulassung oder
Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den
Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen,
wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder
Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen,
und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen." Nötig
also ist die Prüfung, ob das geplante Vorhaben eine erhebliche
Beeinträchtigung des Naturschutzgebietes bewirkt. Vorhaben, die
eine unerhebliche Beeinträchtigung bewirken, sind zulässig.
Vorhaben, die eine erhebliche Beeinträchtigung bewirken, sind
grundsätzlich nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig und
ausnahmsweise nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zulässig.
§ 34 Abs. 2 BNatSchG:
"Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu
erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die
Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen
führen kann, ist es unzulässig."
§ 34 Abs. 3 BNatSchG: Es "darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es 1. aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und 2. zumutbare Alternativen,
den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit
geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind."
Also Zulässigkeit ja, sofern keine mildere Alternative zum Projekt
und Projekt im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit.
Dies gilt nicht nur für Bauanlagen
(§ 34 BNatSchG), sondern auch für gentechnisch
veränderte Organismen (§ 35 BNatSchG) und zudem für
"Linienbestimmungen" betreffend die Autobahnen (§ 36 S. 1 Nr. 1 BNatSchG) und Bundeswasserstraßen, also die Kanäle zwischen den großen Flüssen wie Main-Donau-Kanal (§ 36 S. 1 Nr. 1 BNatSchG). Linienbestimmung meint: Von wo nach wo und wo genau sollen Autobahn oder Wasserkanal entlang führen -- in einem Naturschutzgebiet oder darum herum (außerhalb)?
Wann wird auf die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG verzichtet?
Es
gilt § 34 Abs. 7, Abs. 8 BNatSchG. Wird ein Bebauungsplan
aufgestellt, der eine Planfeststellung nach BauGB ersetzt, muss
innerhalb der baurechtlichen Planfeststellung das Naturschutzrecht
mitgeprüft werden und muss eine separate
Naturschutz-Verträglichkeitsprüfung nicht auch noch (doppelt)
durchgeführt werden. Wird hingegen ein Bebauungsplan aufgestellt,
der eine Planfeststellung nach BauGB nicht ersetzt, d.h. muss die
Planfeststellung nach BauGB also nicht durchgeführt werden, dann
muss die naturschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung doch
(erstmals) durchgeführt werden (§ 34 Abs. 8 BauGB).
Die Frage heißt also: Wurden im Bebauungsplan die negativen
Auswirkungen eines möglichen Bauprojekts auch in Bezug auf die
naturschutzfachlichen Gesichtspunkte hin geprüft? Sofern ja, dann
braucht auf diese Prüfung nur verwiesen zu werden. Sofern nein,
dann muss die naturschutzfachliche Verträglichkeitsprüfung
(doch noch) vorgenommen werden.
Soll
ein Vorhaben in einem geschützten Teil der Natur oder Landschaft
(§ 20 Abs. 2 BNatSchG) oder in einem geschützten Biotope
(§ 30 BNatSchG) errichtet/durchgeführt werden, dann gelten
die hierfür bestimmten Veränderungsverbote des § 23 Abs.
2, § 26 Abs. 2, § 29 Abs. 2, § 30 Abs. 2 BNatSchG
unverändert (§ 34 Abs. 7 BNatSchG). Der strengere Schutz hat
hiernach Vorrang. Deshalb könnten hier beide Prüfungen
parallel (sozusagen doppelt) durchgeführt werden.
Zu den "Vorhaben" zählen in entsprechender Anwendung auch die
"Pläne". Beispiele für Pläne sind:
Abfallwirtschaftspläne (z.B. für Deponien),
Wasserversorgungspläne (z.B. für Grundwasser-Anzapfungen),
Landschaftspläne (§ 8 BNatSchG).
Was soll im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung geprüft werden?
Es sollen die tatsächlichen Auswirkungen auf das FFH-Schutzgebiet
überprüft werden, sei es durch das Vorhaben selbst innerhalb
oder von außerhalb des Naturschutzgebietes. Relevant sind die
Einwirkungen von allem, was durch ein Vorhaben (Projekt) ausgelöst
wird, und zwar auf das Gebiet. Es ist also aus Sicht des "Gebietes"
heraus zu prüfen, ob das Vorhaben (Projekt) geeignet ist, mit
seinen Auswirkungen (d.h. z.B. Bau und z.B. Emissionen) das Gebiet
tatsächlich und erheblich zu beeinträchtigen. Es geht bei den
Vorhaben aber nicht bloß um Bauvorhaben. Sondern jede
(wirtschaftliche) Tätigkeit kann ein Vorhaben sein. Beispiele:
Landwirtschaft (z.B. Umwandlung von Grünland in Ackerland, das
"Beackern" mit z.B. Düngemitteln), Forstwirtschaft (z.B.
Waldrodung), Fischzucht, Abschießen von Wölfen nach §
45 Abs. 7 BNatSchG, Schifffahrt, Luftverkehr, Straßenverkehr, ...
Wie läuft die Verträglichkeitsprüfung bezüglich eines FFH-Gebiets (inklusive EU-Vogelschutzgebiet) ab?
Hinzuweisen
ist auf den Leitfaden der EU-Kommission. Die zuständige
Behörde (zumeist nicht die Naturschutzbehörde) prüft:
I. FFH-Vorprüfung (sog. Screening):
1. Ist ein Vorhaben/Projekt beabsichtigt? Frage nach der Beschreibung
des Vorhabens und nach der Definition des Projekts.
2.
Wo ist es beabsichtigt? Wo liegen FFH-Schutzgebiete? Was sind deren
Schutz- und Erhaltungsziele? Blick auf die Schutzgebiete in ihrer
Gesamtheit. Eine Frage nach der räumlichen Grenzziehung. Kann ein
bestimmter Emissionsradius der Anlage festgestellt werden, muss
bestimmt werden, ob innerhalb dieses Reichweitegebiets von XY Metern
ein FFH-Gebiet liegt.
3. Welche Vorhaben (Projekte und Pläne) gibt es sonst noch in der Region? Wirken diese zusammen? Wie?
4.
Beeinträchtigt das beabsichtigte Vorhaben/Projekt das FFH-Gebiet?
Welche Auswirkungen kann das Vorhaben/Projekt auf das zur Erreichung
des Erhaltungsziels benötigte Gebiet
(d.h. Flächen innerhalb des FFH-Gebiets; nicht auf
Art-Populationen, Lebensräume oder Erhaltungsziele als solche)
haben? Hierbei sind die Erhaltungsziele des Schutzgebietes in den Blick
und in Bezug zu nehmen (Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie);
Anknüpfungs- und Bezugspunkt. Sind nachteilige Auswirkungen zu
befürchten? Frage nach Beweis und Gegenbeweis, jedoch ohne
juristische Beweisführung, sondern bloß "summarische"
Prüfung. Die Beweislast liegt praktisch beim Vorhabenträger.
Dieser kann ein Gutachten bzgl. der Nichterheblichkeit einholen und
vorlegen. Beeinträchtigungen, die in der Vorprüfung
festgestellt werden können, sind unerheblich, wenn sie zur
Erreichung des Erhaltungsziels vernachlässigt werden können.
5.
Ist die vorhersehbare Beeinträchtigung eine erhebliche? Von der
zuständigen Behörde wird z.B. eine Stellungnahme der
Naturschutzbehörde oder eines Sachverständigen eingeholt.
6.
ggf. Feststellung, dass dies so ist und damit eine
Verträglichkeitsprüfung stattfinden muss. Andernfalls
Feststellung, dass keine Verträglichkeitsprüfung vorgenommen
werden muss.
II. FFH-Verträglichkeitsprüfung (eventuell im Rahmen einer Unverträglichkeitsprüfung nach UVPG):
1. Beschreibung des Vorhabens, Nennung etwaig zusammenhängender
Vorhaben. Dazu gehören zum einen die bereits existierenden
Vorhaben, zum anderen aber auch die bekannten künftigen Vorhaben,
sobald diese bereits genehmigt, nicht unbedingt auch im
Durchführstadium sind. Es wird die Gesamtbelastung aller Vorhaben
ermittelt..
2. Beschreiben der Einflussfaktoren auf die Auswirkungen des Vorhabens.
3. Beschreibung der Schutzgebiete und deren Ziele und Zwecke. Dabei ist auf die Erhaltungsziele des BNatSchG abzustellen.
4. Beschreibung etwaiger Bestandteile der Schutzgebiete. Die
Verträglichkeitsprüfung orientiert sich auch an den
Bestandteilen des Gebiets (§ 34 Abs. 2 BNatSchG), an den Erhaltungszielobjekten.
5. Beschreibung von Ursachen, Verlauf und Wirkungen.
Einschließlich der Beschreibung der Zustände "vorher" und
"nachher" sowie Ist- und Soll-Zustand. Es bedarf eines
Sachverständigengutachtens mit darin enthaltener
Arten-Bestandsaufnahme.
6. Beurteilung der Auswirkungen: Erheblichkeit ja oder nein. Diese
Frage ist "objektiv" anhand zahlreicher Kriterien zu beantworten. Unter
anderem ist zu fragen, was der Vorhabenträger unternimmt, um
erhebliche Beeinträchtigungen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Es dürfen bei alledem letztendlich keine vernünftigen Zweifel
am festgestellten Ergebnis 8einschließlich Wirkungen) bestehen
bleiben (objektive Fakten statt subjektive Versprechungen). Eine
bloß summarische Prüfung der Auswirkungen (Wirkungen und
Wirkursachen, also Ursachen, Verlauf und Wirkungen) reicht auf diese
Prüfstufe nicht mehr. Die Behörde muss sich Gewissheit
verschaffen, ggf. Sachverständigengutachten einholen.
III. Das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung gilt nicht, sofern es Ausnahmen gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG
gibt, wobei in § 34 Abs. 4 BNatSchG wiederum
Ausnahmen/Einschränkungen zu diesen Ausnahmen stehen. Kommt die
Prüfung zu dem finalen Ergebnis, dass eine erhebliche
Beeinträchtigung zu besorgen ist, ist das Vorhaben
unzulässig. In der Praxis jedoch können zahlreiche Vorhaben
mittels § 34 Abs. 3 BNatSchG für zulässig erklärt
werden. Die Wirtschaft bekommt den Vorrang ("zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art").
Wann darf das beabsichtigte Vorhaben durchgeführt werden?
Erst
nach der FFH-Verträglichkeitsprüfung (bzw. bloß
FFH-Vorprüfung). Andernfalls handelt es sich um eine Art
Selbstjustiz (Ignorieren der Rechtslage). Erst die Rechtsprüfung,
dann das Vorhaben. Klagen von Naturschutzvereinigungen machen also
Sinn. Sie verhindern den Beginn der Durchführung eines Vorhabens.
Sinnlos sollten Klagen nicht eingereicht werden.
Ergebnis:
Auch in den Gebieten des Netzes Natura 2000 darf Wirtschaft betrieben
werden. Allerdings nicht so sehr in den eigentlichen
Naturschutzgebieten (s.o.), sondern mehr in den übrigen Bereichen
des Natur-2000-Netzes. Entscheidend ist es, wie groß die
Naturschutzgebiete (§ 23 BNatSchG), die Nationalparks (§ 24
BNatSchG), die Naturmonumente (§ 24 BNatSchG) und die
Naturdenkmäler (§ 28 BNatSchG) einzeln und insgesamt sind.
Der Begriff Natura 2000 als solcher besagt zum Verhältnis zwischen
Natur und Wirtschafts nichts aus.
V. Schutz von Landschaftsbestandteilen
Geschützte Landschaftsbestandteile (§ 20 Abs. 2 Nr. 7
BNatSchG) sind als Kleinbiotope wichtig. Beispiele sind: 1.
Waldränder, 2.
einzelne Bäume (und zwar nicht wegen ihrer Artenvielfalt, sondern
wegen ihrer Optik und wegen des Spendens von Schatten) oder Baumreihen
oder Alleen (Alleen sind in § 29 Abs. 3 genannt), 3. Feldhecken,
Feldgehölze, Feldraine,
4. trockene Mauern für Amphibienarten und Reptilienarten, 5.
kleine Fließgewässer und stehende Gewässer oder
Wasserfälle, 6. im städtischen Bereich unbebaute
Grünflächen.
Die offizielle Definition: "Geschützte Landschaftsbestandteile
sind rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft,
deren besonderer Schutz erforderlich ist 1. zur Erhaltung, Entwicklung
oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts, 2. zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- oder
Landschaftsbildes, 3. zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder
4. wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild
lebender Tier- und Pflanzenarten." (§ 29 Abs. 1 S. 1 BNatSchG). Es
handelt sich um einen Objektschutz. Objekt sind die in einer
Erklärung bestimmte Natur- oder Landschaftsteile X, Y, Z. Diese
Teile können Einzelobjekte oder auch eine Objektgruppe (Beispiel:
drei Linden) sein. Geprägt werden sie durch die abiotischen und die biotischen Faktoren der Umwelt.
Die Form der Erklärung (Verwaltungsakt oder
Schutz-Rechtsverordnung) richtet sich nach dem Landesrecht.
Erforderlichkeit bedeutet Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit
des zu beurteilenden Teils (s.o.). Ob ein Naturteil schutzwürdig
ist, muss anhand der Ziele des Naturschutzes beurteilt und entschieden
werden (vgl. 3 1 BNatSchG). Schutzbedürftigkeit meint, dass der zu
beurteilende Teil selten oder gefährdet ist. Letztendlich muss die
Begründung "vernünftig"/plausibel sein. Nicht gefährdete
Teile können unter Umständen als Naturdenkmäler
geschützt werden (§ 28 BNatSchG). Die Abgrenzung zwischen den
Landschaftsbestandteilen und den Naturdenkmälern vollzieht entlang
der unterschiedlichen Zwecke des Schutzes. Landschaftsbestandteile und
Naturdenkmäler können nur abiotische Faktoren (Boden/Felsen,
Wasser/Wasserfälle) und Pflanzen (Vegetation) sein. Tiere scheiden
aus. Landschaften in Deutschland sind immer zugleich
Kulturlandschaften. Eine echte Wildnis gibt es in Deutschland nicht
mehr. Im Gegensatz zu den Naturdenkmälern kann es Zweck der
Landschaftsbestandteile sein, eine Lebensstätte für Tiere zu sein. Naturdenkmäler dagegen sind dem Zweck der Kultur dienend.
Voraussetzung ist mindestens eine der in § 29 genannten vier
Voraussetzungen. Daraus ergibt sich eine gewisse
Mindestgröße. Diese liegt bei irgendwo über fünf
Hektar (vgl. Obergrenze zu Naturdenkmälern in § 28 BNatSchG).
Zugleich gibt es eine natureigene Maximalgröße; andernfalls
wäre der Landschaftsbestandteil kein Bestandteil, sondern selbst
eine Landschaft.
Zum relativen Veränderungsverbot
nach § 29 Abs. 2 BNatSchG: Die verbotenen Handlungen wie
Beschädigung und Zerstörung müssen in der Praxis
abgegrenzt werden von den die z.B. Bäume schädigenden oder
gar zerstörenden Maßnahmen zum Schutze der Menschen vor
einstürzenden Bäumen (Sicherheit und Ordnung für
Menschen und Eigentum). Auch zählen nicht gärtnerische oder
medizinische Pflegemaßnahmen (Bekämpfung von Krankheiten)
dazu.
Ausnahmen darf es nach dem Landesrecht geben. § 67 BNatSchG
ermöglicht das Inkraftsetzen von Vorschriften (in einer z.B.
Baumschutzsatzung), nach welchen eine Befreiung von den Geboten und --
hier -- Verboten i.S.d. BNatSchG erteilt werden kann, und zwar stets
auf Antrag im Einzelfall. Grundsätzlich akzeptierte Gründe
sind der Schutz vor Gefahren für Personen oder Sachen sowie zum
Schutz vor unbeabsichtigter (unzumutbarer) Härte. Darüber,
was alles als zulässiger Ausnahmegrund für die Befreiung im
Einzelfall taugt, darf herzlich und juristisch nachgedacht werden...
Beispiel: Was ist wichtiger -- ein Baum, welcher ein Hausdach
überragt (Naturschutz), oder eine Photovoltaikanlage auf dem Dach
des Hauses (Energieeinsparung und Klimaschutz)? Nach welchen Kriterien
soll oder darf von dem Gebot/Verbot i.S.d. § 29 Abs. 2 BNatSchG
abgewichen werden?
Wer
einen (nach z.B. Landesrecht) geschützten Landschaftsbestandteil
zulässigerweise beschädigt oder zerstört, darf/soll nach
§ 29 Abs. 2 S. 2 BNatSchG eine Ersatzpflanzung oder eine
Geldzahlung vornehmen. Dies gilt nicht unbedingt dann, wenn der zu
fällende Baum in der Endphase seines Lebens angekommen ist und
ohnehin gefällt werden müsste. Fraglich ist noch, wo
die Ersatzpflanzung stattfinden müsste. Auf demselben
Grundstück? Das wird nicht überall gelingen. Gestritten
werden darf zudem über die Höhe der Geldzahlung (gemäß Baumschutzsatzung).
Eine
Befreiung nach § 67 BauGB hat Vorrang gegenüber dem
entgegenstehenden Recht im Baurecht, etwa in einer Baugenehmigung mit
Baumschutzauflage. Allerdings darf sie nicht einem Bebauungsplan mit
Baumschutzregelung widersprechen. Ergo dem Grundsatz nach in einem
Bebauungsplangebiet: Bebauungsplan vor Baumschutzregelung vor
Baugenehmigung. Dem Grunde nach außerhalb von
Bebauungsplangebieten: Baurecht nur unter Beachtung des
Baumschutzrechts.
Wer
mit einer Regelung betreffend den Baumschutz unzufrieden ist, kann
gegen die Vorschrift (Satzung oder Rechtsverordnung) beim
Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Normenkontrolle (nach § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO) stellen.
VI. Schutz durch Vertrag -- Vertragsnaturschutz
Beispiele von Vertragsnaturschutz sind Ackerrandstreifen, Blühstreifen und Wiesenbrüterprogramme.
Ackerrandstreifen
sind wegen ihrer recht hohen Nährstoffdichte anlässlich der
Nähe zum Acker kein guter Standort für Wildkräuter, aber
immerhin ein guter Standort für Futter für Tiere wie Rehe und
Rebhühner. Ihr Anlegen wird von der EU mit Zuschüssen
finanziell gefördert.
Blühstreifen und Blühbrachen
werden ebenfalls gefördert (Greening-Programm). Sie sind für
die Nahrung (Futter oder speziell Nektar) hilfreich, aber nicht
wirklich „Natur“, sondern und weil eher Blühsaatenmischungsstandorte, d.h. vom Menschen künstlich
verursachte Natur.
Wiesenbrüterprogramme
(Greening-Programm) bieten den Landwirten Zuschüsse/Prämien
für das Nichtmähen des Ackers während der Brutzeit von
Kiebitz, Feldlerche u.a. Vogelarten.
Was wird vereinbart?
Vertragsgegenstand
sind Maßnahmen zur Erhaltung von Natur und Landwirtschaft. Der
Vertrag wird zwischen der Behörde und einem Bürger
(häufig Landwirt) geschlossen. Der Bürger, insbesondere der
(Verfügungs- oder Nutzungs-)Berechtigte eines Grundstücks,
verpflichtet sich zu einem Tun oder zu einem Unterlassen einer
bestimmten Handlung oder zur Duldung einer bestimmten behördlichen
Maßnahme auf seinem Grundstück.
Was ist kein vertraglicher Naturschutz?
Zwei
Vertragskonstellationen scheiden aus. Erstens: Ein Grundstückskauf
durch die Gemeinde zwecks Nutzung eines Grundstücks zu
naturschutzbezogenem Zweck ist bloß ein schlichter Kaufvertrag.
Zweitens: Die Behörde beauftragt einen Bürger zur
Durchführung bestimmter behördlicher Maßnahmen; hier
ist der Bürger so etwas wie ein vertraglicher
Pflichtenerfüllungsgehilfe der Behörde.
Wann kommt ein Naturschutzvertrag in Betracht?
Die Behörde muss nach § 3 Abs. 3 BNatSchG
prüfen: "Bei Maßnahmen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege soll vorrangig geprüft werden, ob der Zweck mit
angemessenem Aufwand auch durch vertragliche Vereinbarungen erreicht
werden kann." Also:
a) Die
Behörde trifft eine Maßnahme des Naturschutzes und der
Landschaftspflege. Andernfalls ginge es gar nicht um Naturschutz,
sondern um etwas anderes. Zuständige Behörde sind entweder
die Naturschutzbehörde des Landes (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG)
oder aber das Bundesamt für Naturschutz (§ 3 Abs. 1 Nr. 2
BNatSchG). Als Maßnahmen kommen alle Maßnahmen in Frage,
welche der Zielerreichung des § 1 BNatSchG
dienen. Maßnahmen, die anderen Zielen dienen, scheiden aus. Ein
Beispiel nicht möglicher Maßnahme ist die
Ausnahmegenehmigung der Behörde nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zum
Abschuss von Wölfen. welche Schafe gerissen haben. Hier darf der
Abschuss der Tiere nicht einfach per Vertrag erlaubt werden. Das
käme dem Jagdrecht statt Naturschutzrecht gleich.
b)
Der Vertrag ist ein Ersatz einseitigen hoheitlichen Handelns. Die
Maßnahme, welche durch den Vertrag ersetzt werden soll, muss eine
des Ordnungsrechts sein.
c)
Es darf keine besonderen Umstände/Ausnahmen geben, welcher zum
Ausschluss des Vertragsrechts führen. Ausnahmen sind insbesondere
die Eilbedürftigkeit des Falles (die Behörde hat für
eine intensivere Vertragsprüfung keine Zeit) und eine Regelung im
Landesrecht (eine Abweichung über das Landesrecht zulässig;
i.E. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG).
d) Der Vertrag ist geeignet,
das naturschutzfachliche oder landschaftspflegerische Ziel zu
erreichen. Der Vertrag muss das naturschutzfachliche oder
landschaftspflegerische Ziel hinreichend sicher erreichen können.
e) Es besteht ein angemessenes
Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck des Naturschutzes und der
Landschaftspflege und dem mit dem Vertrag entstehenden Aufwand. Der
beispielsweise organisatorische oder finanzielle Aufwand des
Vertragsverhältnisses darf nicht außer Verhältnis zum
Ertrag stehen.
f) Die Behörde trifft eine Ermessenentscheidung (Abwägung).
Sie stellt die Vor- und die Nachteile des hoheitlichen und die Vor- und
die Nachteile des vertraglichen Handelns gegenüber. Es gibt keinen
automatischen Vorrang des Vertragsschlusses. Das Ermessen kann
nach dem Landesrecht etwas eingeschränkt sein. In Hessen
beispielsweise hat der Vertragsnaturschutz eher Vorrang als Nachrang (§ 4 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz HAGBNatSchG).
Welches Recht ist auf die Verträge anwendbar?
Der Vertrag ist in aller Regel ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (§ 44 (L)VwVfG). Teilweise handelt es sich um Vergleichsverträge (§ 55 (L)VwVfG).
Bei der Vereinbarung der Rechte und Pflichten sollte alles Wichtige
detailliert aufgeschrieben werden. Die Behörde jedenfalls ist
hierbei verpflichtet, für möglichst eindeutige
Vereinbarungsformulierungen zu sorgen. Die Vertragsauslegung richtet
sich wie im Zivilrecht nach den allgemeinen Vorschriften (§ 62 S. 2 (L)VwVfG i.V.m. §§ 133,157 BGB).
Der Vertrag ist schriftlich zu fassen (§ 57 (L)VwVfG). Dritte müssen dem Vertrag unter Umständen schriftlich zustimmen (§ 58
(L)VwVfG). Nichtigkeitsgründe darf es nicht geben; § 59 (L)VwVfG.
Eine Vertragsanpassung kann nötig werden (§ 60 (L)VwVfG),
auch eine Vertragsauslösung per Kündigung (§ 60 (L)VwVfG
oder nach § 62 S. 2 (L)VwVfG i.V.m. dem Recht der
Leistungsstörungen (§§ 323 ff., 280 ff. BGB).
Besteht bezüglich des Naturschutzvertrages Rechtsschutz?
Ja. Der Bürger (Vertragspartner) kann gegen die Behörde (Vertragspartner) die allgemeine Leistungsklage erheben (§ 43 Abs. 2 VwGO).
Die Behörde dagegen kann unter Umständen sowohl ebenso die
Leistungsklage erheben als auch -- weiterhin -- einen Verwaltungsakt
nach BNatSchG erlassen (sofern der Naturschutzvertrag einen
Verwaltungsakt ersetzen sollte). Der Abschluss eines
Naturschutzvertrages hebt das Recht der Behörde auf Erlass eines
Verwaltungsaktes nicht auf. Andernfalls könnte sich eine
Behörde selbst entpflichten.
Gegen einen Verwaltungsakt der Behörde kann der betroffene Bürger die Anfechtungsklage erheben.
Hat eine Naturschutzvereinigung bezüglich der Verträge Rechte?
Nein. Naturschutzvereinigungen haben diesbezüglich keine Rechte (§§ 63, 64 BNatSchG).
VII. Schutz durch Gesetz -- Gesetzliche Eingriffsregelungen
Das
BNatSchG sieht zuerst die Planung der Natur sowie behördliche
Eingriffe vor. Wird die Natur zerstört oder beeinträchtigt,
kommen das Strafrecht und das Ordnungswidrigkeitsrecht zum Zuge.
1. Naturschutzfachliche, landschaftspflegerische Planung
Am
Anfang steht die Planung. Naturschutz ist ein Stück weit Planung.
Schutz bedeutet Pflege, Entwicklung, Bewahren, Wiederherstellen. Nach § 8 BNatSchG werden die
Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege „als Grundlage
vorsorgenden Handelns im Rahmen der Landschaftsplanung
überörtlich und örtlich konkretisiert und die
Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele
dargestellt und begründet." Die Landschaft muss vorsorgend geplant
werden. Die (Fach-)Planung dient der Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes. Sie zielt auf nachhaltige Entwicklungen in der Natur.
Der
Begriff Landschaftsplanung beschränkt sich nicht auf Landschaften
zwischen Wäldern, sondern umfasst den kompletten Naturschutz und
die komplette Landschaftspflege. Er zielt auf die mittel- und
langfristige Verbesserung der Zustände in der Natur. Die
Landschaftsplanung (Vorstellungen, Ziele) wird in
Landschaftsprogrammen, Landschaftsrahmenplänen,
Landschaftsplänen sowie Grünordnungsplänen dargestellt (§ 9 Abs. 2 BNatSchG).
(Landschafts-)Planung
bedeutet konkret das Aufzeigen von Handlungsbedarf (Ist-Zustand) und
möglichen Mitteln (Maßnahmen) zur Zielerreichung. Die Natur
vor Ort muss beschrieben werden in Bezug auf die abiotischen Faktoren
Boden, Wasser, Luft und Temperatur/Klima und in Bezug auf die
biotischen Faktoren Tierarten und Pflanzenarten und deren
Entwicklungen. Sodann muss der angestrebte Soll-Zustand formuliert
werden. Dabei sind künftige natürliche Entwicklungen wie der
Klimawandel einzubeziehen. Die Details stehen in § 9 Abs. 3
BNatSchG.
Soll
in der Natur ein Bauvorhaben realisiert werden, läuft diese
Landschaftsplanung auf eine Art Umweltverträglichkeitsprüfung
hinaus. Zusätzlich aber soll die Landschaftsplanung der
Erarbeitung eines Maßnahmenkonzepts dienen. Es geht also nicht
bloß um ein einzelnes Bauvorhaben, sondern um alle Beziehungen
aller Akteure (Unternehmen, Bevölkerung) untereinander. So die
Theorie.
Treten "wesentliche Veränderungen von Natur
und Landschaft im Planungsraum" ein, ist der Landschaftsplan
"fortzuschreiben" (§ 9 Abs. 4 BNatSchG). Wesentliche
Veränderungen sind insbesondere Verschlechterungen des Naturzustands. Diese gilt es sodann, aufzufangen.
Die Ziele der naturschutzrechtlichen Planung stehen in § 1 BNatSchG. Es geht um die dauerhafte Sicherung von 1. der biologischen
Vielfalt, 2. der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und 3. der
Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswerteigenschaft von Natur und
Landschaft.
Die Details zu Ziffer 1. stehen in § 1 Abs. 2, die Details zu
Ziffer 2. in § 1 Abs. 3, die Details zu Ziffer 3. in § 1 Abs.
4 BNatSchG.
Nach
§ 1 Abs. 5 BNatSchG sind großflächige, weitgehend
unzerschnittene Landschaftsräume vor weiterer Zerschneidung zu
bewahren." Der Bau einer Autobahn oder einer Eisenbahnstrecke kann die
Naturräume in diesem Sinne zerschneiden.
"Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich einschließlich ihrer
Bestandteile, wie Parkanlagen, großflächige Grünanlagen und Grünzüge,
Wälder und Waldränder, Bäume und Gehölzstrukturen, Fluss- und Bachläufe
mit ihren Uferzonen und Auenbereichen, stehende Gewässer,
Naturerfahrungsräume sowie gartenbau- und landwirtschaftlich genutzte
Flächen, sind zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße
vorhanden sind, neu zu schaffen" (§ 1 Abs. 6 BNatSchG).
Auf der überörtlichen Ebene findet die Planung in Gestalt von Landschaftsprogrammen
(für das gesamte Staatsgebiet) und in Landschaftsrahmenplänen
(für Teile eines Bundeslandes) statt. Auf der örtlichen
Ebene sind es die Planungen in den Landschaftsplänen (für die
gesamte Gemeinde) und in den Grünordnungsplänen (für
Teile der Gemeinde); im Ergebnis § 9 Abs. 2 BNatSchG.
Der jeweils zuerst genannte Plan ist, sofern er existiert, vorrangig
gegenüber dem als Zweites genannten Plan. Für Stadtstaaten
gilt ergänzend § 11 Abs. 4 BNatSchG.
Die
Landschaftsplanung steht neben der Raumplanung im Sinne des
Raumordnungsrechts nach dem Raumordnungsgesetz (ROG). Sie ist
naturschutzrechtliche Fachplanung und muss in anderen Planverfahren
berücksichtigt werden. Hierfür muss sie inhaltlich so
durchgeführt werden, dass deren Bestandsaufnahmen und Ergebnisse
in den anderen Verfahren leicht verwendet werden können (§ 9 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 BNatSchG).
Deshalb entspricht auf Landesebene das Landschaftsprogramm formell dem
landesweiten Raumordnungsplan, und der Landschaftsrahmenplan entspricht
dem Regionalplan i.S.d. ROG. Auf Gemeindeebene steht der
Landschaftsplan dem Flächennutzungsplan gegenüber, und der
Grünordnungsplan passt zum Bebauungsplan. Es fehlt lediglich ein
Entsprechendes auf der Bundesebene. Diesbezüglich gibt es nur das
ROG, kein bundeseinheitliches Landschaftsprogramm. Deutschland plant
die Natur nicht auf Bundesebene; vgl. Art. 20a GG. Dort fehlt der
Naturschutz, anders als der Tierschutz. Die Landschaftspläne
richten sich nach Landesrecht und sollen die Ziele der entsprechenden
Raumordnung beachten (§ 10 Abs. 1, Abs. 4 BNatSchG). Bezüglich der Kommunalebene gilt Entsprechendes nach § 11 BNatSchG.
Der
Inhalt der Landschaftspläne usw. ist nach § 9 Abs. 3 BNatSchG
vorgegeben. Diese werden durch landesrechtliche Vorgaben ergänzt
(z.B. § 6 Hessisches HAGBNatSchG). Die Pläne geben nur
Informationen, Ziele und Maßnahmen preis. Sie begründen
keine Rechtsansprüche zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen.
Die planaufstellende Behörde ist an die Pläne anderer
Planerstellungsbehörden gebunden. Eine gerichtliche Anfechtung von
Landschaftsplänen ist zumeist nur im Rahmen eines Verfahrens gegen
Entscheidungen auf der Grundlage dieser Pläne möglich, d.h.
erst dann. Werden die Informationen, die im Landschaftsplan stehen, von
der anderen, weiteren Behörde nicht beachtet, liegt nicht selten
ein Abwägungsmangel vor, der dazu führen kann, dass die
Entscheidung, welche getroffen wird, rechtswidrig ist. Ein gewisser,
indirekter Rechtsschutz also ist möglich.
Für konkrete Umsetzungen sind beispielsweise die
Bauaufsichtsbehörde (bzgl. bebaute Flächen), die
Wasserbehörde (bzgl. Renaturierung von Flussläufen) oder die
Forstbehörde (bzgl. Waldfestlegungen) zuständig (vgl. §
179 BauGB, § 3 Abs. 3 BNatSchG, § 14 HessWaldG).
Von den Landschaftsplänen im rechtlichen Sinne unmittelbar
betroffen sind Menschen nur selten. Gelegentlich jedoch stehen dort
konkrete Rechte und Pflichten bzw. Gebote und Verbote. In einem solchen
Fall kann der Betroffene unter Umständen die Befreiung von den
Verpflichtungen beantragen (§ 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNatSchG).
2. Schutz durch Strafrecht
Strafrechtliche Kernvorschrift ist § 329 Absatz 3 bzw. Absatz 4
Strafgesetzbuch (StGB). Die Absätze 5 und 6 modifizieren den
Strafrahmen. Die Vorschrift § 329 StGB lautet:
§ 329 StGB: "(3) Wer entgegen einer zum Schutz eines
Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig
sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks erlassenen
Rechtsvorschrift oder vollziehbaren Untersagung
1. Bodenschätze oder andere Bodenbestandteile abbaut oder gewinnt,
2. Abgrabungen oder Aufschüttungen vornimmt,
3. Gewässer schafft, verändert oder beseitigt,
4. Moore, Sümpfe, Brüche oder sonstige Feuchtgebiete entwässert,
5. Wald rodet,
6. Tiere einer im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes besonders
geschützten Art tötet, fängt, diesen nachstellt oder
deren Gelege ganz oder teilweise zerstört oder entfernt,
7. Pflanzen einer im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes besonders geschützten Art beschädigt oder entfernt oder
8. ein Gebäude errichtet
und dadurch den jeweiligen Schutzzweck nicht unerheblich
beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten in einem
Natura 2000-Gebiet einen für die Erhaltungsziele oder den
Schutzzweck dieses Gebietes maßgeblichen
1. Lebensraum einer Art, die in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der
Richtlinie 2009/147/EG … über die Erhaltung der
wildlebenden Vogelarten (…) oder in Anhang II der Richtlinie
92/43/EWG … zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (…), …,
aufgeführt ist, oder
2. natürlichen Lebensraumtyp, der in Anhang I der Richtlinie
92/43/EWG … zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (…), die zuletzt durch
die Richtlinie 2013/17/EU (…) geändert worden ist,
aufgeführt ist,
erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe
1. in den Fällen der Absätze 1 und 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe,
2. in den Fällen des Absatzes 3 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(6) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4
leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe."
Weitere Strafvorschriften sind § 71 BNatSchG und § 71a BNatSchG. § 71 BNatSchG lautet:
§ 71 BNatSchG: "(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in
1. § 69 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, Nummer 2, 3 oder Nummer 4 Buchstabe a,
2. § 69 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b oder Nummer 4 Buchstabe b oder
3. § 69 Absatz 3 Nummer 21, Absatz 4 Nummer 1 oder Absatz 5
bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht, die sich auf ein Tier
oder eine Pflanze einer streng geschützten Art bezieht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer entgegen Artikel 8 Absatz 1 der
Verordnung (EG) Nr. 338/97 … über den Schutz von Exemplaren
wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels
(…), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 398/2009
(…) geändert worden ist, ein Exemplar einer in Anhang A
genannten Art
1. verkauft, kauft, zum Verkauf oder Kauf anbietet oder zu Verkaufszwecken vorrätig hält oder befördert oder
2. zu kommerziellen Zwecken erwirbt, zur Schau stellt oder verwendet.
(3) Wer in den Fällen der Absätze 1 oder 2 die Tat gewerbs-
oder gewohnheitsmäßig begeht, wird mit Freiheitsstrafe von
drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Erkennt der Täter in den Fällen der Absätze 1 oder 2
fahrlässig nicht, dass sich die Handlung auf ein Tier oder eine
Pflanze einer dort genannten Art bezieht, so ist die Strafe
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2
leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder
Geldstrafe.
(6) Die Tat ist nicht nach Absatz 5 strafbar, wenn die Handlung eine
unerhebliche Menge der Exemplare betrifft und unerhebliche Auswirkungen
auf den Erhaltungszustand der Art hat."
§ 71a BNatSchG bezieht sich vornehmlich auf die Verstöße gegen § 44 BNatSchG
(Störung oder Tötung von Exemplaren besonders
geschützter Tierarten) und enthält ebenso lange Verweisketten
von einem Paragrafen auf den nächsten Paragrafen. Allein schon
diese Verweisketten sind zur Herstellung von Rechtsklarheit
abträglich. Der "Normalbürger" hat kaum eine Chance,
nachvollziehen zu können, was nun strafrechtlich verboten ist und
was nicht.
Das Naturschutzstrafrecht als Teil des Umweltstrafrechts geht von einem Dogma aus, und zwar von dem Grundsatz der sog. Verwaltungsakzessorietät.
Das heißt: Ein Bürger, der gegen eine Strafvorschrift (hier
§ 329 StGB oder § 71 oder § 71a BNatSchG)
verstößt und sich hierfür auf einen zu seinen Gunsten
erlassenen Verwaltungsakt (begünstigenden Verwaltungsakt) berufen kann, kann sich auf einen Rechtfertigungsgrund
stützen. Ein nicht ganz reales Beispiel: Die zuständige
Behörde entscheidet, dass der Braunbär "Bruno" (im Jahre
2006) abgeschossen werden darf und berechtigt per Verwaltungsakt den
Jäger J, den Bären zu erlegen. Der Jäger J schießt
und trifft. Gesetzt den Fall, dass die Behörde die
Abschussgenehmigung (§ 45 BNatSchG) zu Unrecht erteilt und dem
Jäger J deshalb zu Unrecht berechtigt hat, hat der J gleichwohl
keine Straftat (z.B. nach § 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB in einem
Naturschutzgebiet oder Ordnungswidrigkeit nach § 69 Abs. 2 Nr. 1
BNatSchG außerhalb eines Naturschutzgebiets) begangen. Denn die
behördliche Entscheidung entlastet ihn. Der Bürger muss sich
darauf verlassen können, dass der Staat, der ihm etwas erlaubt,
nicht hinterher sagt, dass das Handeln nach dieser Erlaubnis
strafrechtlich verboten ist.
Dies
gilt nach überwiegender Meinung in der Fachliteratur auch für
den Fall, dass die Berechtigung (d.h. Genehmigung etc.) erschlichen
worden ist und es um eine Straftat nach nur §§ 71, 71a
BNatSchG geht. § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB heißt: Eine
Genehmigung etc. gilt auch dann nicht als gegeben, wenn vorliegt: "ein
Handeln auf Grund einer durch Drohung, Bestechung oder Kollusion
erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben
erschlichenen Genehmigung, Planfeststellung oder sonstigen Zulassung."
Die Juristen streiten sich...
Dass oder ob dies auch in einem Fall gilt, in welchem ein den Bürger belastender
Verwaltungsakt ergangen ist, ist umstritten. Doch der BGH hält die
Strafbarkeit dann für stets gegeben. Das heißt: Wird der
Bürger von der Behörde zu etwas verpflichtet, was
rechtswidrig ist, und ist die Behördenentscheidung
falsch/rechtswidrig, dann geht der Bürger nicht straffrei aus. In
einem solchen Fall darf er dem Staat nicht
vertrauen!? Die Bürger haben hier schlechte Karten. Immerhin
kann/könnte das Ermittlungsverfahren dann sicherlich wegen
geringer Schuld eingestellt werden.
Ein
anderes, zweites Praxisproblem für den Mandanten besteht darin,
dass die Rechtsbegriffe des Strafrechts und des
Ordnungswidrigkeitsrechts inhaltlich trotz derselben Vokabel nicht
immer identisch sind mit den Vokabeln des Verwaltungsrechts
(Naturschutzrechts). Es bedarf also teils der juristischen
Überprüfung, ob dieselben Begriffe das Gleiche oder aber
Verschiedenes meinen. Einige Begriffe des Strafrechts sind in § 330d StGB definiert.
Es empfiehlt sich, in Fällen mit unklarer Rechtslage vor Begehung der "Tat" einen Rechtsanwalt
hinzuzuziehen und die Rechtslage detailliert überprüfen zu
lassen. Denn auch gut begründete anwaltliche Auskünfte im
Voraus können als Rechtfertigungsgrund
herangezogen werden. Das Naturschutzstrafrecht gehört zu den
komplizierten Rechtsmaterien des Strafrechts. Ein "Huschhusch" an
Auskunft verbietet sich.
Die Straftaten in Stichworten sind unter anderem:
-
In Naturschutzgebieten: Abgrabungen, Bodenschätze-Gewinnung,
Gewässerveränderung, Waldrodung, Fangen besonders
geschützter Tierarten, Entfernen besonders geschützter
Pflanzenarten, Errichten von Gebäuden u.a.; § 329 Abs. 3
StGB. Es handelt sich um Unternehmer-Strafrecht.
- Erhebliche Störungen streng
geschützter Tierarten; § 71 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 BNatSchG.
Einschließlich der Entwicklungsformen wie Kaulquappen; § 71
i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG. Rechtfertigung:
landwirtschaftliches Handeln; § 44 Abs. 4 ff. BNatSchG, und
sozialadäquates/typisches Verhalten mittels Industrieanlagen (z.B.
Windkraftanlagen mit Milan-Tötungen).
-
Entnahme, Beschädigung, Zerstörung einer wild lebenden
Pflanze einer streng geschützten Art; § 71 Abs. 1 Nr. 1, Nr.
2 BNatSchG. Unglücklich, wer in der Natur Blumen pflückt und
nicht weiß, dass diese streng geschützt sind. Eltern
"haften" für ihre Kinder... Allerdings: Die bloß leichtfertige Tat ist privilegiert; das Strafmaß ist deutlich niedriger oder die Tat ist straffrei; § 71 Abs. 5, Abs. 6 BNatSchG.
- Kauf oder Verkauf oder sonstiger Handel streng geschützter Arten; § 71 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 21 BNatSchG: Vermarktungsverbot. Erhöhtes Strafmaß bei Gewerbebetrieb; § 71 Abs. 3 BNatSchG.
- Besitz einer streng geschützten Tier- oder Pflanzenart; § 71a Abs. 1 Nr. 2 lit. a BNatSchG.
- Erhebliche Störungen besonders
geschützter Tierarten; § 71a Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a BNatSchG.
Einschließlich der Entwicklungsformen wie Kaulquappen.
Rechtfertigung: landwirtschaftliches Handeln; § 44 Abs. 4 ff.
BNatSchG, und sozialadäquates/typisches Verhalten mittels
Industrieanlagen (z.B. Windkraftanlagen mit Milan-Tötungen). Auch
hier gibt es bei leichtfertiger Tat Privilegien; § 71a Abs.
4, Abs. 5 BNatSchG.
- Besitz einer (bestimmten) besonders geschützten Vogelart; § 71a Abs. 1 Nr. 2 lit. b BNatSchG.
Wer einen Tier- oder Pflanzenhandel betreibt, begeht unter
Umständen noch andere Straftaten, etwa Urkundenfälschungen
oder im Vorfeld gar Wilderei. Es gibt mehrere
Begleitumstände-Straftaten, welche in Frage kommen.
Die
Kanzlei Wüstenberg ist ausschließlich für die
Verteidigung zu haben. Wer einen anderen anschwärzen und eine
Strafanzeige abgeben möchte, sollte sich einen anderen
Rechtsanwalt suchen. Die meisten Ermittlungsverfahren werden, sobald
Fristen verstrichen oder Rechtsfragen eröffnet sind, ganz oder
wegen Geringfügigkeit der Schuld oder mit Auflagen eingestellt
(§§ 153, 153a StPO). Naturschutzrechtliche Strafrechtsfragen sind nicht selten kompliziert. Wer einen Strafbefehl erhält (§ 407 StPO), sollte sich anwaltlich beraten lassen. Rechtsbehelfsbelehrung lesen!
Schmuggelware und andere Tat-Gegenstände können von der Behörde eingezogen werden (§ 330c StGB bzw. § 72 BNatSchG).
Tiere und Pflanzen, die eingezogen werden, werden von den Behörden
an Tierparks oder andere Tierhaltungseinrichtungen abgegeben statt
vernichtet/getötet. Ob die Einziehung im konkreten Fall
verhältnismäßig und damit zulässig ist, sollte
rechtlich überprüft werden.
3. Schutz durch Ordnungswidrigkeitstatbestände
§ 69 BNatSchG enthält den Bußgeldkatalog. In Stichworten sind dies unter anderem:
-
Einfaches Beunruhigen eines Tieres in der Natur (vorsätzliches
Aufscheuchen); § 69 Abs. 1 BNatSchG. Rechtfertigung:
landwirtschaftliches Umpflügen eines Ackers, forstwirtschaftliches
Bäumefällen.
- Erhebliche
Störungen besonders geschützter Tierarten; § 69 Abs. 2
BNatSchG. Einschließlich der Entwicklungsformen wie Kaulquappen;
§ 69 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG. Rechtfertigung: landwirtschaftliches
Handeln; § 44 Abs. 4 ff. BNatSchG, und
sozialadäquates/typisches Verhalten mittels Industrieanlagen (z.B.
Windkraftanlagen mit Milan-Tötungen). Eventuell Strafvorschrift
§ 71 BNatSchG einschlägig und dann vorrangig.
- Tierhaltung besonders geschützter Arten ohne vorherige Berechtigung hierzu; § 69 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG.
-
Fangen und vorübergehendes Besitzen einer besonders
geschützten Art ohne vorherige Berechtigung hierzu; § 69 Abs.
2 Nr. 7 BNatSchG.
-
Entnahme einer besonders geschützten Art aus der Natur ohne
vorherige Berechtigung hierzu; § 69 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG; ggf.
bei gewerblicher Entnahme auch § 69 Abs. 3 Nr. 11 BNatSchG.
- Füttern von Wölfen; § 69 Abs. 2 Nr. 5a BNatSchG.
- Störungen sonstiger Tierarten; § 69 Abs. 3 BNatSchG.
- Beschädigung einer Lebensstätte einer wild lebenden Tier-
oder Pflanzenart; § 69 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG.
- Entnahme einer wild lebenden Pflanze aus der Natur; § 69 Abs. 2 Nr. 8 BNatSchG.
-
Verstoß gegen die Veränderungsverbote in den
Naturschutzgebieten jeder Art (s. Schutzgebiete), d.h. entgegen den
Bestimmungen in den Schutzgebietsverordnungen; § 69 Abs. 3 Nr. 3
BNatSchG.
- Eingriffe in Natur und Landschaft ohne vorherige Berechtigung hierzu; § 69 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG.
- unerlaubtes Fracking; § 69 Abs. 3 Nr. 4a BNatSchG.
- Zerstörung eines Naturdenkmals; § 69 Abs. 3 Nr. 5 BNatSchG.
- erhebliche Beeinträchtigung eines Natura-2000-Gebiets; § 69 Abs. 3 Nr. 6 BNatSchG.
- Zerstörung einer Bodenfläche oder einer
Grünfläche in der Natur; § 69 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG.
- Abschneiden von Baum, Hecke, Zaun, Röhricht; § 69 Abs. 2 Nr. 13, Nr. 14 BNatSchG.
- Zerstörung eines Grabens in der Natur mit Auswirkung auf
Tier oder Pflanze; § 69 Abs. 2 Nr. 15 BNatSchG.
- Aufsuchen von Höhle, Stollen, Erdkeller o.ä. mit Ausnahmen; § 69 Abs. 2 Nr. 16 BNatSchG.
-
Aussetzen von invasiver Art, z.B. nicht-europäische Arten; §
69 Abs. 2 Nr. 17 BNatSchG, ggf. noch § 69 Abs. 6 BNatSchG.
- Kauf oder Verkauf besonders geschützter Arten; § 69 Abs. 2 Nr. 21 BNatSchG.
- Import oder Export besonders geschützter Arten; § 69 Abs. 2 Nr. 22 BNatSchG.
- Errichten oder Verändern von baulichen Anlagen an Ufern oder
Gewässern; § 69 Abs. 2 Nr. 26 BNatSchG.
- weitere Handlungen, und zwar nach dem Landesnaturschutzgesetz; § 69 Abs. 8 BNatSchG.
Zuständige
Bußgeldbehörde ist, je nach Fall, das Bundesamt für
Naturschutz, das örtliche Hauptzollamt (Zollbehörde) oder
eine nach Landesrecht bestimmte Behörde, nicht selten eine Stelle
im Regierungspräsidium des Regierungsbezirks; § 70 BNatSchG.
Im Falle des Erhalts eines Bußgeldbescheids ist die
Rechtsbehelfsbelehrung zu lesen! Ein Einspruch kann zumeist nur binnen
zwei Wochen ab Zugang des Bescheids eingelegt werden; § 67 OWiG.
Die Kanzlei Wüstenberg ist ausschließlich für die
Verteidigung zu haben. Wer einen anderen anschwärzen und eine
Anregung auf Erteilung eines Bußgeldbescheids abgeben
möchte, sollte sich einen anderen Rechtsanwalt suchen.
4. Schutz durch Behörde -- Behördliche Maßnahmen
Ein Unternehmen benötigt...
a) die behördlichen Zulassung
eines beabsichtigten Vorhabens (Projekts), wenn dieses in einem Gebiet
des Netzes Natura 2000 durchgeführt werden soll (§§ 34
bis 36 BNatSchG); s.o.
b) die behördliche Genehmigung für einen Eingriff (i.S.d. § 15 BNatSchG), welcher keiner behördlichen Zulassung (s. zuvor) oder Anzeige (s. sogleich) nach anderen Rechtsvorschriften bedarf (§ 17 Abs. 3 S. 1 BNatSchG).
Die Genehmigung ist schriftlich zu beantragen. Die Genehmigung ist zu
erteilen, wenn die Anforderungen des § 15 erfüllt sind
(§ 17 Abs. 3 S. 2, S. 3 BNatSchG). Wer keine Zulassung
benötigt, benötigt immerhin eine Genehmigung. Also entweder
Zulassung oder Genehmigung!
c) die behördliche Genehmigung für das gewerbsmäßige Entnehmen, Be- oder Verarbeiten wild lebender Pflanzen (§ 39 Abs. 4 S. 1 BNatSchG),
d) die behördliche Ausnahmegenehmigung
für einen Eingriff in das besondere Artenschutzrecht i.S.d.
§§ 44 BNatSchG (§ 45 Abs. 1 bis Abs. 7 BNatSchG).
e) die behördliche Ausnahmegenehmigung
für einen Eingriff in ein gesetzlich geschütztes Biotop wegen
des sonst geltenden Verbots i.S.d. § 30 Abs. 2 BNatSchG (§ 30
Abs. 3 BNatSchG).
f) die behördliche Ausnahmegenehmigung
für den Bau oder Ausbau eines Gebäudes in unmittelbarer Ufer-
oder Gewässernähe (§ 61 Abs. 3 S. 1 BNatSchG).
g) die behördliche Befreiung von bestimmten Geboten oder Verboten nach dem BNatSchG bzw. nach einer Rechtsverordnung aufgrund des BNatSchG.
Ein Unternehmen muss...
h) ein Vorhaben (Projekt) in einem Natura-2000-Gebiet anzeigen (Anzeige), sofern dieses nicht der Zulassung oder Genehmigung bedarf (§ 34 Abs. 6 S. 1 BNatSchG).
Die zuständige Naturschutzbehörde darf insbesondere...
a) in den obigen Genehmigungsfällen gemäß § 17 BNatSchG eine Anordnung
treffen (§ 17 Abs. 4 bis Abs. 9 BNatSchG), insbesondere auch
Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustands besonders
geschützter Arten (§ 44 BNatSchG) auferlegen (§ 44 Abs.
5 S. 3 BNatSchG).
b) in Fällen des Schädigens der Natur gemäß dem Umweltschadensgesetz eine Anordnung treffen (§ 19 Abs. 4 BNatSchG).
c)
in den Fällen einer nötigen Anzeige das Vorhaben befristen
oder beschränken (§ 34 Abs. 6 S. 2 BNatSchG) oder untersagen
(§ 34 Abs. 6 S. 5 BNatSchG) oder vorläufig einstellen(§
34 Abs. 6 S. 4 BNatSchG), sofern die Anzeige noch nicht erfolgte. Dies
gilt auch für das
Ausbringen gentechnisch veränderter Organismen (§ 35
BNatSchG).
d) im gesamten Bundesgebiet Maßnahmen zur Sicherstellung des unbeabsichtigten Tötens oder Fangens treffen (§ 38 Abs. 2 S. 2 BNatSchG).
e) eine Anordnung mit dem
Inhalt treffen, dass ungenehmigt ausgebrachte Tiere und Pflanzen oder
sich unbeabsichtigt in der freien Natur ausbreitende Pflanzen sowie
dorthin entkommene Tiere beseitigt werden, soweit es zur Abwehr einer
Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten erforderlich
ist (§ 40 Abs. 3 BNatSchG).
f) eine Anordnung
gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten,
welche eine Bewirtschaftung betreiben, durch welche sich der
Erhaltungszustand der lokalen Population einer besonders
geschützten Art (§ 44 BNatSchG) durch die Bewirtschaftung
verschlechtert, mit dem Inhalt treffen, dass bestimmte erforderliche
Bewirtschaftungsvorgaben zur Abwendung dieser Verschlechterung zu
erfüllen sind (§ 44 Abs. 4 S. 3 BNatSchG).
g) selbst oder mittels Dritter Grundstücke betreten (Zutrittsrecht; §§ 52, 65 BNatSchG).
h) eine Anordnung
über Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Gebote und
Verbote i.S.d. BNatSchG sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt
ist (Auffangtatbestand § 3 Abs. 2 BNatSchG). Hierzu zählen
insbesondere: Maßnahmen bei Verstößen gegen die
Tierhaltung, Tierzucht und den Tierhandel (§ 54 Abs. 5 BNatSchG in
Verbindung mit der Bundesartenschutzverordnung) und bei
Verstößen gegen das besondere Artenschutzrecht (§ 44
BNatSchG). Ein Beispiel: Ein Bauvorhaben war zugelassen/genehmigt
worden, und es finden sich nun Fledermäuse
in dem Gebäude ein. Die Behörde darf dann
Schutzmaßnahmen anordnen. Rechtliche Schwierigkeiten
bezüglich der Frage nach der Berechtigung der Behörde kann es
geben, wenn das Landesnaturschutzgesetz weitere Befugnisse der
Behörden vorsieht. Hier stellt sich die Frage, ob das Bundesrecht
die Rechtslage abschließend regelt oder nicht.
VIII. Naturschutz und Waldschutz
In Deutschland wachsen rund 50 Baumarten. Einige
von ihnen bilden Wälder. Es gibt Wälder im natürlichen
Sinn und Forste. Die Forste dienen der Holzproduktion für
Möbel, Papier, Versandhandel- und Umzugskartons etc. Das
Bestreben, möglichst viel Holz in möglichst kurzer Zeit zu
produzieren, führt beiläufig zum Artenschwund in den
"Wäldern", welche Forste sind.
Ein „Urwald“ enthält viel mehr Baumarten als Forste
und viel mehr das Licht liebende Tier- und Pflanzenarten. Denn ein
„Urwald“ produziert natürlich entstehende
Zusammenbrüche von Baumbeständen innerhalb seines
Ausbreitungsgebiets (Bezirks). Aufgrund des Altholzes und des Totholzes
fallen bei starkem Wind Bäume um.
In Forsten hingegen gibt es vornehmlich die Arten, die weniger Lichtung
und Licht benötigen. Es leben dort mehr die die Dunkelheit
liebenden Arten. Kahlschläge erhöhen die Biodiversität
vor Ort. Wird jedoch ein gesamter Forst "geerntet", gibt es gar keinen
Wald mehr.
Der Naturschutz vor Ort sollte das Ziel verfolgen, möglichst viel
Alt- und Totholz zu erreichen. Bäume müssen alt werden
können. Die „industriemäßige
Agrarproduktion“ dagegen ist, naturschutzfachlich gesehen,
schlecht.
Was ist ein Wald?
Der
Rechtsbegriff Wald stellt auf die tatsächlichen Verhältnisse
ab. Ein Grundstück, welches ursprünglich als eine Wiese
genutzt worden war, und dann im Laufe der Zeit verbuscht und verwaldet,
wird automatisch/sukzessive zu einem Wald. Auf rechtliche Genehmigungen
o.a. kommt es nicht an. Kraft gesetzlicher Fiktion gelten völlig
abgeholzte Waldflächen auch weiterhin als Wald. Der Wald wird dann
rechtlich nicht zur Wiese. Einer vorherigen Aufforstungsgenehmigung
bedarf es für die Waldentstehung jedenfalls nicht. Aus der Rechtsprechung:
„Wald i.S.v. § 2
LWaldG ist jede mit Forstpflanzen (Waldbäume und
Waldsträucher) bestockte Grundfläche… Als Wald gelten
auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege,
Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und
Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze sowie
Holzlagerplätze… Nicht von Bedeutung für die
Beurteilung der Waldeigenschaft sind Aspekte wie Alter, Aufbauform,
Entwicklungszustand, Funktion und Bestockungsdichte oder der (geringe)
Wert des Baumbestandes (…). Maßgebend ist dagegen, ob die
Ansammlung von Waldbäumen und -sträuchern einen
flächenhaften Eindruck vermittelt und sich dort ein
Bestandsinnenklima entwickeln kann, wobei eine Größe von 0,2
ha hierfür als Anhaltspunkt dienen kann (…). Solange der
äußere Gesamteindruck eines entstehenden oder (noch)
bestehenden Waldes anzunehmen ist und die betreffenden Waldbäume
nicht als Einzelexemplare in freier Landschaft zu betrachten sind,
liegt auch bei lichtem Bestand auf einer entsprechenden Fläche
Wald im Sinne des § 2 Abs. 1 LWaldG vor (…). Handelt es
sich dagegen um kleinere Flächen in der Flur, die (lediglich) mit
einzelnen Baumgruppen, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind, gelten
diese Flächen gemäß § 2 Abs. 4 LWaldG nicht als
Wald im Sinne des LWaldG.“ (VG Freiburg, Urteil vom 26.06.2014 – 4 K 404/14).
IX. Naturschutz und Klimaschutz
Die Biomasse, bestehend aus Pflanzen und Tieren u.a., führt auch dann, wenn Wälder und Moore aufgebaut werden, mittelfristig,
d.h. in einer Zeitspanne von ungefähr zwei tausend bis eine
Million Jahren, zu keiner Kohlenstoffdioxidbindung; denn Bäume
werden durchaus ein tausend Jahre alt und binden bis dahin CO2. Doch
dann zersetzen sie sich und setzen CO2 wieder frei. Allerdings, d.h. während der nächsten 500 Jahre, binden
sie CO2 und können auf diese Weise zur Verlangsamung des
Klimawandels während eben dieser Zeit beitragen. Auch langfristig,
d.h. in einer Zeit von über mehreren Millionen Jahren, können
sie Biomasse dauerhaft speichern. Im Idealfall entsteht Rohöl.
X. Schadensersatz wegen Naturschäden
Das Schadensersatzrecht nach den "allgemeinen" Vorschriften des BGB (z.B. § 823 BGB mit der Haftung wegen unerlaubter Handlung), des WHG (z.B. § 89 WHG mit der Haftung für Änderungen der Wasserbeschaffenheit), des GenTG (z.B. § 32 Gentechnikgesetz) oder anderer Gesetze besteht unverändert. Zusätzlich greift das Umweltschadensgesetz (USchadG).
Das USchadG schützt vor...
1.
Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen
i.S.d. § 19 Abs. 2, Abs. 3 BNatSchG, sofern der Verantwortliche
vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (§ 3 Abs. 1
Nr. 2 USchadG).
2.
Umweltschäden und unmittelbare Gefahren solcher Schäden, die
durch eine der in Anlage 1 aufgeführten beruflichen
Tätigkeiten verursacht werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG),
egal, ob der Verursacher vorsätzlich/fahrlässig oder nicht
vorsätzlich/fahrlässig gehandelt hat (also immer).
3. unmittelbaren Gefahren solcher Schäden, die durch andere
berufliche Tätigkeiten als die in Anlage 1 zum USchadG
aufgeführten Tätigkeiten verursacht werden, sofern der
Verantwortliche vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat
(§ 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG).
Der
Schutz dieses Gesetzes ist nicht etwa auf die Schutzgebiete i.S.d.
BNatSchG beschränkt, sondern gilt im gesamten Staatsgebiet. Die
Vorschriften des USchadG ergänzen insbesondere die §§ 44
ff. BNatSchG betreffend den Artenschutz und die §§ 33 ff.
BNatSchG betreffend den Schutz des Netzes Natura 2000 (also Artenschutz
und Gebietsschutz), und zwar mittels Informationspflichten und
Sanierungspflichten der i.d.R. Unternehmen.
Was ist ein Schaden i.S.d. USchadG?
Es
muss ein Umweltschaden eingetreten sein oder eintreten können. Ein
Umweltschaden ist: "a) eine Schädigung von Arten und
natürlichen Lebensräumen nach Maßgabe des § 19 des
Bundesnaturschutzgesetzes [Verweis auf BNatSchG],
b) eine Schädigung der Gewässer nach Maßgabe des §
90 des Wasserhaushaltsgesetzes, c) eine Schädigung des Bodens
durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen im Sinn des §
2 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes, die durch eine direkte oder
indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder
Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und
Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht" (§ 2 Nr.
1 USchadG).
Ein
Schaden ist ein "Schaden oder Schädigung: eine direkt oder
indirekt eintretende feststellbare nachteilige Veränderung einer
natürlichen Ressource (Arten und natürliche Lebensräume,
Gewässer und Boden) oder Beeinträchtigung der Funktion einer
natürlichen Ressource" (§ 2 Nr. 2 USchadG).
§ 3
Abs. 1 USchadG bezieht sich auf Umweltschäden. Umweltschäden
werden in § 2 Nr. 1 USchadG definiert (s. zuvor). § 19 Abs. 1
S. 1 BNatSchG, auf welchen in § 2 Nr. 1 Buchstabe a) USchadG verwiesen
wird, definiert: "Eine Schädigung von Arten und natürlichen
Lebensräumen im Sinne des Umweltschadensgesetzes ist jeder
Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung
oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser
Lebensräume oder Arten hat." (Biodiversitätsschaden). Der
Schadenseintritt kann im gesamten Staatsgebiet eintreten, also nicht
bloß in einem Schutzgebiet innerhalb des Netzes Natura 2000! In
diesen spezielleren Fällen (Biodiversitätsschadensfall)
muss die Erheblichkeit der nachteiligen Auswirkungen festgestellt
werden. Die Beweislast hierfür trägt der Gläubiger, also
Behörde bzw. mittelbar die Naturschutzvereinigung.
Für welche Schadensverursachungen gilt das USchadG nicht?
Das USchadG gilt nicht in Fällen des § 3 Abs. 3 USchadG.
Darunter fallen Schäden aufgrund eines
außergewöhnlichen, unabwendbaren und nicht beeinflussbaren
Naturereignisses (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 USchadG). Die
Sturzflutkatastrophe im Ahrtal 2021 könnte als ein solches
unabwendbares Naturereignis definiert werden. Dann würden
Schäden durch z.B. Ölfässer, deren Öl in die Natur
fließt, keine Schadensersatzansprüche auslösen.
Zudem ist die Schadenshaftung in den Fällen der Biodiversitätsschäden
ausgeschlossen nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNatSchG: "Abweichend von
Satz 1 liegt keine Schädigung vor bei zuvor ermittelten
nachteiligen Auswirkungen von Tätigkeiten einer verantwortlichen
Person, die von der zuständigen Behörde nach den §§
34, 35, 45 Absatz 7 oder § 67 Absatz 2 oder, wenn eine solche
Prüfung nicht erforderlich ist, nach § 15 oder auf Grund der
Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 30 oder § 33 des
Baugesetzbuches genehmigt wurden oder zulässig sind." Der
eingetretene Schaden gilt hiernach nicht als Schaden.
Wer kann in Anspruch genommen werden?
Unter anderem alle natürlichen oder juristischen Personen, die beruflich handeln (§ 2 Nr. 3 USchadG). Also alle Unternehmen. Es haften nur die Handelnden, die Handlungsstörer.
Für was kann eine Person (Unternehmen) in Anspruch genommen werden?
Nach § 2 Nr. 3 USchadG nur für Schäden, welche durch Handlungen verursacht wurden, die "dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare
Gefahr eines solchen Schadens verursacht" haben (§ 2 Nr. 3
USchadG). Es muss eine gewisse Ursächlichkeit festgestellt werden
können. Es handelt sich um Handlungen in der Natur. Nicht gemeint
sind Handlungen am Schreibtisch wie -- auf Seiten der Behörde --
das Ausstellen einer Zulassung oder Genehmigung oder Befreiung. Bei
Handlungen durch ein anderes Unternehmen als das eigene, stellt sich
die Frage, ob nur das andere oder auch das eigene Unternehmen kausal
tätig war.
Was sind Vorsatz und Fahrlässigkeit?
Es
gilt die Definition i.S.d. Zivilrechts. Vorsatz gleich Wissen und
Wollen der Tat (Definition kraft Rechtsprechung). Fahrlässigkeit
gleich Nichtbeachten der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB).
Wie wird der Schädiger in Anspruch genommen?
Es gelten die §§ 4 bis 6 USchadG: Informationspflichten nach § 4 USchadG, Gefahrenabwehrpflicht nach § 5 USchadG, Sanierungspflicht nach § 6 USchadG, ergänzend die Kostentragungspflicht nach § 9 USchadG
hierfür (z.B. Kosten für Gutachten und Beseitigung der
Schäden; ähnlich Bundesbodenschutzgesetz bzgl.
Altlastensanierungen).
Was darf die zuständige Behörde (z.B. Ordnungsbehörde) anordnen?
Die Behörde darf besondere Sanierungsmaßnahmen anordnen (§ 8 USchadG) und Vermeidungsmaßnahmen und Schadensbegrenzungsmaßnahmen und allgemeine Sanierungsmaßnahmen anordnen (§ 7 Abs. 1 USchadG).
Der Behörde steht ein Entscheidungsspielraum zu (§ 7 Abs. 2
USchadG: "kann"). Die Behörde ist zur Überwachung und zur
Durchsetzung der nach dem USchadG bestehenden Verpflichtungen seitens
der Unternehmen usw. verpflichtet (§ 10 Abs. 1 USchadG).
Wie steht es um die Praxisrelevanz?
Das
USchadG wird nur selten angewandt. Meistens erlangt die Behörde
zwar Kenntnis von Schaden, nicht jedoch auch Kenntnis vom Täter.
Doch die Bedeutung des USchadG nimmt kontinuierlich -- auf niedrigem
Niveau -- zu.
XI. Rechtsschutz
Naturschutzvereinigungen
haben Rechte aus § 63 (Beteiligungsrechte) oder § 64 BNatSchG i.V.m. UmwRG (Klagerechte). Die
Klagebefugnis von Naturschutzvereinigungen gegen Ausnahmegenehmigungen
i.S.d. § 45 Abs. 7 BNatSchG ist inzwischen anerkannt (OVG Lüneburg,
Beschluss vom 26.06.2020 -- 4 ME 97/20 oder auch 4 ME 116/20 --
bezüglich des Wolfsschutzes). Hinzu kommen die Rechte der Naturschutzvereinigungen aus § 10 USchadG (Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen) und § 11 Abs. 2 USchadG i.V.m. UmwRG (Klagerecht).
Unternehmen
haben die Möglichkeit, anlässlich eines Verwaltungsakts der
Behörde
eine Anfechtungsklage oder anlässlich der Verweigerung seitens der
Behörde eine Verpflichtungsklage nach § 42 VwGO einzureichen.
Es gilt
insoweit das Recht der VwGO in Verbindung mit dem Landesrecht (AGVwGO).
In Niedersachsen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Rheinland-Pfalz wird
gegen einen naturschutzrechtlichen Bescheid das
Widerspruchsverfahren/Vorverfahren durchgeführt. In Bayern und in
Hessen muss sogleich das Klageverfahren durchgeführt werden, weil
das Vorverfahren/Widerspruchsverfahren dort entfällt.
Links:
Die Aarhus-Konvention (Gesetzestext
oder Gesetzestext) verleiht den Naturschutzvereinigungen das Recht, gegen
behördliche Entscheidungen vorzugehen (Art. 9 Abs. 3 AK).
Liste der vom Umweltbundesamt nach UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigungen (Stand: 01. Oktober 2024).
Liste Schleswig-Holstein Naturschutzvereinigungen (Stand Oktober 2022).
Europäische Kommission (EU-Kommission), Info-Seite "Beschwerde", Beschwerdeformular.
EU-Vogelschutzrichtlinie RL 79/409/EWG (Text).
EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie FFH-RL 92/43/EWG (Text).
FFH-Schutzgebiete in Deutschland; Überblick auf Wikipedia.
Gebiete Natura 2000 = im Sinne des § 21 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG.
Waldbericht 2021 Bund
Waldschutzbericht 2021 Hessen
Deutscher Naturschutzrechtstag e.V. (DNRT)
Neues aus dem Europäischen Parlament (News EU I)
Neues aus der Europäischen Kommission (News EU II)
Ökopunkte:
Gewerbliche Ökokontobetreiber -- Listen. Baden-Württenberg, Bayern,
Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen.
Wolfsverordnungen:
Sächsische Wolfsmanagementverordnung 2019 (SächsWolfMVO).
Brandenburgische Wolfsverordnung 2022 (BbgWolfVO).
Brandenburgische Wolfsverordnung 2018 (alt).
Bayerische Wolfsverordnung 2023 (BayWolfV).
In Niedersachsen: § 28b NJagdG 2022.
Niedersächsische Wolfsverordnung 2022 (alt).
Wolfsmonitoring Niedersachsen (Wolfsmonitoring).
Jagdgesetze:
BJagdG
Baden-Württemberg: JWMG BW.
Bayern: BayJG und AVBayJG.
Berlin: LJagdG Bln und JagdA/ZV Bln.
Brandenburg: BbgJagdG und BbgJagdDV.
Bremen: BremLJagdG und BremJagdzeitenVO.
Hamburg: LJagdG HA und JagdRglV HA.
Hessen: HJagdG und HJagdV.
Mecklenburg-Vorpommern: LJagdG M-V und JagdZVO M-V.
Niedersachsen: NJagdG und DVO-NJagdG.
Nordrhein-Westfalen: LJG NRW und LJZeitVO NRW.
Rheinland-Pfalz: LJG RP und LJVO RP.
Saarland: SJG und DV-SJG.
Sachsen: SächsJagdG und SächsJagdVO.
Sachsen-Anhalt: LJagdG SA und LJagdG-DVO SA.
Schleswig-Holstein: LJagdG SH und JagdZV SH.
Thüringen: ThJG und ThürJZVO.
Die Abkürzung "LJG" steht für Landesjagdgesetz. "DV" und "DVO" bedeuten Durchführungsverordnung.
Literatur:
EU-Kommission,
Leitfaden „Natura 2000–Gebietsmanagement – Die
Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG“, 2019
(Stand 21.11.2018) (Link).
EU-Kommission, Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten
von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG
(Stand Februar 2007) (Link).
Frey, Andreas, „Dürre wird Normalzustand: Deutschland trocknet aus“, in: faz.net vom 18.07.2022 (Artikel).
Hessen rief, wie fast alle anderen Länder auch, am z.B. 18.07.2022
die zweithöchste Alarmstufe bzgl. Waldbrandgefahr aus
(hessenschau.de vom 18.07.2022 (Artikel).
Weltweiter Geburtenrückgang bis 2100? Zeit vom 21.03.2024.
Offenbach am Main, 30.10.2024
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