W
ÜSTENBERG

Kanzlei für Umweltrecht, Wärmerecht, Fischereirecht




 START
 ANWALT
 LEISTUNGEN
 HONORAR
PUBLIKATIONEN
 IMPRESSUM
 
 
 Fernwärmerecht  
Heizungsgesetz  
 Wärmeplanung   
Gebäude-Elektromobilität    






Fernwärmerecht
 

 
 
 
Wärmeversorgung in den Städten
Die Städte und Gemeinden sollten die etwaig vorhandene Fernwärmeversorgung ausbauen zwecks Gesundheitsschutz, Klimaschutz und Schutz der Bevölkerung vor ausländischer Einflussnahme (nationale Versorgungsunabhängigkeit). In insbesondere Norddeutschland gibt es noch viel zu viele Gasheizungen und Kaminöfen. Menschen, welche Gasheizungen haben, kaufen, hacken und verbrennen zusätzlich noch immerzu Holz. Dabei sind die Kaminöfen mit ihren Rußpartikeln gesundheitsschädigend. Bei Kälte, Nebel und Windstille fallen in der unmittelbaren Umgebung der Häuser Mikropartikel auf die Straßen herab, wo der Mensch diese als Abgase einatmet.
Ein rechtliches Problemfeld allerdings ist der Anschluss- und Benutzungszwang.
 
 
Fernwärmenetz:
Fernwärme ist die zentrale Wärmeversorgung von Gebäuden verschiedener Grundstückseigentümer aus einem Heizkraftwerk oder einem Heizwerk. Es gibt Fernwärmenetze und Nahwärmenetze.
In den meisten Fällen ist der Träger der Wärme das Heißwasser. Dieses wird im Kraftwerk hergestellt (Erhitzen von Wasser) und mittels einer sog. Vorlaufleitung in die Gebäudeeinheiten geschickt und anschließend über die Rücklaufleitung wieder zurück zum Kraftwerk. Es handelt sich beim Fernwärmenetz (zumeist) um ein sog. Zweileiternetz aus erdverlegten Kunststoffmantelrohren (zumeist aus Polyurethan). Diese Rohre gibt es erst seit den 1970er Jahren. Die Vorlauftemperaturen liegen zwischen 70 °C und 130 °C.
Entsprechendes gilt für den Fernkältekreislauf.
 
a) Strom-Wärme-Kraftwerk
Die sog. Kraft-Wärme-Koppelung ist ein etwas irritierender Begriff. Kraftwerke produzieren Strom und Wärme. es gibt physikalisch-chemisch drei Kreisläufe (Kreisprozesse): a) den Wärmekreisprozess, b) den Wärmekraftkreisprozess und c) den Kraft-Wärme-Kreisprozess.
Beim Wärmekreisprozess wird nur Wärme produziert, kein Strom. Die produzierte Wärme in Gestalt von Heißwasser kann zum Heizen von Räumen oder Heizen/Laufen von industriellen Prozessen verwendet werden. Von 100 % produzierter Energie bleiben etwa 88 % als Wärme übrig. Rund 12 % gehen als Energieverlust ab (etwa in Form von Rauch). Strom wird nicht produziert.
Beim Wärmekraftkreisprozess werden etwa 42 % Strom und 0 % Wärme produziert, und der Betrag an Verlustenergie beträgt etwa 58 %.
Beim Kraft-Wärme-Kreisprozess (Strom-Wärme-Kraftwerk) werden Strom (etwa 32 %) und Wärme (etwa 56 %), zusammen 88 % Nutzungsenergie produziert. Die Verlustenergie beträgt 12 %.
Am effektivsten sind, was die Vermeidung von Energieverlusten betrifft, der Wärmekreisprozess (Strom 0 %) und der Kraft-Wärme-Kreisprozess (Strom 42 %). Weil die Wirtschaft und die Privathaushalte Strom und Wärme benötigen, wird der Kraft-Wärme-Kreisprozess (Strom-Wärme-Kraftwerk) bevorzugt. Dieses System ist ökonomisch am sinnvollsten. Die Strom- und die Wärmeerzeugung werden hier gekoppelt.
Weil der Energieverbrauch der Haushalte und Unternehmen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich hoch ist, wird an das Strom-Wärme-Kraftwerk (Kraft-Wärme-Kraftwerk) noch ein sog. Spitzenlastkessel samt Wärmespeicher und eventuell Hilfskondensator angeschlossen. Auf diese Weise wird überschüssig produzierte Energie (Wärme) zwischengespeichert, bis die Nachfrage wieder zunimmt und die Wärme (in Form von Heißwasser) an den Kunden abgegeben werden kann. Diese Art der Energiespeicherung ist physikalisch-chemisch an sich unnötig. Allerdings führt sie zu Kosteneinsparungen auf Seiten des Kraftwerkbetreibers.
 
b)
Hausanlage
Das Fernwärmenetz endet beim Verbraucher an der Hausübergabestation. Von dieser aus gehen die Hausanschlussleitung und die Hausverteilung ab. Die Hausübergabe kann direkt (Wärmenetz und Hausnetz nicht getrennt) oder indirekt (Wärmenetz und Hausnetz getrennt) eingerichtet sein.
 
 
Benutzungs- und Anschlusszwang:
Kommunen dürfen in ihren Satzungen den Benutzungs- und Anschlusszwang betreffend das kommunale Fernwärmenetz bestimmen. Beispiel: die Stadt Rostock (Info-Seite der Stadt). Die Stadt Rostock hat die „Satzung über die öffentliche Versorgung mit Fernwärme in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock (Fernwärmesatzung)“ vom 17.02.2021 erlassen. Die Satzung beruht auf den §§ 5, 15 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Kommunalverfassung - KV M-V) vom 13.07.2011 sowie auf § 109 GEG vom 13.08.2020.
Die Vorschrift § 5 KV M-V ist Ausdruck des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 GG. Die kommunale Selbstverwaltung geschieht unter anderem durch den Erlass eigener Satzungen. § 15 Abs. 1 Satz 1 KV M-V ermöglicht den Anschluss- und Benutzungszwang. Der Zweck des Zwanges muss die Förderung oder Befriedigung eines „dringenden öffentlichen Bedürfnisses“ sein; § 15 Abs. 1 Satz 1 KV M-V. Als ein Beispiel hierfür ist „die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung“ genannt; § 15 Abs. 1 Satz 2 KV M-V. Dieser Zweck darf jedoch nicht der alleinige sein.
Die Vorschrift § 109 GEG legitimiert die Gemeinde zum Erlass „eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung“ „zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes“. Die Bekämpfung des durch den Menschen verursachten Anteils am globalen Klimawandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Umsetzungserfolg von vielen Akteuren, insbesondere von den Kommunen und Bürgern, abhängt.
§ 15 Abs. 1 Satz 1 KV M-V ermöglicht die Festsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs aufgrund Festsetzungsgründe, § 109 GEG dieselbe aufgrund der örtlicherüberörtlichen Festsetzungsgründe Klimaschutz und Ressourcenschutz. Die Stadt Rostock beruft sich auf örtliche und auf überörtliche Festsetzungsgründe. § 5 Rostocker Fernwärmesatzung regelt den Anschluss- und Benutzungszwang. § 6 Rostocker Fernwärmesatzung regelt die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.
 
 
Nutzungsentgelte:
Der Wärmeverbrauch wird in Deutschland verbrauchsabhängig abgerechnet. Die Kosteneffizienz auf Seiten des Kraftwerkbetreibers ist rechtlich geboten. Der Wärmeerzeuger soll die produzierte Wärme möglichst kostengünstig an den Endverbraucher abgeben. Hieran scheitert es oft. Wärmeversorger verlangen teils überhöhte Entgelte.
Ein Fernwärmeliefervertrag ist rechtlich ein Kaufvertrag nach den §§ 433 ff. BGB. Standardmäßige (allgemeine) Geschäftsbedingungen werden im BGB in den §§ 305 bis 310 BGB geregelt. Doch im Bereich Wärme (und im Bereich Wasser) gibt es stattdessen andere Vorschriften. Nach Art. 243 EGBGB darf der Bund separate AGB-Rechtsvorschriften erlassen: Art 243
Ver- und Entsorgungsbedingungen: "Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser und Fernwärme sowie die Entsorgung von Abwasser einschließlich von Rahmenregelungen über die Entgelte ausgewogen gestalten und hierbei unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen 1. die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen, 2. Regelungen über den Vertragsschluss, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie 3. die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festlegen. Satz 1 gilt entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Ver- und Entsorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens." Diese Vorschriften bezüglich der Fernwärme sind die Vorschriften der "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV)". Die AGB-Kontrolle findet anhand dieser Vorschriften der AVBFernwärmeV statt anhand der §§ 305 ff. BGB statt.
 

 
Energiequellen:
Momentan werden in den Wärmekraftwerken noch viel zu viel Erdgas, Heizöl oder Kohle und viel zu wenig z.B. Biogas oder andere erneuerbare Energieträger verbraucht. Fernwärme ist gegenwärtig also nicht klimaschutztauglicher.
 
 
Gesetze:
Gebäudeenergiegesetz (GEG); Synonym: Heizungsgesetz
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV)
Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte (FFVAV)
Verordnung über die Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung für Mietwohnraum (WärmeLV)
Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (HeizKV)

Wärmeplanungsgesetz (WPG)
 
 
Links:
AGFW -- Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. -- Seite Recht.
 
 
Literatur:
Konstantin / Konstantin, Praxisbuch der Fernwärme- und Fernkälteversorgung, 3. Aufl. 2024.
 

 
 
Offenbach am Main, 15.02.2025
 
Copyright obiges Foto: pixabay.com/de